Erkenntnis

Svalin

Mitglied
dürre Nachtflechten verblühen
in den verwaschenen Nordfurchen
meiner Großhirnrinde
und die Geysire erloschener Träume
klaglos vernarben
rostbringend zerheilt die Zeit
langsam den Dolch
der noch immer
aus meinem Herzen ragt
sein Schatten wird länger
gemahnt mich schlafen zu gehen
noch weitere Jahre auf dem Rücken
die Decke zu zerlöchern
mit schlaflosen Blicken
und es rieselt grau
verschlissener Himmel herunter

Treibgut früher Jahre strandet
eine Träne purzelt heraus
und stirbt

das Grab erhebt sich sanft
in der Ebene
neben den anderen
hügelig fühlt es sich an
auf meiner Haut
unter meinen Händen

und die Tränengräber spürend
begreife ich
zum ersten Mal
wirklich
was
ausschlaggebend
ist
 

Feder

Mitglied
Hallo Svalin,
es ist schwer den Ursprung nicht zu erkennen. Es kann Liebe sein, es kann dein Selbst sein, auf jeden Fall ist es prägnant für dein Leben, über was du schreibst. Du hast gefunden, was wichtig für dich ist - nach diesem Text. Man ist nie zu alt, einen neuen Weg einzuschlagen, der sicher auch Seitenzweige birgt zum wichtigen und richtigen Ziel.

Auch wenn deine Zeilen schwermütig waren und höchste Konzentration erforderten, sich hineinzulesen, zu begreifen, nachzuempfinden (was der Schreiber ja manchmal beim Leser überhaupt nicht bis ins Detail bezwecken möchte), es ist ansprechend - wenn auch in einem für mich etwas finsteren Bereich. So traurig, so aussichtslos. Das muss das Leben nicht sein, wo Schatten ist, ist auch Licht.

Frohe Weihnachten und lb. Gruß,
Feder
 

Svalin

Mitglied
Hallo Feder

danke für deine aufmunternden Zeilen! Aber es sind nur die Worte in meinem Text die traurig sind ... ein paar dissoziierte Erinnerungen und der Weichzeichner der Phantasie. Poesie lebt allzuoft in den Schatten. Wieso nur? Für das Licht, in dem ich lebe, fehlen mir einfach die Worte beim Genießen.
So bleibt oft nur die Essenz der Nächte. Und ein Lächeln am Morgen.

Gruß
Martin

P.S.: Ich gebe zu, daß der Text nicht einfach zu interpretieren ist. Kernmotiv ist jedoch - soviel sei verraten :)- daß ausschlaggebend eine zweite Bedeutung hat ... in den hügeligen Tränengräbern auf der Haut ... Hautausschlag <-> ausschlaggebend. Na ja, wohl nicht so gelungen!?
 

Feder

Mitglied
Jetzt fehlen mir die Worte :)

das kommt davon, wenn man sich Mühe gibt, zu interpretieren :).

Nichts für ungut!

Gruß,
Feder
 
V

Vadian

Gast
Hallo Svalin - doch, doch, die Sache mit dem Ausschlag kommt prima rüber.
In manche Deiner Gedichte (auch in dieses) lasse ich mich vertrauensvoll fallen, weil für mich der Klang "stimmt". Und dann ist's bewegende Lektüre - die "Interpretation", oder was Du "sagen willst", das ist mir dann noch eine ganze Weile egal, wenn beim Lesen etwas von mir in Resonanz gerät.
Ich mag Deine Gedichte sehr.

Vadi
 

Svalin

Mitglied
Ich denke, es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, daß der Autor in jedem Fall etwas zu sagen hätte. Manches sind einfach nur Stimmungen, die in Worten auskristallisieren. Und fragt mich bitte nicht, warum gerade so ... ich weiß es auch nicht :)

Martin
 

Tobias

Mitglied
Ich empfinde Ehrfurcht vor deinen wortgewaltigen Bildern.
Wo nimmst Du das her? (Sag bitte nicht aus meiner <Adjektivkette> Großhirnrinde!)
Ich meine das Ernst, was liest "man", um den Wortschatz derart schwülstig (keine Ahnung was hier das passendere Adjektiv wäre, ich meins jedenfalls positiv)aufzupeppen?

TT
 

Chrissie

Mitglied
Svalin,

Du bist einfach ein Genie.
Da gibt's nix zu erklären.
Und dass Du in letzter Zeit manchmal etwas humorig wirst, finde ich ächt goil!

Liebe Grüße
Chrissie
 

Svalin

Mitglied
Hallo Ihr

@Chrissie: ... ohne Worte :)
@ Tobias: Ich las Erich Fried ... kleines Beispiel. Sehr oft. Sehr gern. Niemals wortgewaltig ... nur bildintensiv in scheinbar einfachen Worten. Vielleicht eine Erklärung, vielleicht auch nicht :)

Gruß Martin
und Danke!
 



 
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