Ein Enkel reflektiert

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Marot

Mitglied
Du kennst die Welt, von der wir heute träumen.
Und, plötzlich schaudernd, nass geschwitzt erwachen.
Du kennst die Welt in bombenfesten Räumen,
in welcher Splitter durch die Mauern krachen.

Was du gesehn hast, kann man heut kaum fassen,
was du gehört hast, will man nicht erahnen.
Und dennoch bleibst du friedlich und gelassen
und zuckst nicht mal, wenn Flegel dich ermahnen.

Es ist sehr leicht für uns, euch anzuklagen.
Uns ist es fremd, das kriegsgeborne Hassen.
Auch ihr wart schuld an diesen Schreckenstagen.
Auch ihr wart schuld, die dummen Menschenmassen.

Ihr wart das Volk, das Seine Fahnen schwenkte
und gänzlich darf man sicher nicht vergeben.
Doch als dir Gott die zweite Chance schenkte,
begann ein neues, demutsvolles Leben.

Die dunklen Schatten sind für dich vergangen.
Zu viele Gassen bist du lang geschritten,
um dich in alten Teufeln zu verfangen.
Du hast nun wahrlich lang genug gelitten
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
nee, bin ich nicht Deiner Meinung. Wenn Du sagen würdest, lasst UNS doch endlich frei aus dieser scheiß Kollektivschuld, wir die Generationen später auf die Welt kamen und noch immer schlechten Gewissens dessen, was Opa und Uropa einst bejubelten, weltweit angeklagt werden, dann würde ich Dir zustimmen.

Unsere Kinder und Enkel werden unsere Sünden auch verteufeln, soviel ist (leider) sicher.

VG

Thomas
 

Marot

Mitglied
Hi Sta.tor
Auch wenn ich was dies angeht deiner meinung bin, dass ist einfach nicht das Thema des Gedichtes. Es geht nicht um die Schuld unserer Generation, weil eine solche Schuld gibt es nicht, es geht um die Vergebung der Schuld unserer Großeltern. Das sind zwei grundsätzlich verschiedene Gedankengänge.
Es geht mir darum das wir ihnen verzeihen dürfen und sollten, auch wenn und vielleicht gerade wegen der " Kollegtivschuld " die sie auf uns abgeladen haben.
Dieses Gedicht ist kein Dialog zwischen Deutschland und der Welt sondern zwischen Deutschland und Deutschland.
Gruß Marot
 
L

LAW

Gast
Hallo Marot,

inhaltlich große KLasse, deshalb die 8 von mir. Mich würde mal interessieren wie Jotes und Gerd G. die unterschiedlichen Zeilenlängen sehen, spielen die überhaupt ne Rolle, wenn Sie den Rhytmus nicht unterbrechen oder gibts da ne Standartfestlegung. Ich mühe mich immer ab das so "einzukürzen, dass sie gleichlang sind.

Gruß
LAW
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Marot, Hallo Law

Wie ich das sehe? Hmmm... auch ich verbiege mal gern das Metrum ein wenig aber zunächst etwas zum Inhalt:
Ich denke, dieser Generation vergeben zu wollen, ist fast schon anmassend. Wenn ich sehe, welche kollektiven Irrtümer heute in der Welt sind.... Es gibt immer einen Zeitgeist, dem wir uns nicht entziehen können.
Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob jemand zum engeren "Täterkreis" zählte, also mehr oder weniger unmittelbar an den rassistischen Untaten und der politischen Unterdrückung beteiligt war, oder ob jemand nur einer der vielen Millionen Fische war, die einfach nur mit dem Strom schwammen, es hätten besser wissen können, es aber nicht besser wussten.
Wenn Letzere gelernt haben, gibt es nichts zu verzeihen. Wir sollten besser daraus etwas über uns selbst lernen.

Das heisst jedoch nicht, dass ich die Aussage schlecht finde. Ich seh's einfach noch ein wenig "grosszügiger"

Zum technischen Teil: Das Metrum muss bei meinen eigenen Gedichten auch des öfteren ein wenig "gebogen" werden und zu meinen, es müsse einheitlich und durchgehend sein, ist völliger Blödsinn.
Man muss hier allerdings ein bisschen viel biegen. Kann man durchgehen lassen aber es ginge besser. Auch einige Formulierungen wirken künstlich. Hier musste die Sprache dem Reimschema und der Metrik Tribut zollen.
Insgesamt sind diese Dinge aber weitgehend einfach eine Frage des Trainings und der Textarbeit/Ausarbeitung (an letzterer klemmts bei mir auch öfter mal). Mit etwas Hirnschmalz und Übung wirds besser, wobei ich das Gedicht auch so schon recht anständig finde.

LG

Jürgen
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
P.S.: Beim reflektierenden Enkel dachte ich zunächst an an diese Verkehrs-Dreiecke (zum Umhängen) für Kindergarten-Kinder.... :D
 
L

LAW

Gast
@ Jote,

danke für den Kommentar zur "Technik" damit kann ich was anfangen, vor allem denke ich dass ich wenn ich nur auf Metrik achte oft so langweilige Leiergedichte produziere, so wie Fritzchen sich eben gedichte vorstellt.

Tja und zum Inhalt und der Vergebung bzw. Reflexion der "Jetztzeit" oder auch der Schuld von uns Deutschen vor dem "dritten Reich"
(wilhelminischen Kriegstreiber und Kolonialverbrechen), ja Jotes also da sind wir ausnahmsweise absolut einer Meinung.
Das hätte ich Dir garnicht zugetraut. Kompliment.

Auch an Dich Marot, tolles Thema, gut aufbereitet, Klasse!

man liest sich
LAW
 

Marot

Mitglied
Hi leute freut mich sehr, dass es euch gefällt.
Zur Thematik: Naja klar darüber kann man streiten und ein wemig anmaßend ist es sicherlich, abe riregndwie hatte ich tief in meinem Inneren das Bedürfis zu vergeben, vielleicht auch ein wenig, weil es mir insgeheim reicht immer um Vergebung bitten zu müssen, wie auch sta.tor das andeutete.

Zur Metrik:
Hm das verwirrt mich ein wenig, denn die müsste eingentlich tadellos ein fünfhebiger Jambus mit weiblicher Kadenz sein. Wirkliche Verbiegungsstellen sehe ich eigendlich auch nicht, nur einige einsilbige Füllwörter, das aber das ist bei metrisch sauberen Werken eigentlich ganz normal.
hm...
Vielen Dank fürs Lesen, hat mich sehr freut
 



 
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