Eivelan

3,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Joerg O

Mitglied
Eivelan

„Ich sitze eindeutig im falschen Bus“, schimpfte Eva vor sich hin und sah mürrisch aus dem Fenster.
„Was haben Sie gesagt, junge Frau?“, fragte die ältere Dame neben ihr, die mindestens dreimal so alt war, wie sie selbst. Überhaupt durfte das Durchschnittsalter der Reisegesellschaft, mit der sie unterwegs war, deutlich über sechzig liegen. Lediglich der Reiseleiter – ein etwa vierzigjähriger, schmieriger Typ mit reichlich Gel in den Haaren – hob sich von dieser Gruppe ab.
„Ach nichts“, antwortete Eva und hing weiter ihren Gedanken nach. Eigentlich hätte sie jetzt mit zwei ihrer besten Freundinnen auf dem Weg nach Paris sein sollen, wo sie gemeinsam das Wochenende verbringen wollten. Es waren schon alle Vorbereitungen für die Fahrt abgeschlossen, als ihre Großmutter sie zu sich gerufen hatte.
„Du musst mir diesen Gefallen tun mein Kind“, waren die Worte von Sheila Weil gewesen, als sie ihre Enkelin bat, den Ausflug nach Trier für sie mitzumachen. Sie war gesundheitlich nicht dazu in der Lage. Das sie die Tagesreise überhaupt gebucht hatte, war schon schwer zu verstehen, da es Sheila seit Wochen kontinuierlich schlechter ging. Vergeblich hatte Eva versucht sich herauszureden, aber Sheila hatte sich nicht von ihrer Idee abbringen lassen. Sie hatte regelrecht so getan, als hinge ihr Leben davon ab, dass Eva an ihrer Stelle die Fahrt mitmachte. Da Eva ihre Großmutter über alles liebte, hatte sie es nicht übers Herz gebracht ihr diesen Wunsch abzuschlagen. Nachdem sie schließlich einverstanden gewesen war, hatte Eva von ihrer Großmutter noch eine Kette mit einem seltsamen Anhänger bekommen, den sie unbedingt mit nach Trier nehmen sollte. Auch wenn Eva nicht verstehen konnte, warum, hatte sie auf eine weitere Diskussion verzichtet und das Stück an sich genommen.
Nun saß sie hier im Bus, war umringt von Rentnern und wartete darauf endlich in uralten Gemäuern herumrennen zu können. Schlechter konnte ein Wochenende nicht laufen.

„Wenn sie sich so wenig für die alte römische Geschichte interessieren Frau Weil, warum haben sie diese Reise dann überhaupt mitgemacht." Der Reiseleiter schaute die junge Studentin aus Frankfurt böse an, die sichtlich gelangweilt an der Öffnung des Mausoleums lehnte.
"Weil ich es meiner Oma versprochen habe", antwortete Eva schnippisch.
"Wollen Sie jetzt etwa auch noch frech werden?"
"Nein warum. Meine Oma hat die Reise gebucht, wurde krank und konnte leider nicht teilnehmen. Sie hat mich gebeten an ihrer Stelle die Tour mitzumachen."
"Sonderlich begeistert scheinen sie darüber ja nicht zu sein."
"Geschichte hat mich noch nie interessiert", sagte Eva. "Lassen sie mich einfach in Ruhe und machen sie ihre Führung weiter. Ich verspreche auch ganz brav zu sein und ihre Vorträge nicht zu stören."
"So ein freches Ding", sagte eine ältere Dame zu ihrem Mann. "Früher hätten wir uns so etwas nicht getraut."
Eva hatte nun endgültig die Nase von dem kalten Gewölbe voll und beschloss im Freien auf die Gruppe zu warten. Eine Diskussion über die guten alten Zeiten war das letzte wonach ihr jetzt der Sinn stand.
Auf dem Weg nach draußen verspürte Eva plötzlich einen Stich in der Brust. Schwindel packte sie. Sie schaffte es nicht mehr einen Fuß vor den anderen zu setzen. Vergeblich versuchte sie einen Halt an den glatten Wänden zu finden und sank bewusstlos zu Boden.

