Düvel ok oder Opa Johsy

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John Wein

Mitglied
Moin, moin!

„Irmgard“, Tante Hilka aus Kirchhammelwarden hatte das Zartgefühl eines Rechenschiebers, und sie konnte einen wirklich nerven mit ihrem charmant vorgetragenen direkten Vorschlag: „Wir können Vater gerne auch zu uns nehmen“, sie betonte das „uns“ und weiter in mitfühlendem Nachklang meinte sie, dass unsere Mutter auch einmal an sich, ihre Gesundheit und die Familie denken solle und sie den Opa doch auch bei sich uneigennützig und bestens versorgen könne, und darüber hinaus solle er es auch insgesamt recht und gut antreffen bei ihr und Onkel Heiko in Kirchhammelwarden. Ja das war doch die Höhe!

„Düvel ok!“

Die Mama antwortete prompt und es lag unverkennbar eine Schärfe in ihrem Blick: „Nee, min deern! Dat sull wirklich nich nödig daan! En ollen Boom kunnt je nich versetten. Dat deit man nich! Uns Paps is bi ons nu fievuntwintig Jaar weest un wi sünd allteid tosamen good torecht komen! Nie und nümms!“ Und dann reichte sie noch ein barsches „Basta!“ in Begleitung eines schmerzhaften Faustschlags auf die Tischplatte hinterdrein.

„Düvel ok!“

Alles hatte vielleicht etwas mit einem Testament zu tun, denn die Mama benutzte das Wort „Arvdeel“ hin und wieder, wenn unsere Tante Hilka nicht zugegen war.

Wilke und mir konnte es nur recht sein. Wir würden unseren Opa Johsy nicht hergeben wollen, nicht um alles auf der Welt nicht! Er war der lustigste und liebste Opa auf Erden und darüber hinaus in der ganzen Wesermarsch.

Seit „die Weser“ , wie er es auszudrücken pflegte, in seinen Knien „die Flut“ hatte und er die Krücken zum Fortbewegen brauchte, verbrachte er sitzend einen großen Teil des Tages in einem alten Korbsessel am Fenster in der Stube und beobachtete die Welt jenseits der Gardinen. Seine zunehmende Vergesslichkeit war ein Kreuz. Oft er kramte in seiner Gedankenkommode nach geeigneten Worten, allein die Erinnerung an die Zeit seiner Jugend war noch immer wach. Leutselig und freundlich im Kern leuchtete es spitzbübig und sympathisch in seinen Augen und bei manchem Schabernack, den wir beim Spiel mit ihm ausfochten, beschirmte er uns vor den Ermahnungen der Mama -„jetzt reicht’s!“ -mit verständnisvollen Argumenten:

„Düvel ok!“

An Opas Seite wachte Taro unser Hund und nahm’s mit Schlappohren und geschärften Blick gelassen. Ihn als Deutschen Schäferhund zu bezeichnen träfe es nicht ganz, aber im Körperbau und Wesen war er jenem im Grunde doch sehr ähnlich.

Mit dem nach unten gezogenen rechten Mundwinkel und einem graumelierten, flegelhaften Henriquatre unter der Nase, schaute der Opa nach draußen in die Welt und dahin wo der träge Fluss seinen Weg nach Bremerhaven nahm. Nur andeutungsweise und nur wenn die Flut das Wasser staute, konnte man den schieferfarbigen Streifen des Gewässers am gegenüberliegenden Ufer erkennen. Doch die Schiffe, wenn sie mit ihren eindrucksvollen Aufbauten aufwärts gegen Bremen oder abwärts nach Bremerhaven hoch über der Deichlinie vor dem Haus dahin zogen zeigten deutlich an, dass der Strom dahinter weiter trieb und belebt war. Er war dem Opa ein guter Nachbar und gemeinsam mit ihm noch ein bisschen älter geworden.

Joseph Oltmanns trug schwer an seiner Vergangenheit. Gern wäre er auf Große Fahrt gegangen, die Seefahrtsschule lag mal gerade nebenan in Elsfleth, aber es reichte nur als Kapitän im Führerstand einer Diesellok von Nordenham nach Oldenburg. Als Pimpf hatte ihn die Seefahrt mächtig fasziniert. Bereits Sein Vater war als Maat auf der Pamir gefahren. Zusammen mit dem Viermaster ruhte er nun in seinem dunklen, nassen Grab. Der Sohn Joseph wollte es ihm gleichtun, nein, natürlich nicht auf dem Grund des Atlantiks sondern an Bord der Passat dem ebenso stolzen Windjammer. Was war das für eine Geschichte!

