Ein ganz Alltäglicher Todesfall

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JennyP.

Mitglied
Ein ganz alltäglicher Todesfall

Die Morgensonne stach ihm ins Gesicht wie ein spitzer Pfeil. Zu grell, als dass er an solch einem Tag gute Laune haben könnte. Aber immerhin bewegte sie ihn dazu, sich aus seinem Bett zu erheben. Will war ein Morgenmuffel und hatte sich schon vor Jahren damit abgefunden, immer dem selben Trott zu folgen. Gute Laune hatte er dadurch nur noch selten. Es gab zu wenig in seinem Leben, dass ihm Freude bereitete.
Kraftlos setzte er sich auf, lies seine Beine auf den Boden schwanken und legte sein Gesicht in die Hände. Ohne den vorigen Tag etwas gegessen zu haben, wurde ihm wieder schwarz vor Augen. Er atmete tief ein und richtete sich schwermütig auf.
Das Erste was er jeden Morgen tat, war mit einem Ruck die Gardine zuzuziehen und das Fenster zu schließen, wie auch an diesem Morgen. Das chaotische Großstadtleben wog ihn abends in den Schlaf, trieb ihn aber morgens zur Weißglut.
Will machte sich auf den Weg ins Bad um sich grob zu rasieren, die Zähne zu putzen und schnell zu duschen. Zurück im Schlafzimmer, zog er sich seinen dunkelblauen Anzug an und sprühte sich etwas Agua di Gio von Armani an den Hals.
Will hatte nicht viel Zeit. Der Weg zu seinem Büro war weit und der Betrieb auf den Straßen unerträglich. Mit einem Taxi würde er es nicht mehr schaffen. So musste also sein Volkswagen herhalten, den er nur selten benutzte. In New York ist man besser damit bedient, die U-Bahn zu nehmen oder sich ein Taxi kommen zu lassen. Und trotzdem ist ein eigener Wagen in mancher Hinsicht unerlässlich.
Will hatte schon immer einen rabiaten Fahrstil. Mit quietschenden Reifen raste er durch das Parkhaus hinaus auf die Straße. Dort stand er nun. Mitten im alltäglichen Berufsstau. Nur langsam schleppte sich die Schlange voran. Will verschwendete nicht einen Blick nach links oder rechts. Alles was ihn interessierte war pünktlich im Büro zu sein. Sein Chef hatte ihm schließlich schon länger Probleme gemacht und wartete nur auf eine Gelegenheit, ihn rauszuschmeißen. Auch sonst kam er nicht viel unter Leute. Er war ein Einzelgänger und nie unzufrieden damit.
Auf dem Beifahrersitz lag sein Aktenkoffer. Er musste ihn wohl abends zuvor dort liegengelassen haben. Grund genug, noch einmal die neuesten Artikel durchzugehen und sich auf die nächste Konferenz vorzubereiten.
Während er sich, auf seine Unterlagen gerichtet, angestrengt auf seine Arbeit konzentrierte und instinktiv dem langsamen Voranschreiten des Staus folgte, merkte er nicht das er plötzlich mitten auf einer Kreuzung stand und die Ampel bereits auf rot schaltete.
Es war bereits zu spät als er aufsah. Im selben Augenblick raste ihm ein gleicher Workaholic frontal in die Seite und schleuderte Will in seinem Volkswagen quer über die Kreuzung. Durch den Aufprall an einem Laternenpfahl wurde der Wagen gebremst und Will bewusstlos.
Als er aufwachte, war die Polizei und ein duzend Sanitäter bereits da. Jeder war mit irgendetwas beschäftigt. Ein Sanitäter holte die Trage aus dem Rettungswagen, ein anderer schien einen Verwundeten zu behandeln und ein Polizist war damit beschäftigt Schaulustige zu verhören.