Eva zitterte am ganzen Körper, als sie aus der Bewusstlosigkeit erwachte. Sie konnte sich nicht erinnern jemals in ihrem Leben derartig gefroren zu haben. Langsam öffnete sie die Augen. In der fast völligen Dunkelheit konnte sie kaum etwas erkennen. Sie versuchte sich an die zurückliegenden Ereignisse zu erinnern. Eigentlich müsste ich doch jetzt lauter besorgte Reisende um mich herumstehen haben, dachte sie verwundert. Die Umgebung hatte sich völlig verändert. Außer ihrem eigenen Atem war nicht das leiseste Geräusch zu hören.
Was ist nur passiert?, dachte die junge Studentin. Wo bin ich hier? Verwundert fühlte Eva den kalten feuchten Untergrund auf dem sie lag. Die glatte Oberfläche verriet ihr, dass es sich hier nur um eine Eisfläche handeln konnte. Lag sie etwa auf einem zugefrorenen See? Eva war klar, dass sie nicht einfach auf dem Eis liegen bleiben durfte, wenn sie sich in T-Shirt und kurzen Hosen nicht den Tod holen wollte.
Nachdem sie einige Schritte gegangen war, stieß sie mit ihren Füßen gegen etwas Weiches. Ihr spitzer Schrei klang überlaut in der völligen Stille, die sie umgab. Erschreckt wich Eva ein paar Schritte zurück Sie befürchtete auf ein wildes totes Tier gestoßen zu sein und schaute einen Moment lang ängstlich auf den vor ihr liegenden Fellberg.
Nachdem auch nach fast einer Minute keine Bewegung zu erkennen war, wurde Eva etwas mutiger. Sie ging auf das Bündel zu und stellte erleichtert fest, dass es sich dabei um Kleidungsstücke aus dickem Fell handelte. Eva zögerte keine Sekunde und zog die fremden Sachen rasch an. Sie machte sich keine Gedanken darüber wem die Sachen gehörten und wunderte sich nur, dass sie ihr passten, als wären sie für sie gemacht. Schon nach kurzer Zeit spürte sie, wie sich ihr Körper langsam aufwärmte. Eva hatte noch immer nicht die leiseste Ahnung wo sie war und beschloss die Umgebung weiter zu erkunden. Da sie sich nicht auskannte, war eine Richtung so gut wie dei andere und sie beschloss geradeaus zu gehen. Sie war sich jetzt sicher, dass sie über einen zugefrorenen See lief. Da sie sich offensichtlich auf einem zugefrorenen See befand, ging sie einfach immer geradeaus. Irgendwann würde sie das Ufer schon erreichen. Die neue Kleidung war ein wahrer Segen. Lediglich im Gesicht spürte Eva den eisigen Wind, der immer stärker zu werden schien.

Eva wusste nicht genau, wie lange sie jetzt schon stur in eine Richtung gelaufen war. Während ihres Marsches dachte sie darüber nach, wo sie sich befand und wie sie in diese eisige Welt gekommen war. Ein Traum konnte es nicht sein, dafür spürte sie die Kälte im Gesicht zu deutlich. Schon immer war sie ein sehr realistischer Mensch gewesen und hatte nie an andere Welten oder Dimensionen geglaubt. Je länger sie jedoch in der beängstigenden Dunkelheit über das dicke Eis rutschte, desto intensiver wurde das Gefühl, dass sie sich nicht mehr in der Welt befand, die sie kannte.
Plötzlich sah Eva weit vor sich einen schwachen Lichtschein. Sofort wuchs ein kleiner Hoffnungsschimmer in ihr heran.
Wo Licht ist, da sind auch Menschen, dachte sie und beschleunigte ihre Schritte, glücklich darüber, endlich ein Ziel vor Augen zu haben. Das Ufer – wo sonst sollte der Ursprung des hellen Scheins sein - war jedoch weiter entfernt, als Eva zunächst angenommen hatte. Es mussten Stunden vergangen sein, seit sie frierend auf der großen Eisfläche erwacht war. Eva spürte langsam, wie die Kraft ihren Körper verließ. Zu der Kälte, die sich längst ihren Weg durch die dicke Kleidung gebahnt hatte, waren Hunger und Durst gekommen, die Eva zusätzlich quälten. Lange stehe ich das nicht mehr durch, dachte sie sich und legte eine kurze Rast ein.

