Emanzipation

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Franco

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Emanzipation

Wir leben im 21. Jahrhundert. Für uns gebildeten Mitteleuropäer ist das Thema Emanzipation schon längst kein Thema mehr. Frauen stehen ihren Mann in allen Lebenslagen und - sind wir doch mal ehrlich, liebe Geschlechtsgenossen, in vielen Dingen sind sie uns inzwischen sogar voraus.
Wenn wir nicht das eine oder andere mal unsere körperliche Überlegenheit zur Schau stellen könnten - zum Beispiel beim öffnen von Gurkengläsern, würden wir wirklich alt aussehen.
Nun muss ich zugeben, dass ich damit leben kann. Ja ich freue mich sogar über die Selbstständigkeit unserer Frauen, macht sie uns das Leben doch um so vieles Angenehmer. So haben wir Zeit für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens, wie Sport oder die Kneipenmeisterschaft im Dartspiel, während unsere Frauen Autos reparieren, Wohnungen renovieren oder Einkäufe organisieren.
Aber wie alles in unserem Leben hat natürlich auch die Emanzipation nicht zu leugnende Nachteile. Dabei denke ich in erster Linie an den Haushalt.
Gut, den Müll haben unsere Frauen schon vor ewigen Zeiten zur Chefsache erklärt. Das der Mann des Hauses an dem einen oder anderen Sonntag gezwungener Maßen freiwillig den Abwasch macht ist auch nicht neu. Aber so ein Haushalt hat wesentlich mehr Facetten, als sich unsere Machoweisheit erträumen lässt.
Nun ist meine Ehefrau eine von denen, die nicht ganz überzeugt ist von der Emanzipation - des Mannes. Der Haushalt ist einzig und allein Ihre Sache. So ist sie wenigstens sicher, dass alles richtig gemacht wird und alles an seinem Platz liegt. Ich wäre natürlich kein moderner Mann, wenn ich nicht dagegen Protestieren würde.
Vor einigen Wochen war es dann so weit. Mein zaghafter, eher obligatorisch gemeinter Protest, zeigte wider Erwarten Erfolg.
Zwar war es noch lange nicht so weit, dass ich meine Fähigkeiten in der Wohnung unter Beweis stellen durfte, aber ich bekam die vertrauensvolle Aufgabe das Treppenhaus zu wischen.
Freude heuchelnd stemmte ich mich vom Sofa hoch und begab mich auf die Suche nach Eimer und Putzmittel.
Schon nach einer halben Stunde hatte ich das entsprechende Mittel in der Hand und las die Gebrauchsanweisung. Eine Verschlusskappe auf zehn Liter Wasser kam mir wenig vor. Ich war großzügiger und bekam auf diese Art und Weise eine wunderschöne Schaumkrone auf dem Putzwasser.
Bewaffnet mit Lappen und Wischmopp verließ ich die bequeme samstägliche Wohnung um der gesamten Frauenwelt zu beweisen, das die Emanzipation in beide Richtungen funktionierte.
Ich hatte gerade den Wischmopp aus dem Eimer geangelt und überlegt, ob ich ihn auswringen sollte, als er mir aus der Hand rutschte und auf meinem linken Pantoffel landete.
Wen wundert es, dass genau in diesem Moment die Tür zur Nachbarwohnung aufging und Fräulein Becker unseren gemeinsamen Treppenabsatz betrat.
Sie warf einen kurzen, abschätzenden Blick auf meinen Wischmopp, lächelte gezwungen freundlich und sprach die einzigen Worte gelassen aus, die jeden Mann in den Grundfesten seiner Existenz erschüttern können. “Oh, ein Hausmann!”
Obwohl mir danach war, ihr das Putzwasser über den Kopf zu schütten, sie mit dem Wischmopp zu verprügeln, oder ihr wenigstens die Grundsätze der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu erklären, lächelte ich.
“Hier putzt der Chef noch selbst”, machte ich den verzweifelten Versuch meine Ehre zu retten und erntete dafür einen mitleidigen Blick, der wenigstens aufrichtig wirkte.
Das Wasser aus dem Mopp war inzwischen beinahe komplett von meinem Pantoffel aufgesogen worden, so das ich ihn erneut nassmachen musste.
Ich schaffte es, ihn am Wischmoppstiel zu befestigen und wischte los.
