Feentanz

Der Schnee in Alpen und Schwarzwald ist längst geschmolzen, hat mit seinen zahllosen Tropfen die Wasser des Rheins genährt. Erde und Kiesel spülten sich in seinen Fluten fort. Grasbüschel, die nicht tief genug wurzelten, schwammen in den Wellen mit. Zweige und Äste rissen von den Bäumen, die zu nahe an den Fluten standen. Lehmgebräunt säumen sie nun die Ufer, an die sie vom Fluss heran getragen wurden. Getrocknet von der Frühlingssonne warten sie darauf, um diesem ungewollten Dasein einen Sinn zu geben.
Paarweise haben sie sich gefunden, das Werben ist schon gelaufen. Nun sind zahllose Vögel dabei, in der wärmenden Frühlingssonne ein Nest zu bauen, der ihrem baldigen Nachwuchs eine erste Heimat sein wird. In zwitschernder und schnatternder Gemeinschaft räumen sie die Gestade des Rheins auf. Ob Ente oder Spatz, egal. Jeder nach seinem jeweiligen Können und Bedürfnis.
Welche Sagen und Geschichten ranken sich nicht alle um den Rhein! Dieser große Strom, der sich einer pulsierenden Ader gleich durch das Land zieht. Ritter und Drachen haben sich an seinen Wassern getränkt. Nymphen verhexten diejenigen, die beim Steuern ihrer Boote die nötige Vorsicht vermissen ließen. Schiffe fuhren dem Grund entgegen, Fischer wurden Opfer von Sirenengesängen.
Doch kaum jemand weiß von der Rheinfee, der Herrin über die Ufergestade. Sie regiert über Felsen und Böschungen, Wiesen und Wälder, die dem Rhein erst sein Gesicht geben.
Neugierig geworden durch die golden glitzernden Sonnenstrahlen, die auf den Silberwellen des Rheins reiten, schaut die Rheinfee durch die Fenster ihres versteckten Schlosses auf das geweckte Leben, das dort am Rheinstrand mit den Flügeln schlägt. Die zunehmende Wärme lockt sie aus ihrem Unterschlupf. Nackten Fußes tritt sie in ihrem frühlingsgrünen Blätterkleid auf den weichen Uferlehm, wo das Gras nur spärlich sprießt. Die Fee beobachtet das Treiben der Vögel mit lächelnder Freude. Sie tanzt umher, nimmt Teil am Dasein. Geschmeidig bewegt sie sich zwischen den Federtieren, gestärkt von den vielfach sich auf den Rheinfluten spiegelnden Lichtfunken. Tanzt um Reiher, die kleine Zweige auflesen. Schwebt an Blässhühnern vorbei, die das Schilf vom Vorjahr zu einem Nest richten. Ihr Kleid aus frischen Blättern flattert im lauen Frühlingswind, fängt die zart wärmenden Sonnenstrahlen ein.
Die Vögel nehmen sie kaum wahr, schauen nur kurz zu ihr auf. Viel zu sehr sind sie mit ihrem eigenen Tun beschäftigt, suchen die Uferböschung ab. Gilt es doch die schönsten Zweige, den weichsten Grasbüschel zu sammeln.
In der Ferne hat sich ein Schwan am Ufer niedergelassen. Seinen Hals dicht an den Körper geschmiegt, den Kopf in den weißen Federn seines Flügels verborgen. Nur die schwarze Perle eines Auges lugt hervor. Den Blick gebannt auf die Rheinfee gerichtet, verfolgt er ihren Tanz über die feuchte Erde.
Weiß leuchtet der Schwan auf dem schlammig braunen Untergrund. Er bleibt der Fee nicht verborgen. Sie kennt ihn, hat sie doch oft schon seine Schönheit bewundert, mit ihm getanzt. Immer wieder zieht der stolze Vogel sie an. Selbst wenn sie ihn schon vieltausend Male sah, ihre Neugier, das edle Tier aus der Nähe zu betrachten, steigert sich mit jedem weiteren Mal, in dem sich ihre Blicke kreuzen. Sie tanzt auf ihn zu. Leichten Schrittes gleitet sie über den dunklen rheingetränkten Boden.