Sehnsüchtig schaute Eva zu dem flackernden Licht. Für einen kurzen Moment schien es, als würde es näher kommen. Leider war es aber nicht so. Außer der großen Eisfläche war noch immer nichts zu sehen. Das Seeufer musste also noch ein ganzes Stück entfernt liegen. Sie nahm noch einmal ihre ganze Willenskraft zusammen und zwang sich weiter zu gehen. Endlich sah sie vor sich eine schneebedeckte Erhöhung. Auch das Licht, das sie jetzt deutlich als Feuer erkennen konnte, war nicht mehr weit entfernt. Eva schaffte es mit letzter Kraft die Feuerstelle zu erreichen, um die sich einige dick vermummte Männer versammelt hatten. Dies nahm Eva jedoch gar nicht mehr richtig wahr und brach neben dem Feuer völlig erschöpft zusammen.

Als sie erwachte, schaute Eva direkt in das Gesicht eines jungen Mannes, der sie freundlich anlächelte. "Willkommen in der Welt des ewigen Eises", sagte er.
Eva schaute den Fremden verwundert an. "Wer sind Sie?"
Neben sich spürte sie die wärmenden Strahlen des Feuers, dass in der Mitte einer Holzhütte brannte, in der sie auf einer dicken Felldecke lag. Vor ihr stand ein Mann mit langen blonden Haaren. Eine Narbe unter dem linken Auge machte das Gesicht des Hünen eher interessant, als das es abschreckend wirkte. Zusammen mit seinen Männern musste er Eva an diesen Ort gebracht haben.
"Ich bin Hendrik, der Herr des Eisvolkes. Wir freuen uns dich endlich hier bei uns begrüßen zu können."
"Wieso endlich?", fragte Eva verwirrt.
"Die Prophezeiung sagt, dass am heutigen Tage eine Retterin aus der Welt der Menschen den Weg zu uns findet."
"Ich verstehe kein Wort von dem, was du da redest", sagte Eva. "Wo bin ich hier? Wie bin ich hierher gekommen? Und von welcher Prophezeiung sprichst du?"
"Du befindest dich hier in Eivelan, einer Parallelwelt zu der Welt in der du lebst", sagte Hendrik. "Eivelan war nicht immer so, wie du es jetzt siehst. Vor langer Zeit erstrahlte unser Land in einem immergrünen Glanz. Hier wuchsen die schönsten Blumen, die du dir vorstellen kannst. Wir hatten Wälder, Wiesen und Seen. Allen Menschen und Tieren ging es gut in Eivelan."
"Sag mal bist du dir sicher, dass du von dem Land sprichst, indem wir uns gerade befinden?", unterbrach Eva den Stammesführer. Schade, dass der Kerl nicht mehr ganz richtig tickt, dachte sie dabei. Eigentlich ist er ganz niedlich. Die anderen Menschen, die mittlerweile auch in die Hütte hereingekommen waren, verhielten sich ruhig und schienen Eva überhaupt nicht wahrzunehmen. Sie legten ihre dicken Fellmäntel ab und setzten sich um das Feuer herum, um sich zu wärmen.
