Entlarvung eines Heuchlers

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Entlarvung eines Heuchlers

Verträumt blickte das Oberhaupt der Katholischen Kirche aus dem Fenster auf den Petersplatz, der, sonnenbeschienen, viele hundert Besucher zum Verweilen einlud. Der selbsternannte Stellvertreter Gottes auf Erden und unumschränkter Herrscher über eine Milliarde Katholiken, die ihm in teilweise hündischem Gehorsam vertrauten, war stolz auf sich und sein Pontifikat. Ein Wort, eine Geste von ihm reichte aus, Massen zur Hysterie zu drängen, was er, gottgleich, gerne tat. Über die Folgen machte er sich weniger Gedanken.
„Ich gebiete“, murmelte er mit einem huldvollen Lächeln auf den Lippen, „ihr gehorcht! So wird es sein. Jetzt und in der Zukunft.“
Damit wendete er den Kopf, denn in seinem Amtszimmer hatte eine Dunkelheit Einzug gehalten, die ihn frösteln ließ. Eine Dunkelheit, oder man hätte besser sagen sollen: Ein Zwielicht, welches den Raum zwar verdüsterte, aber dennoch jeden Gegenstand im Zimmer auf eigentümliche Weise erstrahlen ließ.
Verwirrt schaute er sich um, vermochte aber nicht festzustellen, woran das liegen konnte. Der Papst fühlte eine leichte Erschöpfung, tat ein paar Schritte, wollte sich in seinen Sessel plumpsen lassen, das aber ging nicht, denn da saß offenbar schon einer.
Über die Maßen erschrocken, fuhr er wieder auf, entschuldigte sich gar bei der Person, aber er konnte sie nicht sehen …
Mit weit aufgerissenen Augen trat der Pontifex zwei Schritte zurück, musterte den Sessel, seinen Sessel, eindringlich, sah aber niemanden. Gerade war er versucht seinen Kammerdiener zu rufen, als ihm zwei Worte Einhalt geboten:
„Laß das!“ sprach einer zu ihm, mit einer Stimme, daß dem Pontifex der Atem stockte.
Rauh klang sie, knisternd, und doch irgendwie metallen. Und sie kam von jener Stelle, an der sein Sessel stand.
„Wer …“ mehr brachte der Bischof Roms nicht hervor.
Eine Schwäche bemächtigte sich seiner.
„Setz dich, damit du nicht umfällst!“ befahl die Stimme und ließ keinen Widerspruch zu.
Gehorsam sackte der Papst auf einen Hocker, nahe dem Fenster, wo es ein wenig heller war als im gesamten Gemach. Gebannt suchten seine Augen jede Ecke des Raumes ab.
„Jetzt fragst du dich wohl, wer dir in deinen eigenen Räumen Befehle erteilt“, kam es vom leeren Sessel her.
Und in der Tat waren Fragmente dieser Frage in seinem Gehirn aufgetaucht, verflüchtigten sich aber durch die Entschlossenheit der Rede des unsichtbaren Besuchers schnellstens.
„Wer … wer bist du?“ wollte der Kirchenfürst wissen.
„Wie, das ahnst du nicht?“ schnarrte es zu ihm herüber. „Du, der du als mein Stellvertreter auf Erden giltst?“
Und der Ton der Stimme variierte von aggressivem Knistern bis hin zu verhaltenem Dröhnen. Der Heilige Vater saß auf dem Hocker, seiner Ansicht nach ein vollkommen unwürdiges Sitzmöbel für Seinesgleichen, und seine Schultern sanken nach vorne, ein nie gekanntes Gefühlswirrwarr hatte ihn übermannt.
„Du hast in deiner letzten Predigt etwas von Rechenschaft erzählt, erinnerst du dich?“ wollte sein ungebetener Gast wissen. „Vom Jüngsten Gericht. Sag bloß nicht, du hast das vergessen!“
Der Papst, kreidebleich, schluckte, schnappte nach Luft, wußte nicht, was er von dieser Situation halten sollte. Bis ihm endlich stockend entfuhr:
„Aber du bist doch nicht … das kann doch nicht … ich meine … das ist nicht möglich!“
