Fragment

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malashon

Mitglied
Gedichtetes von Liebe



Du bist mein

Du bist mein, ich bin dein,
das soll dir Gewißheit sein.
Du bist beschlossen hin
in meinen Herzenssinn,
verloren ist das Schlüsselein,
du musst auch immer darinnen sein.

(nach einem ganz Unbekannten)



Was soll ich dem voransetzen und neues tun? Ganz neu ist der Liebende, daß es nur ihm so geworden und ist. Vergleichungen hinken an steifen Krücken, sag’ ihm nichts von allen Küssen, die allein schon du gegeben.

Aber das geht so nicht. Einen Stift zur Hand: Jetzt alles anders. Was schreiben jene mir das Herzen aus? Weil sie schreiben konnten.
Allein in schweren Krankheiten hilft es doch nicht, ein Elend hin [dahin] zu wiegen, da sollen mir Erklärungen zur Liebe dienen? Es muß also sein, wenn ich im Staunen lieben kann.

Neu oder ganz verschieden oder für sich allein oder aus den Worten nur begründet – es klingt in keinen überkommenen Maßen. Ein letztes Mal die Alten herzitiert, das war ihr letzter Ton, jetzt stehe ich für mich. Und sie.

Oder nämlich ganz an ihrem Wesen seiend, ich weise mich in Demut hin, das Alles will ich nicht, nicht sein Verständnis, noch Zusagen.

Ich will, daß ihr und mir die Dinge stimmen.



I - gaudium amoris


An einem Tage werd’ ich Rosen pflanzen,
an einem and’ren trag’ ich Einkaufstüten nach.
In einer Stunde kann ich lesen, schlafen
und mir die Sonn’ ins Herz einbilden.
In einer Minute und nur wenigen Sekunden
bin ich dein und auch mein weit’res Tun
ist eigentlich schon dir bestimmt.



Ich kenne Lisa, seit ich denken kann. Das ist nicht so unmittelbar und bereitwillig, als es scheinen mag. Wir waren keine Nachbarskinder und wir spielten nicht unter Birken, daß wir schon groß wären. In zwei Ländern wurden wir geboren und sogar in zweier Zeiten.
Trotzdem kenne ich Lisa, seit ich denken kann und darum liebe ich sie. Das ist genauso unmittelbar und bereitwillig gemeint, wie es heißt.
Lisa ist soundso alt, ich bin jetzt fünfundzwanzig. Es ist eigentlich ganz gleich und doch schon gar nicht. Darin liegt nämlich der Grund, weshalb ich überhaupt von Lisa schreibe – sonst liebte ich sie einfach.
Ich lilaliebte sie, hüpfte mit ihr den Strand entlang und versteckte mich hinter Fliederbüschen, daß sie mich fände natürlich. Wir wären dann endlich und bestimmt wenigstens Nachbarn; wir spielten unter Birken, daß wir wieder Kinder wären.
Lisa ist wunderschön und ich werde keine schönere Frau mehr kennen. Das ist der Punkt, daß ich es nicht werde. Ich habe hierbei eine Entscheidung getroffen, worin keine Abwägung vonstatten ist. Zuletzt sind es immer nur Gefühle. Daran kann man nichts erklären. Eine Ursache müßt’ für einen Anlaß gelten und ihr hübsches Gesicht wäre eine Bedingung.
Zur Liebe und ihren Gepflogenheiten, wenn sich die Zeiten aneinander reihen? Daß es mir eine Lisahandlung im Leben gäbe, von dem einen zum anderen Akt bis ein kleiner Applaus gelungen - für die Hauptdarsteller: sie und mich?

Eine solche Geschichte von Liebe beginnt dann vielleicht mit einem Anfang. Denn auch das ist noch nicht ausgemacht. Wieviel Hinführendes, Anrührendes ist da zuvor, was sich schon an Beider Seelen geschmiegt hat? Leise und still, weil dort manches nicht glaubhaft gewesen ist, daß nur einmal möge sein.