"Zur damaligen Zeit kam die böse Hexe Xerra fast nie aus ihrem Palast heraus“, sprach Hendrik weiter. „Tat sie es doch, konnte sie immer von der guten Fee Shela in ihre Schranken gewiesen werden. Eines Tages verliebte sich Xerra in den damaligen Stammesführer Kai und begann den Menschen in Eivelan großzügige Geschenke zu machen. Kai, der nicht an das Gute in der Hexe glaubte, wies diese ab. Daraufhin schlug Xerras Liebe in grenzenlosen Hass um. Es kam zu einem furchtbaren Kampf zwischen den beiden, bei dem Kai tödlich verletzt wurde. Shela versuchte alles um Xerra zu besiegen, damit ihr Volk in Ruhe weiterleben konnte. In ihrem Zorn gelang es Xerra jedoch Shela zu verbannen. Nur ihr Amulett schützte die Fee vor dem sicheren Tod. Xerra gab sich aber immer noch nicht zufrieden. Sie schwor den Bewohnern von Eivelan endlose Rache und verdunkelte mit ihrem Zauber die Sonne. Dadurch wurde das fruchtbare Land in die Eiswelt verwandelt, in der wir jetzt leben. Dies ist jetzt fünfzig Jahre her. Wenn die Prophezeiung stimmt, findet am heutigen Tag unsere Retterin den Weg zu uns."
"Und genau da liegt das Problem", unterbrach Eva den Stammesführer. „Ich bin nicht eure Retterin und werde es auch niemals sein."
"Bist du dir da so sicher?"
"Ja das bin ich. Und jetzt schafft mich zurück in meine Welt."
"Das können wir leider nicht."
"Was soll das denn schon wieder heißen?" Eva sah Hendrik mit funkelnden Augen an. Der Punkt, an dem sie die ganze Sache noch interessant fand, war längst vorbei. Eva hatte immer noch das Gefühl einen schlechten Traum zu erleben. Sie wollte nur noch zurück nach Hause.
"Wir haben nicht die Macht dich zurück zu schicken", sagte Hendrik. "Auch wenn du es mir nicht glauben willst. Du bist unsere Retterin."
"Wenn du dir da so sicher bist, beweise es mir", forderte Eva.
"Du hast eine Kette mit einem Amulett um den Hals", sagte Hendrik. "Hole es bitte hervor."
"Woher weißt du das?"
"Tu es einfach."
Eva fuhr mit der rechten Hand unter ihre Jacke und zog langsam die Kette hervor. Hendriks Augen begannen zu leuchten, als er das kostbare Stück sah.
"Dieses Amulett beweist, dass du ausgesandt wurdest, um unser Volk zu retten."
"Aber das gehört mir nicht", sagte Eva. "Diese Kette trage ich nur, weil meine Großmutter es unbedingt wollte. Es gehört ihr.."
Eva wurde bleich und setzte sich auf den Boden. Langsam setzen sich die einzelnen Bruchstücke in ihrem Kopf zusammen und sie begann zu verstehen. Wenn alles stimmte, was dieser Hendrik ihr erzählt hatte, war ihre Großmutter die gute Fee von Eivelan. Sogar der Name passte. Sie hatte ihn nur von Shela in Sheila umgeändert. Wie konnte das alles sein? Sicher hatte ihre Oma Eva als sie noch ein Kind war viele phantastische Geschichten erzählt. Nie wäre sie aber auf die Idee gekommen, dass auch nur der kleinste Teil dieser Geschichten wahr sein könnte. Sie hatte in Sheila immer nur die Märchenerzählerin gesehen, die ihre Enkelin unterhalten wollte.