Der Schwan hebt anmutig seinen Hals, richtet ihn auf. Die Fee umtanzt ihn, genießt den Anblick seiner huchgereckten Größe. Reine Schönheit, scheinbar unschuldig und doch wissend. Sie will ihn locken, mit ihm tanzen. Ihre Blicke scheinen aneinander geheftet. Wie besessen beobachten sie sich, selbst durch ein Blinzeln reißt die Verbindung ihrer Augen nicht ab. Ein Verstehen nur mittels lautloser Worte, die aus ihren Pupillen fließen.
Mit dem Schnabel schnappt der Schwan nach den Blättern des Feenkleids. Sie gibt sich erschrocken, weicht zurück. Gleichwohl weiß der lang gehälste Vogel, das als Aufforderung zu verstehen ihr zu folgen, mit ihr zu tanzen. Am feuchten Strand kommt das Tier zwar nur schwerfällig daher. Schüchtern folgt der Vogel der Feenbewegung. Doch im Tanz mit der Rheinfee wird er sich in die Lüfte erheben, voller Eleganz am Himmel gleiten und seine Partnerin im Fluge mitreißen.
Endlich erhebt sich der Schwan ganz, richtet sich zur vollen Größe auf, von der Rheinfee sehnsüchtig fast erwartet. Wie in klobigen Holzschuhen kommt er auf die Fee zu. Sein Tanz sieht nur auf den ersten Blick plump aus. Nähert er sich doch den fließenden Bewegungen seiner Tanzpartnerin an. Schnell finden sie den gemeinsamen Takt, umtanzen sich gegenseitig. Immer wieder schnellt der Kopf des stolzen Vogels hervor, greift sein Schnabel nach der Fee Blätterkleid als wolle er es ihr vom Leib reißen, um sie mit der nächsten Umarmung seiner Schwingen in ein weißes Federkleid zu hüllen. Die Fee greift mit feinen Fingern nach dem Schwanenhals, streicht über den zarten Flaum. Sie bekrönt den Kopf des erregten Tieres mit einem leisen Kuss, dass der Schwan sich noch mehr nach ihr recke.
Lachend und fauchend tanzen sie diesen Tanz. Tanzen umeinander, zeigen sich ihr Gefallen. Zarte Berührungen, wundervollen Geschenken gleich. Die Blicke aufeinander gerichtet, Augen wie Magnete die sich halten wollen, nicht voneinander lassen können.
Der Schwindel erregende Reigen lässt sie taumeln. Die leichtfüßige Rheinfee und der tappsende Schwan, sie verschmelzen zu einer wirbelnden Einheit. Schweben über den Uferstrand, steigen dem Firmament entgegen. Tauchen tief in den stahlblauen Himmel ein, Luft anhaltend, atemlos. Bis sie schließlich sanft stürzen, sich weich fallen lassen. Erregung weicht der Ruhe. Augen blinzelnd finden sie sich auf dem weichen Lehmboden wieder. Erspüren das Glück dieses erlebten wilden Tanzes, der keine Regeln kennt, und doch mit allen bricht.
Die Fee blickt an ihrem Körper herunter. Flaumige Federn haben sich in ihrem Frühlingskleid verwoben, schmücken es mit ihrem perlmuttenen Schimmer auf eine ganz eigene zarte Weise. Die Rheinfee wird sie in ihrem versteckten Schloss bewahren, dort wo sie ihre samten ausgeschlagene Schatulle für diesen Schmuck geschützt hält. Dort drinnen hält sie die zarten Schwanenfedern. Kostbarer Schatz. Weiße Opale, nur für sie mit Wonne gegeben.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

schöne bilder, aber wo ist die geschichte? kommt sie noch oder hältst du obiges für abgeschlossen?
fragend guckt
 



 
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