Ein Trost(versuch)

2,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Mika

Mitglied
Dies ist keine Entschuldigung. Allenfalls eine schlechte Erklärung für mein Handeln und ich weiß, keine noch so mitfühlenden Worte nehmen dir die Verwirrung in deinem Kopf und deinen Schmerz.
Heute, während ich es alles aufschreibe, fühle ich den Morgen nach unserer letzten Nacht so intensiv wie nie. Ich erinnere mich daran, wie das Licht durchs Fenster flutete, an den Geruch in deinem Zimmer, an die morgentliche Stille, wie sich das Parkett anfühlte unter meinen nackten Füßen - daran, dass ich eigentlich nie aus dieser Wohnung verschwinden wollte, diesen ganzen Morgen, mein ganzes Leben in diesem einen Moment verdichten wollte; und ich erinnere mich daran, wie ich gleichzeitig wusste, dass ich all diese Dinge vergessen musste und wie sehr ich dem Menschen, den ich so friedlich schlafen sah, weh tun würde.

Wir hatten uns nicht auseinander gelebt. Da waren keine zu hohen Erwartungen, keine Einschränkungen was Beziehungen mit anderen oder Sex betrifft. Du und ich hatten einfach nur unterschiedliche Vorstellungen von der eigenen persönlichen Entwicklung.
Da war dieser Punkt, an dem es für mich kein Vorwärtskommen mehr gab, an dem ich erkannte, daß ich lief und lief und lief aber daß alles was ich tat, war, mich im Kreis zu drehen.
Ich hatte die Wahl zwischen einer Endlosschleife, stagnieren, wachsen und lernen, mit mir allein zu sein. Ich hatte die Wahl und ich habe mich entschieden.
Es tut mir so leid, aber das war der einzige Weg.
Wenn du willst, kannst du mich deshalb egoistisch nennen, ich nenne es Selbstverwirklichung.
Vielleicht wirst du mich eines Tages verstehen und nicht mehr fragen, ob ich dich hasse, weil du noch immer nicht begreifst, warum ich dich verlassen habe.
Wie könnte ich denn jemanden hassen, der mir zeigte, wie man aufhört zu träumen und anfängt zu leben und der mir vier Jahre seines Lebens geschenkt hat? Also keine Angst, ich werde dich nicht vergessen; ich habe mir jeden einzelnen Zentimeter deines Gesichts eingeprägt, bevor ich ging.
Es ist nicht deine Schuld. Du hast dich bemüht, nicht gewußt, daß ich nach mehr suche, du hast alles riskiert. Aber hast du denn wirklich geglaubt, ich würde wieder zurückkommen?
Ich weiß schon, du hast es gehofft. Du dachtest, du würdest mich nie verlieren, wenn du mir alle Freiheiten lässt. Du hast mich auch nicht verloren, ich bin immer noch da.
Deshalb kann und will ich auch nicht hinnehmen, wie du dastehst, mutlos und mit trauriger Miene, wenn wir uns begegnen. Du bist mir wichtig und nicht egal. Ich liebe dich doch immer noch, nur jetzt eben anders – das ist viel tiefer, das ist viel schwieriger.
Und glaub mir, auch ich bin noch gern an dem kleinen See, an dem wir früher gemeinsam waren und es wird sie immer geben, die Lieder und Orte und Augenblicke die uns verbinden. Doch du solltest nicht ewig daran festhalten. Bitte warte nicht auf etwas das vergangen ist, vergiß, was morgen vielleicht geschieht, sieh auf das, was jetzt, hier direkt vor deinen Augen liegt. Es bieten sich dir jeden Tag die wunderbaren Gelegenheiten der Liebe und des ganzen Lebens selbst, doch du weist all diese Dinge zurück. Warum? Weshalb glaubst, du könntest nicht jemand anderen finden und genauso lieben?
Ich versuche es doch auch.
Ich sage mir, daß ich noch laufen kann und atmen und Bilder malen wenn ich Lust dazu habe, oder in den Park gehen wenn ich möchte - die Sachen mache, die mich erfüllen.
Es sind diese alltäglichen Dinge und Momente, die einen das erkennen lassen, was wahr und sinnvoll ist und in solchen Augenblicken ist es ohne Bedeutung, daß auf der Arbeit nichts nach Plan läuft oder ich pleite bin, denn schon allein die Fähigkeit, all das zu erkennen, macht mich zu einem reichen Menschen.
Dann habe ich Trost und ich bin sicher, dass alles gut wird.
Aber an manchen Tagen geht es einfach nicht, an manchen Tagen ist das einfach nicht mein Leben, da bekomme ich keinen einzigen klaren Gedanken zusammen und nichts, was ich anfasse, gelingt mir...
Du siehst, auch ich habe die emotionale Tragweite meines Entschlusses nicht geahnt, aber ich glaube daran, dass alles irgendwann einen Sinn hat, selbst wenn wir ihn jetzt noch nicht begreifen.

Und das was ich mir am meisten wünsche ist, dass du und ich irgendwann in unseren Leben noch die werden, die wir sind.
 



 
Oben Unten