Wenn die Prophezeiung stimmte, hatte Eva durch das Amulett von ihrer Großmutter die Funktion der Beschützerin von Eivelan übernommen. Sie verstand zwar nicht, wie oder warum so etwas möglich war, sah aber, dass der Stammesführer fest an die Weissagung glaubte.
Hatte ihre Großmutter sie etwa deshalb auf diese langweilige Fahrt geschickt? Wusste sie, dass Eva durch das betreten des Mausoleums den Weg nach Eivelan finden würde? Eva konnte sich mittlerweile keinen anderen Grund mehr vorstellen, warum Sheila so vehement daran festgehalten hatte, dass sie die Reise mitmachte und dabei das Amulett trug.
"Glaubst du mir jetzt?", fragte Hendrik leise.
"Ja, ich fange an dir zu glauben. Aber verstehen kann ich das nicht. Nehmen wir einmal an, es stimmt alles, was du sagst, wie geht es dann jetzt weiter?"
"Deine Aufgabe ist es Xerra zu vernichten und den Eispalast zu zerstören. Erst wenn du das geschafft hast, wird die Sonne wieder über Eivelan aufgehen."
„Ach, das ist schon alles?“
„Ja.“
"Das ist unmöglich, was du von mir erwartest", sagte Eva.
"Ist es nicht", antwortete Hendrik stur.
"Ich gebe es auf. Anscheinend bist du nicht von der Idee abzubringen, dass ich eure Retterin bin. Wenn es also die einzige Möglichkeit ist, wieder nach Hause zu kommen, werde ich eure Hexe zum Teufel jagen. Du musst mir jetzt nur noch sagen, wie ich das tun soll."
"Gehe zum Eispalast. Du wirst wissen, was zu tun ist."
„Kannst Du dich nicht etwas genauer ausdrücken?“ Eva sah Hendrik zornig an. Es ging ihr langsam gegen den Strich, dass der Stammesführer immer nur die nötigsten Informationen.
„Xerra wird dich sicher erwarten. Vertraue auf deine Bestimmung und höre auf dein Herz. Du wirst einen Weg finden, wie du die Hexe besiegen kannst.“
„Und wenn nicht?“
„Wenn du versagst, wird das Land Eivelan für immer von Dunkelheit umgeben sein“, antwortete Hendrik flüsternd.
"Also gut Hendrik, bringen wir die Sache hinter uns. Gib mir meine Waffen." Eva sah den Stammesführer fordernd an.
Hendrik atmete sichtbar erleichtert auf und drückte Eva ein Schwert in die Hand.
"Was soll ich denn damit? Ich weiß gar nicht wie man mit einem Schwert umgeht."
„Du wirst es wissen, wenn es soweit ist.“
Jetzt wurde Eva wirklich zornig. Sie verstand Hendrik nicht. Auf der einen Seite sollte sie die große Retterin sein, auf der anderen Seite gab er ihr aber nur sehr vage Antworten. „Das Ding ist viel zu schwer. Damit werde ich nie im Leben einen Kampf überstehen.“
"Verlasse dich auf das Amulett. Es wird dir helfen." Hendrik ging nicht auf Evas Einwand ein, die aber seinen letzten Satz nicht mehr gehört hatte und bereits wütend aus der Hütte herausgestürmt war.