„Und warum nicht?“ traf es ihn scharf, und er hatte das Gefühl, von diesen Worten durchbohrt zu werden.
„Weil … weil … es nicht sein kann, darum.“
„Stümper!“ hallte es ihm verächtlich entgegen, und er zuckte zusammen, als hätte man ihn geschlagen. „Etwas mehr Vertrauen in deine eigene Lehre hätte ich von dir schon erwartet. Von dir, von euch, von Euresgleichen.“
Kalter Schweiß trat auf die Stirn des Kirchenoberhauptes, seine Kehle war ausgetrocknet, flehend suchten seine Augen nach der Teekanne, die drüben auf dem Tisch stand, vor dem Sessel, auf dem der Unsichtbare Platz genommen hatte.
Mit einemmal wurde die danebenstehende Tasse emporgehoben, vollgeschenkt und ihm herübergebracht. Von … niemandem. Denn der Papst war nicht in der Lage, eine Person zu sehen.
„Na, nimm schon!“ befahl die Stimme, nun direkt neben ihm.
Mit zitternden Fingern griff der Pontifex die freischwebende Tasse, verschüttete die Hälfte, trank einen Schluck und behielt sie in der Hand, als die Stimme, nun exakt hinter ihm, fragte:
„Was soll das eigentlich mit Hiob?“
Ungläubig – ein für einen Papst undenkbares Attribut – versuchte er, hinter sich zu blicken, ohne den Kopf zu wenden. Was mißlang.
„Ich verstehe nicht“, erklärte er wahrheitsgemäß.
„In der Bibel wurde doch nur aufgeschrieben, was mit mir in Zusammenhang steht, oder sehe ich das falsch?“ knisterte es dem heiligen Mann metallen entgegen.
Der Papst rang nach Fassung. Wo war er hier hineingeraten? War das seinen Vorgängern auch passiert oder war er der erste?
„Wie lautet mein achtes Gebot?“ kam es wie ein Geschoß aus dem leeren Raum.
Sein achtes Gebot? überlegte der Kirchenmann. S e i n ? Ist ER’s? Aber es ist doch gar nicht möglich! Stockend begann er:
„ … Du … sollt kein …. falsch …“
„ … Zeugnis reden wider deinen Nächsten! Richtig!“ unterbrach ihn sein Gast ungeduldig. „Und warum, glaubst du, habe ich Moses seinerzeit in dieser kargen Gegend ausgerechnet dieses Gebot mit auf den Weg gegeben?“
Unfähig, mit dieser Situation umzugehen, sank der Heilige Vater immer weiter in sich zusammen. Wer war das, zum Teufel? Wer erdreistete sich hier, Gott zu spielen? Einen Gott, von dem er wußte, daß es ihn nicht gab. Nicht geben konnte. Die Vatikanischen Archive waren voll von Zeugnissen, die dagegen sprachen, und die daher niemand einsehen durfte. Sollte man sich so getäuscht haben? Sollte sein Theologie-Studium umsonst gewesen sein? Der Papst krümmte sich, als verspürte er starke Schmerzen im ganzen Leib.
„Also, was soll dann die Geschichte mit Hiob?“ hakte der Unsichtbare nach.
„Hiob“, begann das Kirchenoberhaupt, „war ein frommer Mann ...“
„Unsinn!“ wurde er unterbrochen. „Ein Märchen! Hiob ist eine orientalische Märchenfigur. Was hat sie in der Bibel verloren, in diesem durch und durch unvollständigen Geschichtsbuch? Habe ich euch etwas von Hiob erzählt?“
Der Papst, der sehr wohl wußte, daß die Figur Hiob mit den geschichtlichen Überlieferungen der Bibel nichts zu tun hatte, sondern später eingefügt worden war, zeigte seine Überraschung unverhohlen.
„Und was erzählt ihr den Gemeinden von der Durchquerung des Roten Meeres?“ traf den Papst die nächste Frage scharf, wie ein geworfenes Messer.
„Ich verstehe nicht …“
„Wir sind seinerzeit nicht durchs Rote Meer gezogen. Liest du denn keine Bibel? 2. Moses. 14.2. Dort steht: Sie lagerten sich am Schilfmeer bei Migdol. Weißt du wo das liegt?“
