Einmal wie John Wayne...

3,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Herzog

Mitglied
Einmal wie John Wayne
oder
Der Besuch beim Schneider



Wenn sonst schon nichts, so erinnert doch immerhin deine Art dich fortzubewegen an John Wayne, den Supermacho des amerikanischen Edelwesterns: Leicht in den Knien wippend, die Füße mehr zur Seite als nach vorn setzend, ein Mann geht seinen Weg. Irgendwelche Zweifel? Wann ist ein Mann ein Mann? Der Dottore weiß von zwei Fällen zu berichten, wo "es" hinterher nicht mehr klappte. Absolut blockiert, sagt er, alles psychisch bedingt, spielen total verrückt, die Männer. - Und du? Na, man wird ja sehen.

Deine dir Angetraute, einfühlsam wie immer, bringt es auf den Punkt: Es ist dir etwas genommen worden, deshalb dieses Moll-Gefühl, diese Weltverlorenheit, diese tragische Spur von Trauer in Stimme und Blick. Es war ein Opfer. Du fragst dich natürlich, für wen. Und du möchtest sagen: Ein Opfer für die Frauen. Das hebt deine Stimmung, du klopfst dir wohlwollend, geradezu ergriffen auf die schmalen Schultern, du bist ein Held. Und du freust dich auch auf die dummen Gesichter deiner ach so linken Freunde. Wieder einmal von ihnen in die Chauviecke hineindiskutiert, wirst du ganz beiläufig sagen: Ach übrigens, ich habe da anno 85... wie ist das eigentlich bei euch...

Nun gut. Über die Motive mag man streiten. Ob aus Egoismus oder im Kampf gegen die Gewinnmaximierung bei Bayer, Schering und den Rimbacher Gummiwerken - irgendwie empfindest du schon die Größe deiner Entscheidung. Die Heißgeliebte, die Gattin, allerdings meint, dich warnen zu müssen: Du willst mich doch nicht unter Druck setzen, oder? Und denke bloß nicht, dass wir nun öfter...

Der Dottore übrigens hat Motivforschung nicht betrieben. Auch die Kinderzahl (immerhin fünf!) wischt er bei dem üblichen Vorgespräch mit einer Handbewegung vom Tisch. Er plaudert lieber über "Fälle" (zwei von zehntausend, siehe oben), liest vor aus dieser "Einwilligungs- und Verzichterklärung", die ohnehin mit nach Hause genommen und unterschrieben werden muss. Da ist dann noch die Rede von anderen Nettigkeiten, Entzündungen, Abzessen und Wundinfektionen, von Blutergüssen und Granulombildungen, daneben dann immer - Segen der Statistik! - beruhigend niedrige Prozentangaben. Und auch über Geld wird gesprochen: dreihundert Mark, die keine Kasse übernimmt. Ob die Mehrwertsteuer da schon drin ist, wagst du nicht zu fragen. Ein Blick auf diesen Prachtsaal mit alten Möbeln, echten Teppichen und dem zierlichen Schild "Besprechungszimmer" lässt aber vermuten, dass eher nicht...

Ein paar Wochen später geht es dann wie versprochen schnell. - Da eine Krankschreibung anscheinend nicht drinliegt, hast du dir vorsichtshalber den Freitagnachmittag vor einem langen Wochenende ausgesucht. Und natürlich ist die Gattin mit dem jüngsten und nunmehr endgültig letzten Spross dabei, will die Zeit für einen schnellen Wochenendeinkauf nutzen, während du... Aber warum schließlich nicht, und ob das Mädchen am Empfang deshalb so irritiert lächelt - wer will es wissen.