Nur langsam beruhigte sich Eva. Sie machte sich auf den langen Weg zum Eispalast und fluchte innerlich weiter über ihre Situation. "Die hätten mir wenigstens ein Pferd geben können", schimpfte sie vor sich hin. Eigentlich müsste ich Xerra sogar dankbar sein, dachte Eva und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wenn sie Shela nicht verjagt hätte, wäre sie nie in die normale Welt gekommen und mich gäbe es nicht.
Als Eva am Fuße des Berges angelangt war, auf dessen Gipfel der Eispalast stand verlor sie einen großen Teil ihrer Sicherheit. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so gigantisch groß war. Mit einem mulmigen Gefühl stieg sie langsam die Treppe zum Palast hinauf. Hendrik war sehr überzeugt davon gewesen, dass es ihr gelingen würde den Kampf siegreich zu überstehen. Je näher sie dem Tor kam desto weniger glaubte sie selber noch daran. Auch wunderte sich Eva darüber, dass sie bisher nicht das Geringste von dieser Hexe gehört hatte.
Zu ihrer großen Überraschung öffnete sich der Eingang des Palastes von allein, als sie am Ende der Treppe angekommen war. Eva zögerte noch einen Moment, fasste dann all ihren Mut zusammen und trat ein.
Sie gelangte in eine riesige Halle aus Eis und schaute sich unsicher um. Auf Einrichtung schien Xerra keinen großen Wert zu legen. Der Raum war völlig leer und hatte auch keine sichtbaren Türen. Das war es dann wohl, dachte Eva. Hier ist niemand.
Plötzlich wurde die Stille von einem donnernden Lachen zerrissen. "Du sollst also die große Retterin sein", hörte Eva eine spöttische Stimme, von der sie sicher war, dass sie nur von Xerra stammen konnte.
"Zeige dich, oder bist du zu feige und hast Angst vor mir?", rief Eva.
"Angst vor dir?. Das ich nicht lache." Wie aus dem Nichts erschien die Gestalt der Hexe am anderen Ende der Halle. "Mit dir werde ich mich gar nicht lange aufhalten", sagte sie. "Auch wenn ein bisschen Abwechslung ja nie schaden kann."
"Ich verlange, dass du dem Volk von Eivelan die Sonne zurückgibst", sagte Eva.
"Und wenn ich das nicht will?"
"Werde ich dich vernichten."
Xerra brach in ein schallendes Gelächter aus. "Ich bewundere deinen Mut", sagte sie. "Aus diesem Grund werde ich dich auch nicht sofort töten, sondern erst einmal eine Weile in meinem Kerker schmoren lassen. Wir werden schon sehen, ob du in ein paar Tagen immer noch so vorlaut bist."
"Wenn du mich in deinen Kerker sperren willst, musst du mich erst einmal kriegen", spottete Eva.
"Das las mal meine Sorge sein. Und jetzt ist genug geredet."
Mit Schrecken sah Eva, wie sich an den Händen der Hexe kleine, blaue Flammen bildeten. Xerra hob die Arme und schleuderte sie dann in ihre Richtung. Sie versuchte noch auszuweichen, aber es war zu spät. Beide Blitze trafen sie am linken Bein, das dann ihr Gewicht nicht mehr halten konnte. Eva krachte zu Boden. Sie spürte, wie langsam jegliches Gefühl aus ihrem Körper wich.
"Ist das alles?", höhnte die Hexe. "Hast du mir denn gar nichts entgegenzusetzen? Wie dumm musst du sein, dass du meine Festung völlig wehrlos betrittst. Hat dich Hendrik so schlecht auf deine Aufgabe vorbereitet?"
Xerra verspottete Eva noch weiter, aber die hörte gar nicht mehr zu. Verzweifelt versuchte sie sich gegen die Lähmung in ihrem Körper zu wehren. Doch ohne Erfolg. "Nimm das Amulett", hörte Eva die Stimme ihrer Großmutter in ihrem Kopf. Konnte es wirklich möglich sein, dass Sheila zu ihr sprach? Der Gedanke gab Eva neuen Mut. Sie fühlte sich jetzt nicht mehr so allein im Kampf gegen Xerra.