Selbstredend wußte der Papst das. Dieser antike Ort existierte zwar nicht mehr, aber er war an der Küste des Mittelmeers nahe des Nildeltas lokalisiert worden. Dort, wo das Wasser seicht war. Er neigte sein Haupt und schwieg. Dieses Thema war oft Anlaß zu Diskussionen gewesen, aber man konnte sich noch immer nicht dazu durchringen, diesen jahrtausendealten Irrtum endlich aufzuklären.
„Lügen über Lügen“, dröhnte es jetzt aus einer völlig anderen Ecke des Zimmers. „So also befolgt ihr meine Ratschläge.“
Der Papst wandte sein Gesicht, konnte aber immer noch keine Gestalt wahrnehmen. Sollte tatsächlich ein Gott hier erschienen sein, ihn zu prüfen? Aber Zeit, lange darüber nachzudenken, wollte ihm der Besucher nicht einräumen, denn schon fuhr er fort:
„Und was soll das Gewäsch mit der, wie es Luther pausenlos nennt, Bundeslade? Was für eine Bundeslade hätte ich euch gegeben? Was das war, wißt ihr genau. Obwohl in euren Bibeltexten mehr als die Hälfte fehlt.“
Auch das war dem Pontifex bewußt. Im 2. Moses im 25. Kapitel wurde dieses Gerät ausführlich beschrieben, und alles, wirklich alles deutete vehement darauf hin, daß es zu aller Letzt dafür gebaut worden war, um etwa steinerne Gesetzestafeln darin aufzubewahren. Sondern für etwas ganz anderes. Auch sprachen andere Übersetzungen keineswegs von einer Lade, sondern vielmehr von einem kommunikativen Schrein, der sprechen konnte, Erscheinungen zeigte, Bilder, Gesichter. Das wurde der Ökumene natürlich verschwiegen, das brauchte sie nicht zu interessieren. Das würde nur Fragen aufwerfen.
„Ihr habt euch seit dem Mittelalter kaum verändert. Noch immer vergebt ihr den Sündern nach einer Beichte. Gleichviel, was sie angestellt, egal, wie viele Kinder sie vergewaltigt haben. Gleichgültig, ob sie morgen damit fortfahren. Vergebung der Sünden nennt ihr das. Ich nenne das modernen Ablaß.“
Immer tiefer versank der Papst in seiner Kleidung, versuchte gänzlich darin zu entschwinden.
„Und mit der Vatikan-Bank machst du mir auch keine Freude, mein Lieber. Geld zu scheffeln, Milliarden, während auf diesem Planeten so viele Menschen Hunger leiden müssen. Ist das etwa die Lehre Jesu? – He, Josef, ich habe dich etwas gefragt!“
Wie eine Armee winziger stählerner Kugeln trafen ihn diese anklagenden Worte. Er wand sich wie ein Aal am Haken.
„Aber ihr habt doch auch … ich meine … Gold gesammelt. Ständig, die Bibel ist voll davon. Salomon, David, sie haben Tausende Tonnen von Gold in … in deinen Tempel gebracht.“
Der Besucher schien zu zögern, aber nur kurze Zeit.
„Das war etwas anderes. Wir brauchten es für unsere … Technologie.“
„Für eure …“ mehr brachte der Pontifex nicht hervor.
„Ja, natürlich! Oder glaubst du tatsächlich, ein Gewitter hätte die Ägypter seinerzeit heimgesucht? Lies doch nach im 2. Moses im 9. Kapitel! Da steht es doch. Glaubst du wirklich, Hagel wäre vom Himmel gefallen und hätte unter Blitzen und Donnern die Ernten der Ägypter zerstört und die Hebräer verschont? So naiv kann doch kein Mensch sein. Das waren unsere Geschosse. Das waren die himmlischen Heere, unsere Luftflotte. Auch bei Josua im 10. Kapitel. Oder bei Samuel oder sonstwo. Hesekiel hat noch am besten beschrieben, was er gesehen hat. Sag mal. wie gut kennst du eigentlich deine Bibel, dein Handwerkszeug?“
Auch das wußte der Papst. Viele Bücher sind darüber verfaßt worden. Nicht veröffentlicht, nur geschrieben und in den Archiven verborgen. Gut verborgen.