„Düvel ok!“

Aber: nach seiner ersten Hochseefahrt, es war wohl Vierundfünfzig zu Pfingsten auf der MS Funny Girl bei einem Ausflug nach Helgoland, da hatte er den Lachmöwen sein vorverdautes Essen hergegeben. Jetzt zweifelte er zwar nicht grundsätzlich an seiner Veranlagung mehr aber an einer maritimen Berufung im Allgemeinen. Ein Berufsleben lang mit Brummschädel auf schwankenden Planken in dieselgeschwängertem Dunst, Windjammer hatten mittlerweile ausgedient, konnte er sich schlichtweg trotz der Sehnsucht nach der Großen weiten Welt nur schwer vorstellen. So fiel denn sein Traum nach langer Abwägung nicht mehr ins Gewicht sondern gleichsam wie vormals der Vater glatt ins Wasser. Die Lok war jetzt seine Braut mit der er über Großenmeer nach Oldenburg dieselte. Allerdings tief am Grund seiner Seele verwurzelt nagte stets das Verlangen nach der Seefahrt und der Ferne. „Meine Heimat ist das Meer“ schmetterte er im Bariton, wenn er in der Wesermarsch mit seiner Lok nach Nordenham unterwegs war.

„Düvel ok!“

Was dem längst ausgemusterten Haudegen geblieben war, war das Pflichtbewusstsein, die Akkuratesse und seine abgewetzte aber noch immer ehrfurchtgebietende Dienstmütze unter deren Rand sich ein wollig grauer Flaum hervor kräuselte; ein Karl Dall mit Schirmmütze, mit Leidenschaft im Blut, Notizblock und Bleistift auf den Knien. Die Mütze auf dem Schädel und Pantoffeln an den Quanten saß der alte Knochen in seinem Korbsessel und ging seiner neuen, „hochoffiziellen“ Berufung nach, machte Striche und Kreuzchen in Spalten und Kästchen. Gewissenhaft und präzise notierte er Berg- und Talfahrt der Schiffe zwischen Bremen und Bremerhaven akkurat mit Zeit und Richtung, und wehe dem, der ihm bei diesen Amtshandlungen in die Quere kam.

„Düvel ok!“

Besonders wichtig waren ihm die ab und an aufkreuzenden Behördenpötte, wie er es nannte. Kam das Polizei- oder Zollschiff ins Visier, dann nahm er Haltung an, richtete er seinen Körper im Sessel auf, knallte jämmerlich die Hacken mit seinen Pantoffeln und salutierte, dass es einem Angst und Bange werden konnte.

Als vor nicht allzu langer Zeit einmal Henning Scherf den Präsidenten unseres Landes bei dessen Amtsantritt auf der Nordstern links von Bremerhaven kommend die Weser hinauf gen Bremen begleitete und dabei Brake rechts liegen ließ, erhob er sich gar, und mühsam auf die linke Krücke gestützt machte er pflichtbewusst sein Hab Acht. Bei aller Schneidigkeit, er hätte es lieber bleiben lassen, denn Krücke und Gleichgewicht wollten nicht wie der Opa. Und dann passierte es! Im Taumel zwischen Stuhl und Fensterbank erwischte er mit der Linken die Raffgardine. Die war natürlich nicht für diese Last ausgelegt, und sich riss die gesamte Stellage der Fensterumrahmung mit sich und räumte im Gefolge Kaktus und Stechpalme auch noch von der Fensterbank. Da war Holland in Not! In schwerer See und großer Schieflage kippte er und sank dahin,

„Düvel ok!“

….rammte sich die Tischkannte in den Bauch, klappte vornüber und knallte mit dem Kopf auf die Platte, so hart, dass der Tee aus der Tasse schwappte und das Kreuz des Südens um seine Stirn herum tanzte. Bei all dem Unglück flog ihm im hohen Bogen die Zahnprothese aus dem Gesicht, rutschte über die Tischplatte hin und in dem ganzen Tohuwabohu schnappte Taro reflexartig danach. Was dann passierte, dreimal ist bremisches Recht, kann man sich sehr leicht vorstellen. Es krachte mächtig und der Hund schluckte, er schluckte, und schluckte noch einmal. Er verschluckte alle Zähne einzeln nacheinander, allein die Gaumenplatte würgte er wieder aus. Doch damit, so kann man es sich leicht vorstellen, war nun wirklich kein Staat mehr zu machen. Jetzt lag Laboe im Achterwasser.

Düvel ok!

Danach war unser Opa Johsy wochenlang gehindert feste Speise zu sich zu nehmen, außer „Möwenfraß" wie er es drastisch und eingedenk seiner vormaligen Helgolandfahrt sehr anschaulich auszudrücken wusste.

Es vergingen die Tage und mit der Zeit lief so manches Wasser bei Ebbe die Weser hinunter und bei Flut wieder hinauf ohne sich um den Opa Johsy zu kümmern, nur wir „Kinners“ und manchmal auch noch Tante Hilka aus Kirchhammelwarden.