Eva griff mit der rechten Hand unter ihre Jacke. Schon bei der ersten Berührung mit dem Amulett spürte sie, wie die Lähmung langsam aus ihrem Körper wich. Sie zog die Kette ganz hervor und stellte staunend fest, dass der Anhänger viel wärmer war als vorher und silbern leuchtete. Langsam stand Eva auf und sah die Hexe fordernd an. "Ganz so leicht, wie du dir das vorstellst, bin ich nicht zu besiegen", sagte sie.
"Das werden wir ja sehen", schrie die Hexe. Wieder erhob sie ihre Hände. Die Flammen, die aus ihrem Körper zu kommen schienen, wurden nun stärker. Wütend schleuderte Xerra zwei weitere Blitze auf ihre Widersacherin.
Doch diesmal war Eva auf den Angriff gefasst. Schnell hielt sie das Amulett gegen die Strahlen. Die Wucht war so stark, dass sich Eva nicht auf den Beinen halten konnte, aber ihre Aktion hatte Erfolg. Das Amulett schlug die Blitze zurück und lenkte sie dicht über Xerras Kopf in die Eiswand. Die Hexe hatte dabei noch Glück, dass sie nicht von den herunter brechenden Brocken getroffen wurde.
Eva wurde durch diesen Teilerfolg mutiger. Fest umklammerte sie den Griff des Schwertes und wunderte sich darüber, wie leicht sie es auf einmal bewegen konnte. Entschlossen ging sie ein paar Schritte auf die Hexe zu.
In kurz aufeinanderfolgenden Salven schleuderte Xerra nun ihre Blitze auf die Angreiferin. Der gelang es aber immer schnell genug, das Amulett zur Abwehr einzusetzen. Dabei schaffte sie es, die Strahlen immer dichter an die Hexe heranzulenken, die nun selber aufpassen musste nicht getroffen zu werden. Meter für Meter arbeitete Eva sich näher an die Feindin heran und hatte sie fast erreicht. Xerra musste einsehen, dass es wenig Sinn machte Eva direkt zu attackieren. Zornig schleuderte sie ihre Blitze in die Decke der Halle. Ihr triumphales Gelächter, das den ganzen Raum ausfüllte, begleitete die Eisbrocken auf dem Weg zum Boden. Mit einem Hechtsprung gelang es Eva nur knapp den Geschossen zu entgehen.
Schnell kam sie wieder auf die Füße und stürmte auf die Hexe zu. Die hatte so schnell nicht mit einer Attacke der Gegnerin gerechnet und schaffte es nicht, dem Schwerthieb zu entgehen. Das Schwert traf sie knapp unterhalb der Schulter und trennte ihren linken Arm vom Rumpf ab.
Xerra geriet nun völlig außer sich und schrie vor Schmerzen auf.. Ohne zu zielen schoss sie mit der verbliebenen Hand ihre Blitze wild durch den Raum und flüchtete in den hinter ihr liegenden Gang. Wieder lösten sich Eisstücke aus der Decke und den Wänden. Unsicher sah sich Eva in der Halle um. Sie hatte nicht viel Vertrauen in die Konstruktion und fürchtete, dass der Raum jeden Moment einstürzen könnte.
Sie wollte sofort die Verfolgung aufnehmen, wurde aber von einem der kleineren Eisstücke mitten auf der Stirn getroffen. Wieder sank Eva zu Boden und blieb einen Moment lang benommen liegen. Als es ihr endlich wieder besser ging, war es still um sie herum geworden. Von Xerra war weder etwas zu sehen noch zu hören.
„Zeige dich, du feiges Biest“, schrie Eva zornig. Eine Antwort bekam sie nicht. Sie sah sich ratlos in der Eishalle um. Die junge Studentin wusste nicht so recht, was sie jetzt tun sollte. Sicher konnte sie Xerra nicht überall im Palast suchen. Sie würde sich eher verirren, als einen Hinweis zu finden, wo sich die Hexe versteckt hielt. Ewig warten konnte sie hier in der Halle aber auch nicht. Xerra schmiedete sicherlich gerade an einem Plan schmieden, um ihre Gegnerin zu besiegen. Gerade als sie aufgeben und nach draußen gehen wollte, entdeckte sie eine dünne Blutspur. Entschlossen folgte sie der roten Linie und gelangte in einen schmalen Gang.