Den Absatz zu wischen gestaltete sich als nicht sonderlich schwierig, wenngleich ich mehrmals ausrutschte ohne mich jedoch ernsthaft zu verletzen. Auch die Treppen machten wenig Mühe, so dass ich bald den unteren Absatz erreichte. Jetzt viel mir auf, dass ich den Putzeimer auf der obersten Stufe hatte stehen lassen. Beim Versuch ihn zu holen, rutschte ich wiederum aus und stieß mir das rechte Knie schmerzhaft an einer Stufe. Ans Treppengeländer festkrallend, schaffte ich es den obersten Absatz zu erreichen, als ich die Haustür unter mir hörte. Vor Schreck ließ ich das Geländer los, rutschte erneut aus und landete auf dem Hosenboden. Da die Schwerkraft auf gut geschmierten Treppen besonders ausgeprägt zu sein scheint, rutschte ich Stufe für Stufe und mit wachsender Geschwindigkeit dem unteren Absatz entgegen - genau in die Beine von Herrn Müller, dem widerlichen Kerl von oben. Lauthals lachend stand er über mir während sein ebenfalls widerlicher Sohn immer wieder “Ich will auch mal rutschen, Papa !”, grölte.
Immer noch lachend überwand der Widerling mühelos die glatten Stufen und verschwand in seiner Wohnung.
Mit schmerzendem Hinterteil richtete ich mich auf. Sollte ich Aufgeben ? Einen Unfall vortäuschen um statt der mühevollen Arbeit den Trost und die Fürsorge meiner geliebten Ehefrau zu genießen ?
NEIN !, schrie alles in mir. Und so machte mich erneut an die Arbeit.
Diesmal war ich vorsichtiger.
Mein linker Fuß war höllisch glatt und fand kaum Halt auf dem Fußboden, während mein rechtes Knie langsam zur Kürbisgröße anschwoll.
Trotzdem wischte ich weiter und schaffte es den unteren Treppenabsatz zu erreichen, ohne ein weiteres mal auszurutschen. Inzwischen begann das Putzmittel unter meinen Fingernägeln zu brennen und ich gestand mir ein, das Großzügigkeit bei der Verwendung von Chlor -und Formaldehydhaltigen Putzmitteln eventuell nicht angebracht zu sein scheint. Ich schulterte den Mopp, griff nach dem Wassereimer, und begann den Aufstieg. Langsam überwand ich die hochglänzenden Stufen, während mein linker Pantoffel mir bei jedem Schritt schmatzende Anerkennung zuflüsterte.
Vor meiner Wohnungstür angekommen drehte ich mich noch einmal um und begutachtete mein Werk, beobachtete verträumt, wie sich die Sonnenstrahlen in den bunten Seifenblasen auf den Treppenstufen brachen.
In diesem Moment wurde die Haustür aufgestoßen und das Treppenhaus erzitterte unter dem Angriff einer hundertköpfigen Hunnenschaar.
Die Wegemanns ! , schoss es mir durch den Kopf. Was sollte ich tun ?
Mein Herz raste, meine Gedanken überschlugen sich. Nicht jetzt !, Nicht jetzt !, wollte ich schreien, doch es war zu spät. Drei kleine Wegemanns, bewaffnet mit Sandeimern und halbvollen Schaufeln, gefolgt von zwei riesigen, bellenden Kötern und den Eltern Wegemann polterten an mir vorbei. Frau Wegemann blieb einen Moment stehen und sah mich freudestrahlend an, während ich meinen Blick nicht von der Sandspur und den Hundepfoten auf den Treppenstufen nehmen konnte.
“Machen ganz schön Dreck die Kleinen”, sagte sie. “Gut das wir zurückgekommen sind, bevor sie mit dem Putzen fertig sind.”
Ich wollte etwas erwidern, schimpfen, schreien, doch alles was aus meinem Mund kam, war ein leises wimmern.
Nach zwei Stunden fand mich meine Frau in diesem Zustand und führte mich in unsere Wohnung. Auch jetzt war ich noch nicht in der Lage ihr zu erzählen was vorgefallen war. Alles was ich herausbrachte war :
“Scheiß Emanzipation !”
 

Silea

Mitglied
Haushalt

Wirklich urkomisch. Da spricht jemand aus Erfahrung. Nicht nur mit der Hausarbeit, auch mit Nachbarn. Besonders über die Wegmanns habe ich gelacht. Und der moderne Mann hat es manchmal schwerer als die altmodische Frau, nicht wahr? Werde gleich mal auf die Suche gehen nach weiteren Geschichten.

Herlziche Grüße
Silea
 



 
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