Flussauf II

Flussauf


Es drängt mich raus
aus diesem Menschenmeer
das mir nicht mehr Heimat ist
nur adoptierte Obdachlosigkeit.

Ich schließe mich den Lachsen an
mit instinktgesteuerter Orientierung
und lasse nur die Spuren
meiner gedemütigten Häutungen zurück.

Sie, will und muss ich finden
die mir mein Menschsein oktroyierten
mich zwingen gegen den Strom zu kämpfen
allen Widrigkeiten zum Trotz.

Mit zu Flossen mutierten Gliedmaßen
und rot gefärbten Fischleib
schwimme ich unerkannt unter Tausenden
xychromosomengetrieben flussauf.

Jede Schuppe auf mir, mit einer
offenen Frage brandeisenmarkiert
keine werde ich vergessen zu stellen
wenn ich mich vor euch remetamorphosiere.

Nicht aufgeben werde ich
bis ich angekommen bin
im Kiesbett meines Seitenarmflusses
der mir Herkunft ist.


Das Meer verlassend
schwimmt ein kupferroter Lachs
flussauf zum Kiesbett.


Christel Tjoa 08.08.2008

Wow, vom Dreizeiler zum Epos.

Was in der ersten Version nicht herauskam, der Bezug zum Menschen, wir jetzt hier mit der übergroßen Kelle über den Leser ausgeschüttet.
Will sagen, das ist nun zuviel, zu aufgesetzt, zu "gewollt".
Vor allem die Adjektivlastikeit, mit der du bildhaft schreiben wolltest, erschlägt mich.

adoptierte Obdachlosigkeit
instinktgesteuerter Orientierung
gedemütigten Häutungen
mutierten Gliedmaßen
gefärbten Fischleib

Du bist schon auf dem richtigen Weg, doch hier ist weniger mehr. Lass dem Leser Raum für eingene Interpretationen. Du setzt ihm alles mundgerecht vor. Da ist für nichts anderes mehr Raum.
Ich lese, nicke. Und nun?

lg
duisburger

Flussauf


Es drängt mich raus
aus diesem Menschenmeer
das mir nicht mehr Heimat ist
nur adoptierte Obdachlosigkeit.

Ich schließe mich den Lachsen an
mit instinktgesteuerter Orientierung
und lasse nur die Spuren
meiner gedemütigten Häutungen zurück.

Sie, will und muss ich finden
die mir mein Menschsein oktroyierten
mich zwingen gegen den Strom zu kämpfen
allen Widrigkeiten zum Trotz.

Mit zu Flossen mutierten Gliedmaßen
und rot gefärbten Fischleib
schwimme ich unerkannt unter Tausenden
xychromosomengetrieben flussauf.

Jede Schuppe auf mir brandeisenmarkiert
mit einer offenen Frage
keine werde ich vergessen zu stellen
wenn ich mich vor euch zu erkennen gebe.

Nicht aufgeben werde ich
bis ich angekommen bin
im Kiesbett meines Seitenarmflusses
der mir Herkunft ist.


Das Meer verlassend
schwimmt ein kupferroter Lachs
flussauf zum Kiesbett.


Christel Tjoa 08.08.2008

hallo duisburger,

vielen dank fürs besuchen und lesen und natürlich für deinen kommentar. du weißt ja, ich stecke noch in den "kinderschuhen"...
ich lasse mir alles nochmals durch den kopf gehen und schau mal, wie ich da was ändern kann, damit der leser mehr raum bekommt für eigene gedanken.

mein eigener "holperstein" in diesem gedicht, der übergang in der zweiten strophe von zeile 1 zu 2...der gefällt mir nicht so ganz. vielleicht hast du da eine anregung für mich!?

wünsche dir noch ein schönes we

lg
christel

Hallo Christel,

schließe mich da weitgehend Duisburger an. Z.B. in S1 ist
Z4 überflüssig, würde ich mal sagen. Z3 keine Heimat Z4 die
unschöne adoptierte Obdachlosigkeit. Eigentlich kein Gewinn.
Keine neue Info, kein für mich erkennbares besonderes
Stilmittel. Für mich nur ein Trend zur Effektehascherei.
Ein Drang, der meint, Gedichte würden besser, wenn man sie
mit merkwürdigen bis merkwürdigsten Wortkreationen und
-kombinationen bestückt. Beispiel für S1:

Es drängt mich [strike]raus[/strike]
aus diesem Menschenmeer
das mir nicht mehr Heimat ist
[strike]nur adoptierte Obdachlosigkeit.[/strike]

Das unschöne "raus" nehmen wir auch mal raus
"Es drängt mich aus dem Menschenmeer". Das steckt das "raus"
schon implizit drin.

Ich lege mal eine Ergänzungsliste an:
* oktroyierten? Wieso nicht "aufzwingen"
* xychromosomengetrieben
* brandeisenmarkiert

Bsp:
schwimme ich unerkannt unter Tausenden
xychromosomengetrieben flussauf.

Alt1: treibt es mich unerkannt unter Tausenden flussauf
Alt2: (wenn schon getrieben) schwimme ich unerkannt unter Tausenden
instinktgetrieben flussauf
Alt3: zwingt es mich unter Tausenden flussauf
:

Bsp:

Jede Schuppe auf mir brandeisenmarkiert
mit einer offenen Frage

Alt1: Jede meiner Schuppen trägt eine offene Frage
:

Dann würde ich mir noch einmal genau überlegen, was Du eigentlich
sagen willst, worum es Dir genau geht. Daraufhin den Text
überprüfen und jeden unnötigen Wortballast in den Fluß werfen.
Nicht zu viel Worte, dass der Leser alles vorgekaut bekommt,
nicht zu wenig Worte, dass der Leser sich fragt: "Was soll
das denn".

So, alles als Anregung zu sehen.

Gruß

Thys

hallo thys,

vielen dank für deinen kommentar, für die zeit, die du dir für mich genommen hast und für die vielen anregungen, die mir sicherlich weiterhelfen werden. werde alles auf mich wirken lassen und eine weitere version versuchen...

also nochmals danke und einen schönen abend noch

lg
christel