Enstehung eines Bestsellers

Lenny

Junior Mitglied
"Ich bin der Anfang und das Ende, das Alfa und das Omega, der Erste und der Letzte."
Gott saß vor seiner altmodischen Schreibmaschine, die ein Überbleibsel seines Vaters war. Er war sich noch unsicher, was er tippen sollte; er wollte den Lesern, die er später hoffentlich zahlreich haben würde, gerne etwas über seine Person näher bringen. Er wußte, daß seine ersten Sätze als sehr überheblich gewertet werden konnten, und er wusste auch, daß es für den Leser nicht einfach werden würde, blind an diese Aussagen zu glauben. Wahrscheinlich erwartete man von ihm jetzt, daß er irgendwelche Erklärungen und Fakten hinter diesen ersten Satz schreiben würde. Aber lag nicht in seiner Absicht. Er wollte schreiben, wie es ist, nicht aber, warum es ist. Das Warum sollten die Leute selber herausfinden. Man könnte ihn als gemein bezeichnen, aber er war der Meinung, daß das Warum nicht interessant genug war. Sein Leserschaft würde noch früh genug dahinter kommen, und bis dahin wollte er ihnen nicht den ganzen Spaß verderben. Und: Er mußte auch noch etwas zu tun haben. Zum Beispiel: rauszufinden, warum er der einzige Mensch auf Erden war, der keinen Vater hatte. Zwar ging er davon aus, daß er einen Vater hatte, aber er konnte sich partout nicht mehr an ihn errinern. Seine Errinnerung reicht nur dahin zurück, daß sein Vater, oder besser: irgendjemand, ihm eine Menge Zeugs dagelassen hatte. Z.B. die veraltete Schreibmaschine, die jetzt vor ihm stand. Ein neuer Laptop wäre ihm lieber gewesen, aber auf der seltsamen Schreibmaschine fielen ihm immer die besten Sätze ein. So tippte er spontan die Zeilen:
"Am Anfang war die Erde wüst und leer." Er war sich sicher, wenn er jetzt weiterschreiben würde, könnte er ein ganzes Buch daraus machen. Einen ganzen Bestseller. Er wusste, viele Leute würden an die Dinge glauben, die er hier schrieb. So könnte er Ihnen mitteilen, daß die Leser seines Buches einfach alle nett zueinander sein sollten. Das sie bestimmte Dinge tun und bestimmte Dinge lassen sollten. Nicht so viel, so um die Dutzend Regeln, vielleicht auch eine oder zwei weniger. Vieles fiel ihm schon spontan ein, (z.B. mußte man die Konkurrenz ausschalten) und eine Menge Ideen kreisten in seinem Kopf herum. Es gab da nur ein Problem: Was würde er ihnen sagen, wenn sie ihn fragten, Warum es so ist? Woher er das alles wußte? Wieso es richtig war, was er ihnen schrieb? Es würde schlichtweg Ewigkeiten dauern, all den Leuten das Ganze zu erklären, und er hatte eigentlich gar keine Lust, Ewigkeiten dazusitzen und immer wieder die gleiche Antwort auf die gleiche Frage zu geben. Das würde ihn einfach auf Dauer langweilen. Nein, es würde viel mehr Spaß machen... Und Gott hatte einen teuflischen Plan. Er würde das Buch schreiben, aber danach... Danach würde er sich zurückziehen, verschwinden. Zumindest für eine kleine Ewigkeit. Er würde einfach nur zusehen, was die Leute machen würden, wenn Sie seinen Bestseller gelesen hatten, daran glaubten, sie aber nicht das Warum kannten. Was würden Sie tun? Ihn verehren, vergöttern, durchdrehen, mißachten, anbeten, ignorieren, auslachen...? Nun, er konnte seine Leserschaft noch nicht so ganz einschätzen, aber er glaubte nicht unbedingt, daß sich die psyschich stabilsten waren. Mit ein wenig Glück würden sie eine Menge verrückter Dinge wegen diesem Buch tun (denn sie waren ihm in mancher Hinsich sehr ähnlich.) Und das würde ER sehr lustig finden.


von Andreas Lennartz
 



 
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