Keiner dieser Beamten schien sich für Will zu interessieren. Er lag mit dem Kopf über dem Lenkrad und richtete sich nun entkräftet auf. Er hatte keine schmerzen, konnte sich aber kaum bewegen. Mit fragendem Blick stieg er aus seinem Wagen, der einer zusammengedrückten Sardinenbüchse glich, und schaute sich um. Auch jetzt sah niemand zu ihm, um ihm zu helfen oder ihn zu befragen.
Verstört verließ er den Schauplatz. Es war ihm egal, welche Konsequenzen das für ihn haben würde und auch über seine Arbeit verschwendete er keinen Gedanken mehr. Es spielte einfach keine Rolle mehr für ihn.
Seine Umgebung schien ihm völlig verändert. Die Menschen gingen wie in Zeitlupe an ihm vorbei und scheinbar hindurch, als würden sie ihn überhaupt nicht wahrnehmen. Zum ersten Mal sah er die stress- und frustverzerrten Gesichter in seiner Umgebung. Will konnte fast erahnen, welche Probleme jeder Einzelne gerade mit sich trug. Es war, als könnte er in sie hineinblicken.
Da war die junge Frau, die ein Kind an ihrer Hand hielt und hinter sich her zerrte. Wahrscheinlich war sie überfordert, sich 24 Stunden als Alleinerziehende um ein Vorschulkind zu kümmern und das Geld für die Miete würde auch langsam knapp.
Ein älteres Ehepaar kam ihm händchenhaltend, aber mit mürrischem Gesichtsausdruck entgegen. Wahrscheinlich hatten sie sich ihr Zusammenleben anders vorgestellt. Im Laufe ihrer Jahre war eine Routine eingekehrt, mit der sie sich nicht konfrontieren wollten.
Auf der anderen Straßenseite ging ein Mann mittleren Alters in einem teuren Anzug. Vielleicht beeilte er sich um zur Börse zu gelangen und seine gestiegenen Aktienanteile zu verkaufen.
Woher Will diese Dinge wusste, war ihm unbegreiflich. Er wusste sie einfach. Er konnte in den Menschen lesen, wie in einem aufgeschlagenen Buch.
Ohne sich weiter Gedanken über diese Tatsache zu machen, ging er in die nächstgelegene Bar, um sich einen Whiskey zu bestellen. Er setzte sich an den Tresen, aber niemand hörte ihn. Die Kellnerin lief beschäftigt an ihm vorbei und auch der Barkeeper blickte nicht in seine Richtung. Will wiederholte seine Bestellung, konnte aber nicht mit einer Antwort rechnen. Hier würde er keinen Whiskey bekommen.
Er blickte sich um und begann erneut unbewusst in den Gedanken der Menschen um ihn herum zu lesen. Er bekam Kopfschmerzen, alles fing sich an zu drehen. Er brauchte frische Luft.
Draußen angekommen spürte er die wärmende Sonne in seinem Gesicht. Sie beflügelte ihn. Er fühlte sich erheitert, trotz den düsteren Gesichtern und den trüben glasigen Augen auf dem Bürgersteig.
Spazierend folgte er seinem Gefühl und ging die Straße entlang. Er kam an eine abgeriegelte Unfallstelle. Ein Auto war frontal in ein anderes gerast. Der Fahrer des gerammten Autos saß noch in seinem Wagen. Vornübergebeugt rührte er sich nicht.
Unscheinbar konnte Will durch die Absperrung hindurch gleiten. Er wollte näher an das Geschehen. Er trat neben das zerquetschte Auto und was er sah, ließ ihn erstarren.
Was er sah, war er selbst. Er konnte sich sehen, wie er tot über das Lenkrad gebeugt auf dem Fahrersitz lag.
 
