Eine Fabel

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MacKeith

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Isegrim und Reineke

Isegrim, der Wolf und Reineke Fuchs wohnten in dem selben Wald. Nur wohnten beide jeweils an einem anderen Ende des Waldes, weit entfernt voneinander, so dass sich ihre Wege selten kreuzten. Man wusste voneinander, das genügte beiden.

Früher sei das anders gewesen, erzählte Meister Lampe seinen Enkeln. Früher hätte man Isegrim und Reineke desöfteren gemeinsam auf die Jagd gehen sehen. Die Tiere des Waldes hätten sich darüber gewundert, waren die beiden doch zu sehr verschieden voneinander, um auf Dauer ein Paar zu sein, und sei es nur zum Zwecke der Jagd. Doch niemand unter den Tieren getraute sich, auch nur einen der beiden danach zu befragen, wie es sich zwischen ihnen verhielte, zu gross war ihre Angst vor der Kraft Isegrims und der Heimtücke Reinekes.

Hätte man die beiden befragt, so hätte man beider Abscheu voreinander hören können. Isegrim hasste Reinekes List und das rote, eitel glänzende Fell. Und Reineke seinerseits hasste den Wolf ob dessen Kraft und ehrfurchtgebietenden Gestalt, vor der alle Tiere im Wald erschraken, sobald sie nur Isegrims Schatten gewahr wurden.

Nun geschah es eines Tages, dass der Teil des Waldes, der dem Fuchs als sein eigen galt, diesem zu eng wurde. Mit Neid erfüllt streifte er bei seinen nächtlichen Beutezügen immer näher an die Grenze zu Isegrims Revier. Und in manchen Neumondnächten, wenn tiefe Dunkelheit den Wald verschlang, drang Reineke in das fremde Gebiet vor und versuchte dort sein Jagdglück. Jedesmal, wenn sein Jagen von Erfolg gekrönt war, war ihm, als schmecke die Beute ein wenig anders, besser als die, die es bei ihm zu erlegen gab. Und wie gross war sein klammheimlicher Jubel, dem übermächtigen Rivalen eines ausgewischt zu haben.

Aber auch Isegrim tat desgleichen. Seiner Stärke bewusst, den Fuchs nicht fürchtend, trieb es ihn Nacht für Nacht tiefer in Reinekes Revier. So stahl auch er leckere Stücke gleichsam von fremder Tafel. Und allein das Gefühl, sich auf Terrain zu bewegen, das ihm nicht gebührt, ohne, dass ihm Anklage widerfuhr, bestärkte ihn in seinem eitlen Stolz, das gefüchteste Tier im Wald zu sein.

Natürlich blieb weder Isegrim noch Reineke des anderen Tun verborgen. Witterten doch beide des anderen Spuren und manch Überreste erjagter Beute liessen sie in fremdem Revier zurück, doch waren beide schlau genug, um einander aus dem Weg zu gehen. Auf einen offenen Kampf wollten es beide nicht ankommen lassen.

Bis eines Nachts Reineke mit gemeiner List an der Grenze zu Isegrims Revier und noch auf dessem Grund eine Falle grub. “Was soll ich,” dachte er bei sich, “lange nach einzelnen Tieren jagen, wenn ich doch ein ganzes Rudel, wenn nicht alle Tiere des Waldes haben kann? Ich werde sie hetzen bis sie erschöpft in meine Falle gehen. Und ich werde mir daraus Tag auf Tag ein neues Opfer holen können, ohne mich weiters anstrengen zu müssen.”

Im Morgengrauen als der Fuchs sein Werk vollbracht, die Falle bereits alles jammernde Getier gefangen hielt, kam Isegrim, von der Jagd in Reinekes Wald, genau des Wegs zurück, wo der Hinterhalt errichtet war. Erzürnt ob der gemeinen Tat des Fuchses rief er aus: “Heda! Reineke! Ihr jagt? In meinem Revier?” Der Fuchs sprang schlau auf seine Seite der Grenze und erwiderte: “Isegrim, was erregt ihr euch? Ist der tiefe Graben nicht in eurem Boden gegraben? Und kommt nicht vielmehr ihr aus meinem Teil des Waldes? Das gleiche könnte ich euch fragen!” Isegrim bebte vor Zorn, als er vernahm, was ihm, dem Mächtigsten des ganzen Waldes, dieser Frevler frech ins Gesicht lachte. Sofort rief er ihn an: “Reineke! Auf der Stelle befreit ihr meinen Teil der Tiere! Tut ihr es nicht, ihr werdet es bitter bereuen!” Da höhnte der Fuchs: “Nichts dergleichen werde ich tun! Keinen Fuss setze ich auf Boden, der euch gehört! Hinterher bezichtigt ihr mich dessen, was doch ihr getan habt! Ihr habt die Grenzen verletzt! Ihr befindet euch auf Boden, der mir zugesprochen ist! Wollt Ihr eure Tiere befreien, so tut es nur selbst. Geht hinüber zu euch und steigt hinab in den Graben!”

Doch der Wolf durchschaute den Plan, der in Reinekes listigen Augen aufblitzte und er erboste sich erneut: “Reineke, ich hatte euch gewarnt! Dafür werdet ihr mir büssen!” Und mit all seiner Stärke rannte er gegen den Fuchs los. Dieser wich aus und flüchtete mit flinken Schritten auf den hohen Erdhügel, der neben der Falle aufgehäuft lag. Der Wolf jagte hinter ihm her. Auf der Höhe des Hügels kriegte er den Fuchs am Hinterlauf zu fassen. Ein schrecklicher Kampf auf Leben und Tod entbrannte. Beide verbissen sich ineinander und bald war offensichtlich, dass aus diesem Kampf kein Sieger hervorgehen würde. In dem Moment als Isegrim und Reineke jeder an des anderen Kehle zum entscheidenden Biss ansetzte, geriet der Erdhügel ins Rutschen und begrub alle Tiere des Waldes in der Falle und gemeinsam mit ihnen Reineke Fuchs und Isegrim, den Wolf, die ebenso jämmerlich erstickten wie alle anderen. Mit einem Mal war der Wald von allem Leben entleert.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
nö.

du hast es dir zu einfach gemacht. praktisch das kind mit dem bade ausgeschüttet. der schluss will mir nicht gefallen. es sei denn, du spielst als nachsatz noch tüchtig den moralapostel von wegen "Wer das Schwert ergreift, wird durch das Schwert umkommen!"
lg
 

MacKeith

Mitglied
zu einfach?

ich wollte eine fabel in klassisch AESOPsem sinne schreiben. die muss moralisieren.

du meinst, da fehlt ein schluss?

da kannst du recht haben. ich denk drüber nach.
 



 
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