Jetzt habe ich dich, dachte sie und ging vorsichtig weiter. Plötzlich hörte die Spur auf. In Eva schrillten die Alarmsirenen, aber es war bereits zu spät. Xerra stürzte sich fauchend aus einer Nische, die Eva trotz aller Vorsicht übersehen hatte. Gerade noch rechtzeitig schaffte sie es, sich umzudrehen und den Hieb ihrer Gegnerin abzuwehren. Xerra hatte sich jetzt ebenfalls mit einem Schwert bewaffnet, konnte aber die Klinge im Gegensatz zu Eva nicht mehr beidhändig führen.
Zornig schlug Xerra immer wieder mit ihrem Schwert auf Eva ein, der es nur mit Mühe gelang die Angriffe zu parieren. Schnell spürte Eva, wie sie müder wurde. Sie hatte kaum noch die Kraft, sich gegen die Schläge der Hexe zu wehren. Aber auch Xerra wurde langsam schwächer. Die Anstrengungen und der hohe Blutverlust hatten auch an ihr deutliche Spuren hinterlassen. Wieder stürzte sie sich auf ihre Widersacherin und holte zu einem gewaltigen Schlag aus. Dabei wurde ihr einer der Eisbrocken zum Verhängnis. Xerra kam ins Rutschen und hatte Mühe das Gleichgewicht zu halten. Diese Chance konnte sich Eva nicht entgehen lassen. Blitzschnell drehte sie sich zur Seite und stach der Hexe die Klinge tief in die Brust. Schnell zog sie ihr Schwert zurück, sprang über den Körper der Hexe hinweg und lief einige Schritte in Richtung Eingangshalle.
Aus sicherer Entfernung sah sie dem Todeskampf der Hexe zu. Nur langsam wich die Anspannung aus Evas Körper. Erschöpft stützte sie sich auf dem Schwert ab und beobachtete wie der Körper der Hexe langsam verging. Nebelschwaden zogen dabei durch den Raum, deren Gestank Eva an Schwefel erinnerte.
Mit dem Tod der Hexe wurde auch die Kraft, die den Palast zusammenhielt, gebrochen. Die Decke zeigte erste Risse und drohte einzustürzen. Eva musste jetzt sehen, dass sie aus der Halle herauskam, wenn sie nicht unter dem Eis begraben werden wollte. Hastig lief sie in Richtung Ausgang und schaffte es gerade noch rechzeitig sich zu retten. Die junge Studentin konnte den Schwung nicht mehr abbremsen und stürzte die Treppe hinab, die direkt vor dem Eingang des Palastes begann.
Das Letzte, was sie noch sah, waren die ersten Sonnenstrahlen, die Eivelan erhellten. Der Fluch war gebrochen und das eivelanische Volk hatte seine Sonne wieder. Schon bald würde das Land im alten Glanz erblühen.

Als Eva erwachte, sah sie sich verwundert um. Völlig verdutzt blickte sie in das besorgte Gesicht des Reiseleiters. "Was ist passiert?"
"Sie sind auf einmal ohnmächtig geworden", sagte der Reiseleiter. "Geht es ihnen jetzt besser?"
"Ja es geht schon", antwortete Eva. Sie war verwirrt und wunderte sich darüber, jetzt wieder mitten in der Reisegruppe zu sitzen. Sollten die Ereignisse in Eivelan etwa ein Traum gewesen sein?
Eva tastete auf ihrem T-Shirt nach dem Amulett ihrer Großmutter. Es war verschwunden. Sie musste es beim Kampf mit der Eishexe verloren haben. "Dann stimmt es also doch", sagte sie leise, so dass es niemand hören konnte.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ich

hätte nie gedacht, dass ich mal jemandem raten würde, einen kampf spannender zu machen, aber hier ist es angebracht. überhapt fehlt noch n bisschen mehr fantasy-flair.
lg
 

Joerg O

Mitglied
Hi Flammarion,

vielen Dank für Deinen Kommentar.
Die Kampfszene werde ich mir bei der nächsten Überarbeitung nochmal vornehmen.

Gruß
Jörg
 



 
Oben Unten