D

damaskus

Gast
Hmmmm ... auf das habe ich gewartet, ein Jenny-Text. Ohne Spaß, ich habe eine Menge gelesen, eine Menge Bewertungen von deinen Texten abgegeben. Aber das ist einfach großartig, kein Rütteln, kein Zanken. Was soll ich sagen? Wo kann ich meckern, es ist flüssig geschrieben, ein paar Allgemeinsätze, die weggelassen werden könnten (am Anfang z.B.: "...war ein Morgenmuffel...") Aber sonst. Mann, ich bin verliebt, ich liege deinen Texten zu Füßen *g*
Auf zum nächsten Text ... und so was in der Leselupe. Respekt

Damaskus

P.S. Hattest du schon Erfolg bei Verlagen?
 

Rainer

Mitglied
hallo jennyp,

dein text strotzt vor klischees, alltagssprachlichen wendungen und kommafehlern - also überarbeite ihn ruhig noch einmal.

@damaskus

???? (nicht die nette art)

gruß

rainer
 
A

Arno1808

Gast
Hallo JennyP

Überarbeitungsbedürftig ist die Geschichte auf jeden Fall.
Vielleicht kann ich Dir ein paar Tips geben, wo Du ansetzen kannst. Die Rechtschreibfehler lasse ich dabei außen vor, dafür gibt es Programme:

Kraftlos setzte er sich auf, lies seine Beine auf den Boden schwanken und legte sein Gesicht in die Hände.
Versuche Dir doch bitte selbst vorzustellen, wie die Beine aus dem Bett auf den Boden schwanken. Ich schaffe es nicht.

Ohne den vorigen Tag etwas gegessen zu haben, wurde ihm wieder schwarz vor Augen.
Das hört sich an, als würde ihm schwarz vor Augen werden, [blue]obwohl[/blue] er nichts gegessen hat. Die Tatsache, dass er am Vortag nichts gegessen hat, ist aber doch der Grund dazu.

Das Erste was er jeden Morgen tat, war mit einem Ruck die Gardine zuzuziehen und das Fenster zu schließen, wie auch an diesem Morgen.
zu kompliziert!
Vorschlag: Wie jeden Morgen schloss er das Fenster (das macht man normalerweise, bevor man die Gardinen zuzieht) und zog mit einem Ruck die Gardinen zu.


Mit einem Taxi würde er es nicht mehr schaffen.
So musste also sein Volkswagen herhalten, den er nur selten benutzte.
Auch wenn es Dir offensichtlich erscheint, kannst Du dem Leser ruhig erklären, dass die Anfahrt des Taxis zu lange dauert. Hier entsteht der Eindruck, er könne sich mit seinem VW schneller durch den Verkehr schlängeln als ein Taxifahrer. Das glaube ich allerdings nicht.

Alles was ihn interessierte war pünktlich im Büro zu sein.
Sein Chef hatte ihm schließlich schon länger Probleme gemacht und wartete nur auf eine Gelegenheit, ihn rauszuschmeißen. Auch sonst kam er nicht viel unter Leute.
Was hat die Tatsache seines befürchteten Rausschmisses mit der Tatsache zu tun, dass er nicht viel unter Leute kam?.

Er war ein Einzelgänger und nie unzufrieden damit.
Auf dem Beifahrersitz lag sein Aktenkoffer. Er musste ihn wohl abends zuvor dort liegengelassen haben.
Grund genug, noch einmal die neuesten Artikel durchzugehen und sich auf die nächste Konferenz vorzubereiten.
Wäre ihm das mit dem Aktenkoffer nicht schon beim Verlassen der Wohnung aufgefallen, wo er doch eine Konferenz hatte?

Es war bereits zu spät als er aufsah. Im selben Augenblick raste ihm ein gleicher Workaholic frontal in die Seite und schleuderte Will in seinem Volkswagen quer über die Kreuzung.

Überlege Dir Deine Erzählperspektive. Du scheinst mir nicht der 'Allwissende Erzähler' zu sein, sondern ausschließlich aus Will´s Sicht zu schildern. Woher aber weiß Will, dass der andere ein gleicher Workaholic ist? Und - an dieser Stelle die Frage: Wieso hat Will Probleme mit seinem Chef? Als Workaholic?


Keiner dieser Beamten schien sich für Will zu interessieren. Er lag mit dem Kopf über dem Lenkrad und richtete sich nun entkräftet auf.
Man läßt einen Toten einfach hinter dem Lenkrad hängen?

Verstört verließ er den Schauplatz. Es war ihm egal, welche Konsequenzen das für ihn haben würde und auch über seine Arbeit verschwendete er keinen Gedanken mehr. Es spielte einfach keine Rolle mehr für ihn.
... über seine Arbeit verschwendete er ... ??

Seine Umgebung schien ihm völlig verändert. Die Menschen gingen wie in Zeitlupe an ihm vorbei und scheinbar hindurch, als würden sie ihn überhaupt nicht wahrnehmen.
Sie gingen scheinbar durch ihn hindurch?

Zum ersten Mal sah er die stress- und frustverzerrten Gesichter in seiner Umgebung. Will konnte fast erahnen, welche Probleme jeder Einzelne gerade mit sich trug. Es war, als könnte er in sie hineinblicken.
Er kann 'fast erahnen ...'
etwas weiter unten kann er explizit die Gedanken lesen!