Daß es mit Lisa so und im Anfang nur ein behutsames Lächeln war. In ihren Augen nahm es sich unscheinbar aus, ein weniges mehr an Freude wollte sagen:
- Was bist Du nur?
Die unbeholfene Geste ihrer Hände, das fragende Anheben der Innenseiten, das gleitende Spreizen der Finger, zu einem sprechenden Zeichen gebildet:
- Laß es doch sein. Nimm mich bitte nicht für dich.
Bald in einem mehreren Hingleichen der Lippen:
- Nein, ganz will ich dich nicht fortgeben – für immer also. Aber jetzt stiehlst du mir meines nicht, nicht für diesen Augenblick.
Und so lächelte sie dann, lächelte Lisa in eine fremde Welt, ihre nicht, meine nicht mehr, doch an der Welt vorbei; deshalb behutsam und unscheinbar.


So ist es nicht gewesen! Überhaupt wollte ich mir nur ganz wenig in ein Geschehen abbilden können. Dort standen wir unterm Eifelturm und malten uns die Welt parisienne oder jeden zweiten Sonntag spazierten wir den Rhein entlang: Die Sonne scheint, ich will dich küssen. So ist es nicht gewesen, weil ich von Lisa – und eigentlich sie dann ja auch von mir – nie mehr hatte als einen Abend. Dieser eine Abend, begonnen im platanenduftenden Wiesbaden eines Sommeraugustes; doch es war lange dahin und noch so sehr nach jedem Anfang, den es vielleicht einmal im Beginnen gegeben haben mag.

Aber gewiß kein Ende. Eine wirkliche Geschichte von Liebe kennt gewiß kein Ende. Sonst wäre ja alles gelogen. Die Küsse, die Berührungen, die Gedanken. Vor allem die Gedanken. Sie sind nicht einfach so. Als dürften sie hier, und da nicht hingehören. Sie sind die Hauptsache. Sie sind vielleicht auch wieder, daß ich überhaupt von Lisa schreibe – eine einzige Beschwörung dieses wortumkleideten Fühlens: nichts Vernünftiges und Klares:
- Bitte, einmal die Uhrzeit meines Herzens möcht’ ich wissen. Die Lisazeit.
- Nein, mein Herr, die gibt es nicht in Zeigerdreh’n und Zahlen.


Ich denke immer nur an Lisa. Das heißt so viel, heißt viel mehr, als daß ich mit jedem kleinen Einmaleins meines Weltberührens von ihr wüßte: Durch sie und das macht die Sehnsucht, macht, was sie nicht ist – bei mir sein.

Schon spät ist es und ich bin immer noch in dich verliebt. Keine Uhr nimmt mich von deiner Lisazeit, hemmt mir das Liebesfließen - der Sand rieselt leis' im Stundenglas.
Draußen ist's kalt, ich möchte dort nicht sein - der Winter kühlt mich nicht. Du hast mich einmal wachgeküßt, ich möchte nicht mehr schlafen. Deine Augen sind Regentropfen, ich weine sie, weil's kalt ist und schon spät.
An einem Tage ohne Regen hast du mich zur Mittagsstunde wachgeküßt, ich nehme deine Hand und atme deine Haare, deinen Hals und deine Brüste. An einem Strand aus Meeresregen troff mir mein Haar von dir und deinen Regentropfenaugen: Ich küße deine Lippen, du hast mich wachgeküßt:
Ich liebe dich auch an dem goldenen Blau deiner Sonnenscheinaugen - ich seh’ sie nicht: Wach auf, es ist schon Sommer, ich wein' nicht mehr -
ich habe deine Hand im Regen noch gehalten.