Nachsatz:

Was? Wie? Ihr glaubt das alles sei aus der Luft gegriffen, dieses Vertellsel einfach so aus der Lamäng? Alles ausgedacht und frei erfunden? Na ja, wer wird und will das jetzt noch wissen! Eins Kinners jedoch das weiß ich ganz genau, der Opa Johsy selbst hat‘s mir später bei Bier und Köm zugesteckt, dabei die Augen schwer nach rechts oben verdreht und sich spitzbübig ein allwissendes Lächeln ins Gesicht geschnitzt:

Die Zähne, als sie wieder ans Tageslicht kamen, sie waren nicht mehr zu gebrauchen.

„Düvel ok!“
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo John, Düwel ok? Beginnen so nicht Thomas Manns Buddenbrooks? Dein Text schildert zwar eine amüsante Begebenheit, aber er ist einfach zu lang und der Dialekt erschwert das Verständnis.
LG Doc
 

John Wein

Mitglied
Lieber Doc S,

Vielen Dank für ihre konstruktive Kritik, die ich mir bei einem nächsten Beitrag gewiss zu Herzen nehmen werde.

Ich selbst hatte große Bauchschmerzen beim Verfassen dieses schwer zu verstehenden norddeutschen Dialekts, doch ich meinte, einfach ein bisschen Lokalkolorit in die Geschichte weben zu müssen.

Mich in die Nähe des TM zu rücken, empfinde ich sehr schmeichelhaft, denn ich mag diesen Giganten unter unseren Dichtern sehr. Allerdings, der von ihnen angeführte Roman ist mir nur in der Filmversion bekannt und eine eventuelle plagatielle Verwendung des Zitats „Düvel ok“ wäre zufällig.
Es gibt einen Grund für dieses Bonmot, aber das wäre eine andere, viel, viel längere Geschichte.

„Düvel ok“ heißt übrigens auf Hochdeutsch „zum Teufel“ oder „Kruzitürken“. Das ist aber politisch unkorrekt; auf Rheinisch vielleicht „sapperlot“.

Die andere Dialekt-Passage könnte ich auf Wunsch ebenfalls ins Hochdeutsch übersetzen, aber bitten sie mich bitte nicht, es in Rheinische Mundart zu übertragen. Ich wäre dazu ohne ein längeres Hochschul Studium überhaupt nicht in der Lage.

JW
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Hallo „John Wayne“

Da ich tief aus dem Süden der Republik komme, habe ich auch so meine Probleme mit den dialektischen Passagen und enthalte mich gleich mal einer Wertung und Bewertung des Stücks.

Das überlasse ich denjenigen, die mit den lokalen Gepflogenheiten und der norddeutschen Mentalität vertraut sind. Mein einziger Bezug zu dem Handlungsgebiet ist der Ort Elsfleth, wo ich bei Verwandten in meiner Kindheit mal Krabben puhlen musste und das noch als Höchststrafe in Erinnerung habe.
Handwerklich scheint alles ok zu sein und satirische Elemente hat das Stück sicher auch.

Ich schließe mich der docschneiderschen Analyse einfach mal an: Dialekt bitte nur als Stilmittel in der wörtlichen Rede, und die Form etwas geraffter. Oder du lieferst gleich eine Satire ab, die Kapitel und Handlungsabläufe mit Charakterstudien, den kleinen und großen Katastrophen und einer Schlußpointe beinhaltet.

Das ist aber nicht einfach und es gehört jede Menge handwerkliches Geschick dazu, den geneigten Leser damit über das ganze Werk hinweg zu fesseln.

Gruß aus Süddeutschland sendet der Ironbiber
 

Paulina

Mitglied
Hallo John,

Die andere Dialekt-Passage könnte ich auf Wunsch ebenfalls ins Hochdeutsch übersetze. ...
Bloß nicht!
Mir gefällt deine Geschichte sehr gut, wie sie ist, und durch eine Übersetzung würde sie verlieren. Gerade die besagten Passagen machen die Atmosphäre aus, finde ich.
Dass ich das Mundartliche gut verstehe, liegt vielleicht daran, dass ich etliche Jahre in Vorpommern gelebt habe.
Die Länge finde ich ebenfalls in Ordnung, und ich wüsste nicht, was du kürzen solltest, ohne dass die Atmosphäre leidet.
Ich hatte jedenfalls mein Vergnügen beim Lesen.
Paulina
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Jetzt nochmal nachgeschlagen bei den Buddenbrooks. Die ersten Sätze:
"Was ist das. - Was - ist das..."
"Je, den Düwel ook, C'est la question.."

Ich hab's gewusst! ;-)

LG Doc
 



 
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