Auf der schmalen Liege, oben mit Pulli und unten mit Tennissocken bekleidet (Was trägt der elegante Herr zu seiner Vasektomie?), bleibt dir zum Nachdenken dann nicht viel Zeit. Dass die beiden Helferinnen, während du so daliegst, unentwegt nur "dahin" gucken, bildest du dir wohl nur ein, genau so wie das Glitzern im Auge des Maestro, als er sich dir schließlich huldvoll zuwendet. -

Eine Lampe wird angeschaltet, und schon beginnt die Suche. Dottore, Kopf in den Nacken gelegt, versonnener Blick nach oben, tastet blind (wozu dann die Lampe?) an den entscheidenden Stellen herum. Er kneift auch mal kräftig zu, wenn er meint, "den Bengel" gefasst zu haben, und zitiert aus der Fachliteratur: Die längste Suchzeit habe zweieinhalb Stunden betragen. - Da fühlst du dich dann doch erleichtert, als er triumphierend "Jetzt!" ruft, irgend jemand eine Art Wäscheklammer anlegt und dir eine Betäubungsspritze hineinjagt. Das alles wiederholt sich noch einmal auf der anderen Seite, bis du, schweißgebadet wie nach einer halben Stunde Squash, vernimmst, dass jetzt das Schlimmste eigentlich vorbei sei... Und den Kopf solltest du schön liegenlassen, dich "entspannen", es dauere jetzt nur noch ein paar Minuten, bis die Spritzen richtig wirkten.

Prompt lässt der Schmerz auch nach, und von der eigentlichen Schnippelei bekommst du so gut wie gar nichts mit. Du hörst, dass es falsch war, dich vorher so gründlich zu rasieren, denn dein sensibles Dingsbums habe sich in einer Schockreaktion daraufhin unvernünftigerweise verdickt. Dies führe zu einer vermeidbaren Erschwernis für den Herrn Operateur. (Aha! Du versprichst, es dir fürs nächstemal zu merken!) Schließlich werden dann die beiden Schnitte mit flüssigem Pflaster übersprayt, Dottore streift dir mit launigen Anmerkungen den Slip über, man hilft dir beim Aufstehen und erkundigt sich nach der Funktionstüchtigkeit deines Kreislaufs (besser spät als gar nicht!). Du hast es hinter dir, es hat tatsächlich nur fünfzehn Minuten gedauert, und natürlich ist Madame noch nicht vom Einkaufen zurück...

Als sich das liebende Paar in dem ebenfalls üppig ausgestalteten Wartezimmer dann wieder gegenübertritt, breitet sich doch eine leichte Verlegenheit aus. - Schweigend strebt man dem heimischen Herde zu. Für einen Augenblick wundert sich Junior, dass die Mama chauffiert. Der Ehemann auf dem Beifahrersitz bittet darum, ausnahmsweise sanft zu schalten, ruckartiges Bremsen möglichst zu vermeiden, die Kurven mit Gefühl zu nehmen. Ein halber Tag im Bett, dann die Überraschung, wie schnell die Heilung einsetzt: Am nächsten Morgen schon kann geduscht werden, und was zu sehen ist - nicht von oben, sondern im daruntergehaltenen Kosmetikspiegel - sind zwei anderthalb Zentimeter kurze Falten, schon jetzt kaum noch als Narben zu erkennen. Keins von den schrecklichen Dingen, die das Merkblatt so genüsslich angedroht hatte, ist eingetreten. Nach und nach stellst du fest: All systems go. - Und was den albernen Watschelgang im Stile John Waynes angeht: Der wird sich sicherlich auch noch verlieren...
 

gareth

Mitglied
Vielleicht werde ich alt, lieber Herzog,

aber ich könnte schwören, dir auf diesen Text schon einmal geantwortet zu haben. Ich hatte da sinngemäß gesagt, dass der Name des Mannes, dessen Gang du am Ende beschreibst, nicht John Wayne ist, sondern Charlie Chaplin. Das möchte ich gerne nun noch einmal sagen. Ich bin, bin einigen Ausnahmen was seine Filme betrifft, kein John Wayne Verehrer (eher ein Charly Chaplin Fan), es macht aber in meinen Augen wenig Sinn, nur um des Witzes willen, die Wirklichkeit zu ignorieren.

In diesem Sinn
grüßt freundlich
gareth
 

Herzog

Mitglied
Lieber gareth...

... ich wünsche dir sehr, dass du alt wirst, denn überleg mal, was ist die Alternative?

Aber Spaß beiseite. Der o-beinige J. W. geht watschelig, darauf muss ich bestehen. - Im Übrigen hast du natürlich Recht: Ich habe den Text aus "Erzählungen" zu "Humor und Satire" hinübergezogen. Hier scheint er mir besser hinzupassen.

Schönes Wochenende, Herzog
 



 
Oben Unten