Manchmal möchte ich dann Lisa vergessen. Daß es wieder so ist, als ich sie nicht kannte und mir ein Mohnkelchtupfer nur den Sommer anzeigte, zu trinken den duftendgoldenen Weizen, neben dem er seine traumesrote Farbe hinkleckst, als könnte es damit alles gut sein. Dann denke ich an die Weiten der Mark Brandenburg, wo ich unter knorrigen Buchen alleine war, den Kopf voller Abenteuer und sollte es schon der Mississippi sein, die Abende waren so lange vor den Schlaf hingeschoben und es war gar nicht schlimm in den Versuchungen des Tages: Wie spät ich erst träumen sollte. Und von der Liebe. Ich möchte dann manchmal Lisa gar nicht mehr vergessen. Weil mir alles, was ich einmal für mich hatte und gegen jeden sonst vermeinte beschützen zu müssen, auf einmal so sehr wert ist, es ihr zu erzählen, zuzuflüstern, leise, ganz leise vorzusagen. Nicht einfach so hin, sie könnte mich zusammenpuzzeln und an die Wand hängen oder sie weiß nun von mir, was ich in Listen schreibe - unter Wünsche dies und unter Ängste jenes. Ganz anders. Ich liebe Lisa nämlich. Und dann habe ich diesen unscheinbaren Bindfaden in meiner kleinen Lebensgeschichte verwoben, so sanft, wie es die Lilienfeen Caeciliens tun und abseits jeden groben, roten Stricks, der durch die Ankertaue geht, schwerverwunden und moosbesetzt, wenn sich welche anschicken, alles zu verstehen und auch den letzten Winkel mit einer Gewißheitsflagge aufzuspießen. Blau ist das Meer. Und dieses dünne Fädchen verbindet meine Erinnerung und knüpft sie neu. Denn seit ich Lisa kenne, scheint mir, daß ich noch gar nicht recht auf dieser Welt war – bei mir jedenfalls. Und was ich darum erlebte und mir in kleinen Seelenschubkästchen einteilte: Ich muß ja jede einzeln aufreißen und nachschauen, ob, was überhaupt darin ist, noch von einiger Wichtigkeit sein kann, wenn ich neben ihr liege im hohen Gras und sie mich anschaut. Und sie dann wissen möchte, was sie mir nun bedeute, weil wir doch beide soviel in dieses Spiel setzten, soviel Mut und Stolz darein bringen, denn Lisa ist jetzt soundsoalt und ich bin es fünfundzwanzig.
Und dann möchte ich Lisa nie mehr vergessen. Weil es eigentlich nie war, daß ich sie nicht kannte. Weil jetzt doch alles Schöne nur für sie ist. Und sie mir alles Schöne.

Ich mache mich ganz klein, so klein, daß ich in einen Fingerhut paß', und winzig nehm' ich Anlauf, spring darin herum, hinauf die Wände, roll' über den Boden - ich bin so froh, daß ich so klein an deiner Schönheit bin.
Dann lese ich mich groß in staubigen Bibliotheken, wälze dicke Bücher Maimonides und Trismegistos, altes Wissen, das keiner noch kennt, von Weltweisen und Weltzeiten, aber nur ein kleines Bändchen, purpurnenrot, ganz gering vor der schwellenden Brust einer Allerkenntnis, da liegt's bescheiden und klein - ich bin so froh, daß ich so groß an deiner Schönheit bin.
Ich leg' mich mittenrein, nicht zu klein und nicht zu groß: Die Bäume über mir sind groß und die Walderdbeeren - dort, sie sind klein, winzig klein und rot und die Bäume groß, erhaben groß und grün und goldenschimmerfroh und rauschen und raunen und flüstern den Wind - ich bin so froh, ess' eine kleine, winzigkleine Walderdbeere, lausch' dem Blättersingen, blinzle in das gold'ne Scheinen, denk‘ an dich, deine Lippen, erdbeerrot, Deine Haare, sonnenhell, deine Stimme, blattklangesschön - ich bin so froh, daß ich so mittendrin in deiner Schönheit bin.


Was weiß ich dann noch, warum ich Lisa liebe. Dann, wenn mir alles andere so fern ist und mir jeden Maßstab nimmt – Und vom Glück? Das hängt ja nur an sich! – jeden Maßstab nimmt, einmal etwas auszumachen, das eine Tatsache ist. Und ich bin darüber in einer tiefen Verwunderung, daß sie mir selbst, wenn keines nur hier bleibt, einen Grund gibt. Wie der cyaphingelbe Buchstabe weit im Beginn des Alphabetes, wo doch die ganz wichtigen sein müssten, das Syokralweiß und die Malashonblütenreinheit. Aber irgendwer hatte sich besonnen – und waren es nicht die alten Griechen mit ihrem Stolz gleich einem Statuenprofil: gewichtig und wissend? – nicht zuvor allem, aber auch nicht weit davon soll es etwas geben, das anders ist. Und so sehr habe ich es an Lisa. Wer gar zu schnell anhebt und blindlings abd sagt, zwei mal vier und Pusteblume, der rennt fort und weiter, holtertdipoltert über Besonderungen für Unwegbarkeiten und keine calimaren Cliotaphoren werden je seine Lippen berühren. Unterm Sternenhimmel war’s zum Abschied fast.