Auf der anderen Straßenseite ging ein Mann mittleren Alters in einem teuren Anzug. Vielleicht beeilte er sich um zur Börse zu gelangen und seine gestiegenen Aktienanteile zu verkaufen. Woher Will diese Dinge wusste, war ihm unbegreiflich. Er wusste sie einfach.
Gleiches Thema. Erst schreibst Du von 'vielleicht', dann 'wusste' er die Dinge einfach.

Will wiederholte seine Bestellung, konnte aber nicht mit einer Antwort rechnen. Hier würde er keinen Whiskey bekommen.
Das ist mir zu emotionslos. Wo bleibt die Verwunderung, die Entrüstung darüber, einfach ignoriert zu werden?

Spazierend folgte er seinem Gefühl und ging die Straße entlang. Er kam an eine abgeriegelte Unfallstelle. Ein Auto war frontal in ein anderes gerast. Der Fahrer des gerammten Autos saß noch in seinem Wagen. Vornübergebeugt rührte er sich nicht.
Unscheinbar konnte Will durch die Absperrung hindurch gleiten. Er wollte näher an das Geschehen. Er trat neben das zerquetschte Auto und was er sah, ließ ihn erstarren.
Was er sah, war er selbst. Er konnte sich sehen, wie er tot über das Lenkrad gebeugt auf dem Fahrersitz lag.
Auch hier einige Ungereimtheiten: Der Andere war ihm weiter oben seitlich in den Wagen gerauscht. Jetzt frontal?
Er glitt 'unscheinbar' durch die Absperrung?
Er kann in den Gedanken fremder Menschen lesen und hat seinen Unfall vergessen?


Gruß

Arno
 
D

damaskus

Gast
Hmmm ... hey, Arno, einige deiner Vorschläge finde ich gut, die meisten davon. Sprechen mich wirklich an, aber ich finde du hast zu viele eigene Impulse reingebracht, hast das ganze nicht lektoriert. Wenn ich den Text strenger betrachten würde, hätte ich auch den ein oder anderen Makel entdeckt, aber ich habe mich einfach auf die Geschichte eingelassen, deshalb hat er mir insgesamt gut gefallen. Ist ja alles Geschmacksache.
Du hast dir viel Mühe gemacht, gute Ansätze vermittelt, aber du hast zu wenig Vorschläge gemacht, hast anstatt DEINE Lösungen vermittelt. Ich glaube, das hilft ihr nicht weiter. Ist aber trotzdem ´ne fleißige, nett gemeinte Arbeit ... meine ich wirklich so.

Damaskus
 
A

Arno1808

Gast
@damaskus

Hallo damaskus,

deshalb schrieb auch ich von Tips.
Und: Eine absolut subjektives Lektorieren kann es nicht geben, denn dann müsste es von einer Maschine gemacht werden.

Trotzdem - merci für Dein Feedback!

Gruß

Arno
 
D

damaskus

Gast
hmmmm ... wer redet von einem absolut perfekten Lektorieren? So habe ich das nicht gemeint. Natürlich sind es Tips, aber wie gesagt: So hilft es ihr nicht weiter. Na ja ... belassen wir es dabei

Veil Erfolg noch
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

derartiges ist von anderen auch schon be- und geschrieben worden. mir gefallen an der story die duzenden sanitäter am besten. 1. duzen sich arbeitskollegen fast immer und 2.: wenn es etwa "dutzende" heißen soll, kann ich sie mir nicht vorstellen. lg
 

JennyP.

Mitglied
Es freut mich, dass ihr euch so viele Gedanken über meine Gesichten macht, auch einige der Verbesserungsvorschläge werde ich in Angriff nehmen.
Ich habe mir allerdings das Ziel gesetzt, nicht eine offene und klare Story zu formulieren. So würde sie zu einfach und vielleicht auch zu langweilig wirken. Ich möchte, dass sich der Leser darüber gedanken macht und versucht, eigene Schulssfolgerungen zu ziehnen und bestimmte Dinge auch nicht immer all zu logisch zu betrachten.

Danke, Gruß an euch
 



 
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