„Und die Geschichte mit dem Wasser aus dem Stein. Was ist das wohl dort an der gekachelten Wand? Da fließt Wasser aus Stein. Ein Wunder! Ich glaube, niemand mit gesundem Menschenverstand wird von einem Wunder sprechen, wenn Wasser aus dieser Wand dort fließt. Oder mit Samson“, spann der nicht sichtbare Gast den Faden weiter, „im 15. Kapitel der Richter, wo es geschrieben steht, fehlt ja wieder die Hälfte. Ein Eselskinnbacken! Seid ihr noch zu retten? Was Samson und andere benutzt hatten, war natürlich der eherne Bogen! Er erweckte vielleicht den Eindruck eines Eselskinnbackens, wäre aber schon beim ersten Schlag in mehrere Stücke zerbrochen. Wenn man ihn jedoch umdrehte, sah er völlig anders aus. 1000 Mann mit einem Eselsknochen.“
Der fremde Besucher schüttelte sein unsichtbares Haupt, ob der Naivität dieses Menschen.
„Und die Sache mit David. Merkt ihr es denn noch immer nicht oder wollt ihr nicht? Nur ein debiler Mensch kann glauben, daß ein Kind mit einer Steinschleuder einen Geharnischten zu Fall bringen könnte. Einen gepanzerten Kriegsmann mit Schildträger und metallenem Helm. Und der Stein soll ihm durch den Helm tief in die Stirn gedrungen …“
Der unheimliche Fremde brach ab. Noch zahllose andere Beispiele hätte er ihm entgegenschleudern können, er unterließ es, angewidert vor soviel Inkompetenz und Opportunismus.
Plötzlich zeigte sich eine Gestalt im Gemach des Heiligen Vaters. Wie von Geisterhand hingestellt, stand dort eine hochaufragende Figur mit menschlichen Formen. In Händen hielt sie ein unscheinbares Gerät, welches ihr ermöglichte, zeitweise zu verschwinden, ohne den Raum zu verlassen. Sie steckte es weg.
Der Papst traute seinen Augen nicht. So etwas hatte er noch nie gesehen. Das Wesen glänzte metallen, trug eine helmartige Kopfbedeckung und schien zu ihm herüberzuschauen.
„Ja“, drang es elektronisch verstärkt zu ihm her, „wir sind wieder da!“
Diese Worte lösten Panik aus beim Heiligen Vater, nie dagewesene Furcht bemächtigte sich seiner.
„Und … was wollt ihr … diesmal?“
Der Fremde trat näher, stellte sich direkt vor das Kirchenoberhaupt und sagte knapp:
„Euer Gold natürlich! Diesmal ist Fort Knox dran.“
Damit verschwand er wie er gekommen war. Am nächsten Tag entschloß sich der Papst, der gottgleiche, zurückzutreten. Aus gesundheitlichen Gründen, wie es hieß.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Papst ist der Stellvertreter Christi auf Erden, nicht Gottes. Von daher fängt der Text schon falsch an.
Danach bemüht er sich vergebens um eine humorige oder gar satirische Note, sondern man bekommt beim Lesen den Eindruck, es gehe dem Autor eher darum, den Papst (und die katholische Kirche allgemein) in möglichst schlechtem Licht dastehen zu lassen.

Mir fehlt hier eindeutig das ironische Augenzwinkern.

Mal sehen, was ER davon hält. Gott sieht (und liest) ja alles.
;-)

LG Doc
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Grundsätzlich begrüße ich es, wenn auf diesem Forum Staat, Kirche und Gesellschaftsformen satirisch so richtig der Spiegel vorgehalten wird.

Dein Werk macht aber mehr den Eindruck einer gequält humorigen Abrechnung mit dessen Häuptling.

Ist so ok. Dieses Thema birgt aber so viel Potential, dass eine scharfe, bissige und nicht verletzende Satire auf das Papsttum und sein ganzes Drumherum durchaus drin gewesen wäre. So ist es aber leider nur eine Story mit zarter Polemik geworden, die von einigen missverstanden wird.

Gruß Ironbiber
 



 
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