...


timor amoris


Ich habe Angst,
Angst vor der Nacht,
Angst vor der Nacht:
ich werde fertig gemacht.



Und sind doch Lisazeilen. Und sind doch nicht falsch. Sie ist nicht bei mir – ich werde sie nie mehr sehen.
Das zerreißt mir beinahe die Seele. Oder: Das zerreißt beinahe meine Seele. Es ist ja meine. Der Schmerz macht mich ungerecht. Das darf nicht sein. Was ist das für ein Haufen Menschleinselend. Daraus muß ich kommen. Einen Zweck herbei und in die Zufriedenheit will ich gelangen, daran mich versucht zu haben. Weil mich nichts Äußeres bedrückt und ein dunkler Kontinent meinen Bauch dick schwären läßt und der Hunger mich auffrisst und die Sonne unter Akazien, unter Giraffenbeinen, unter dem gleißend klaren, unverhehlenden Himmel und eine Geschichte wird mir zur Gewahrsamkeit:

Eine kleine Zufriedenheit soll mich beglücken. Soll mich beglücken? Diesen Sprung wagen: Daß ich mich aus diesem Hinschauen auf Schlimmeres – in Schicksal und Vortrefflichkeit – aufschwinge in eine Sinnhaftigkeit: Mein Leben ist nun schön auch ohne sie – Lisa, meine Lisa.

Ich wünsche mir einen Sommer her, wann ich an einem See liege, nein, zuerst nur ein Teich, ein Teichlein:

In einem Sommermonat Libelle
auf einem wunden Flügelschlag
ertrank ein kleines Kind
im blauen Teich Libelle.


Dort ist meine Liebe ertrunken [...]. Und ich liege im weichen Gras, die Sonne scheint auf mich allein. Ich möchte Odysseus sein mit nervichten Armen und breiten Schultern, das Leben zu tragen mit List und Schläue. Das macht Eindruck. Dort drüben sind junge Frauen im Gras. Sie sehen nicht meine Traurigkeit; es ist doch Sommer noch. Und sie blicken bloß auf meine nervichten Arme und breiten Schultern.
(…)
Ich merkte ihre Blicke und die Sonne auf mir allein. Und mit den Libellenflügelschlägen und dem Zinnoberrot:

In einer Schilf und Binsenweisheit
schwirrte mir am späten Uferstrand,
am frühen Sommerabendhimmel
ein hinkendes Zinnoberrot


wenn sich dann alles herniedersenkt. Eine Lust ist in dieser Zeit, wenn sich aus dem weichen Gras eine Aussicht bietet auf den Teich. Das Wasser umspielt ... und schmiegt sich sanft zur Böschung hin. Darin ist leichtes Verstecken: Teichnymphen: Kennst Du den Pan, den schlimmen, der Syrinx jagt’ in Liebeswut, d’rum sie als Stimmenspielen säuselt. Wehmütig, jammernd, zur Beruhigung? Beruhsamkeit und Ruhe?

- Ruhe, du schlimmer, schlimmer Pan. Du bekommst meines nicht, nimmermehr.

Ich werde Lisa nie mehr sehen. Die jungen Frauen sehen meine nervichten Arme und Beine, sehen meine breiten Schultern und glauben, ich trage viel. Ja, das tue ich. Aber soviel, daß ich sie nicht küssen kann in der Teichwiesenweichsamkeit: Ich habe unter der zinnoberoten Sonne ein Seelenzerreißen: Ein Arzt für mein Befinden!
 
M

Mitternachtszugnachparis

Gast
Malashon,

Du schreibst so schön, dass Du mein Herz dabei in Deine Hände nimmst. Lisa. Umgedreht würde es Asil heißen. Eine versteckte Botschaft. Asil, afghanisch für Liebste.
 



 
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