Ein Tag wie jeder andere

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ridding

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Ein Tag wie jeder andere

Als ich morgens mein Fahrrad bestieg, sprang mal wieder die Kette nicht an. Ich stellte meinen Zughund zur Rede, aber der konterte sogleich mit der alten Leier, dass ich vor ein paar Wochen seinen Dosenöffner verlegt hatte, weswegen er seine Hütte nicht säubern könne.
„Komm nicht schon wieder damit“, raunzte ich ihn an. „Was hat das mit der Kette zu tun?“
Er ließ sich nicht beirren, stellte das Radio an und las mir seine gewerkschaftlich verbrieften Rechte vor.
„Na gut“, sagte ich, denn wer will sich schon mit der Gewerkschaft anlegen, und schlug vor, stattdessen die Bahn zu nehmen.
Damit hatte ich seinen schwachen Punkt getroffen, denn als Dackel-Bernhardiner-Mischling lebte er in ständiger Angst vor rassistischen Pöbeleien, nicht ganz zu Unrecht, denn bei solchen X-Beinen wurden selbst Nonnen schwach und hohnlächelten, dass die Kutten nur so qualmten.
„Nehmen wir also doch das Fahrrad“, gab er nach, schloss die Kette kurz und schob ein erkennbar hergeholtes „Schließlich habe ich erst vollgetankt, da können wir uns das Geld für die Fahrkarten sparen und ziehen uns dafür lieber ein paar Ravioli rein“ nach.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, obwohl mir eine Pizza Napoli lieber gewesen wäre, und warf den Scheibenwischer an. Nach wenigen Minuten hatten wir die Fakultät erreicht und putzten erst mal die Platte. Nachdem wir alle Brösel beseitigt hatten, verkrümelten wir uns auf das Parkdeck, wo schon andere akademische Hilfskräfte sich ihrer verantwortungsvollen Aufgaben entledigt hatten und an den Auspuffrohren nuckelten.
Während der Hund an der Bar die Ravioli bestellte, kümmerte ich mich um die blonde Arabistik-Studentin aus dem 12. Semester, die friedfertig ein paar Lungenbläschen aus ihrer Brotdose löffelte, womit sie signalisieren wollte, dass sie schon länger einen Blick aus ihrem Glasauge, das sie mit einer violetten Kontaktlinse zu kaschieren versuchte, auf mich geworfen hatte.
„Shalom“, flunkerte ich, sie errötete kurz unter ihrem blauen Bikini, schien sich dann aber doch auf die Nummer einlassen zu wollen und erzählte über die internationalen Konfliktherde im Präkambrium. Zum Glück hatte ich erst kürzlich einen Aufsatz über stalagmitische Redundanzen gelesen und ließ ein paar Fachtermini zu neoandalusischen Interferenzen fallen. Damit war die Sache geritzt, ich legte die Hand auf ihre Hüfte und sagte „So läuft es eben, wenn es läuft“, wodurch sie mir vollends verfiel.
Dummerweise kam aber jetzt der Hund mit den Ravioli angetapert und vermasselte mir die Tour. Er verwickelte sie in ein Gespräch über die historische Bedeutung von rotsoßigen Teigwaren, was mich natürlich anödete, weil ich die Sprüche schon mitsingen konnte, meiner kleinen Araberin aber mächtig imponierte, weil sie das von einem Dackel-Bernhardiner-Mischling nicht erwartet hatte.
Nachdem die beiden sich in Richtung Parkscheinautomat weggemacht hatten, ging ich an die Bar, bestellte mir ein paar doppelte Perlmuttfeuer und hoffte auf weitere Abenteuer. Ein solches kam auch bald in Gestalt einer anämischen Hochseefischerin, die beschlossen hatte, ihre Heuer für sinnvolle Projekte zur Bekämpfung von Schimmelpilzen in Marmeladengläsern zu spenden. Sie merkte schnell, dass sie damit bei mir genau richtig lag und lud mich ein, ihre Angelhakensammlung zu bestaunen.
Der Trick verfehlte seine Wirkung nicht und schon bald hing ich an diversen Haken zwischen zwei Masten ausgetakelter Galeeren aus der Zeit der 3. Gin-Seng-Dynastie, während sie stumpfsinnig in einem salzwasserbefleckten Fotoalbum blätterte und immer wieder „Weiße Möwen legen keine grünen Eier“ vor sich hinlallte.
So hatte ich mir den Nachmittag eigentlich nicht vorgestellt und machte mich vom Acker, wobei ich zwar einige Hautpartikel zurückließ, dafür aber aus ihrem Kühlschrank eine dreiviertelvolle Flasche Friteusenlikör mitnahm.
Ich saß gerade ein paar Minuten am Flussufer, als mein Zughund frustriert mit dem Fahrrad angeschoben kam, weil die Araberin letztlich doch einer dänischen Dogge mit Jodelmagister den Vorzug gegeben hatte. Da war klar, dass wir mal wieder alleine waren, zockelten auf dem Rad nach Hause und plünderten den Keller seiner Hütte. So wurde es alles in allem doch noch ein netter Abend.
 



 
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