Ein Zwiegespräch

Noor

Mitglied
Ein Zwiegespräch​

Willst du mir nicht ein wenig die Hand streicheln? Nein? Ich sehe schon, dir liegt es mehr, den Kopf zu schütteln, mit hoch, hochgezogener Augenbraue. Ach, schau doch nicht so. Runzelt mich doch nicht so an, du und deine Stirn. Das Leben ist da, um gelebt zu werden, nicht um mit einem so sauertöpferischen Ausdruck durch die Gegend zu laufen, dass alle Freuden schon von Weitem Reißaus nehmen. Wild, frei, ungestüm möchte ich sein, nicht traurig und klein. Du verstehst das nicht? Du verstehst mich nicht? Soll ich es nochmal lauter wiederholen, es dir ins Ohr buchstabieren? Zu laut? Zu nah? Jetzt guck nicht so verschreckt, ich will doch nur spielen.

Fesseln willst du mir anlegen, ich mag das nicht. Sei zahm, sei nett, sei am besten wie ein jeder Mensch in dieser Welt. Aber das geht doch gar nicht! sage ich. Alle gleich, pfui, was redest du da bloß? Aber ich sehe schon, deine verkrampfte Hand, die mich am Rockzipfel eisern festhält, bedeutet mir, dass dir die Geduld langsam ausgeht. Sei doch nicht solch ein Griesgram. Ein kleines bisschen Verständnis? Du darfst mir auch nur ein klitzekleines Stückchen schenken. Mit Schleife, bitte. Du verdrehst die Augen, du alter Spielverderber. Ich lache. Zupfe an deinem Haar, piekse dich in die Seite, da wo es kitzelt. Ich lasse dir keine Ruhe.

Ich will diesen Kampf nicht verlieren. Nicht schon wieder, hörst du? Immer hast du gewonnen! „Immer“, was für ein hässliches Wort. Pah, ein Wörtchen, wenn überhaupt. Das ist schon zu viel der Ehre. Wie bitte? Albern, ich? Dann scheinst du „immer“ noch nicht kennen gelernt zu haben. Es hält sich fast schüchtern im Hintergrund, aber in Wirklichkeit ragt es hoch über deinen endlosen Tiraden auf, das hinterhältige Ding. Immer reizend, immer makellos, immer perfekt. Und keine Fehler, bloß keine Fehler.

Da! Ich hab`s gesehen, genau gesehen, wie ein verlegener Zug über dein Gesicht huschte! Du weißt, ich habe recht, nicht wahr? Hah!
Jaja, streite du es nur ab, ich wiege mich währenddessen bequem in Gewissheit. Aber nein, sagst du? Das Leben ist gefährlich, sagst du? Ja, gefährlich, unberechenbar, und ich will es bei den Hörnern packen und mich nicht nur an den Schwanz hängen! Lässt du mich los, bitte? Lässt du mich frei?
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

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