Für den, der’s wagt

4,20 Stern(e) 5 Bewertungen

Walther

Mitglied
Für den, der’s wagt


Bin kein Objekt, bin mehr als nur Fassade.
Ich bin ein Haus, mit Fenstern und mit Mauern
Und werde diesen Sturm, dies Heute überdauern.
Dran glaub ich fest und stark und geh gerade

Hin durch diese Tür, wo meine Feinde lauern.
Denn Kampf und Niederlag, sie sind kein Schade
Für den, der’s wagt. Tief drinnen, wie in einer Lade,
Trag ich das Herz für alle die, die trauern.

Warum soll vom Hoffen ich, vom Glauben lassen?
Wer kennt den Sinn des Lebens ganz genau?
So wie es zwecklos ist, den Anderen zu hassen,

So sind die Weisen nicht aus purer Härte rau.
Ich will mich nicht aus Furcht und Hast verpassen.
Aus der Erfahrung nur wird meist der Denker schlau.
 

Dorothea

Mitglied
Lieber Walther,

schon wieder ein Text von Dir, der mir sehr gut gefällt. Die klassische Form ist gut gelungen, und die Aussage drückt Vieles aus, wohinter ich mich stellen kann.

"Bin kein Objekt, bin mehr als nur Fassade." Diese Aussage ist heute so nötig, wo der Mensch für die Verbesserung von Aktienkursen einfach so >>verschoben<< wird.

Auch gefällt mir die ruhige Selbstgewissheit des Protagonisten, obwohl nicht ganz deutlich wird, woher sie ihre Wurzeln bezieht.

"Ich will mich nicht aus Furcht und Hast verpassen." Diese Zeile spricht mich ganz besonders an, während ich (zugegebenermaßen) etwas hilflos stehe vor
"Trag ich das Herz für alle die, die trauern."

In der letzten Zeile wird der "Denker" herausgestellt. Da rührt sich bei mir ein klein wenig die Skepsis, wenn ich ehrlich bin. Denn ich fand heraus, dass manche Probleme nicht denkerisch zu lösen sind, weil ihre Ursprünge in noch tieferen Schichten als der Ratio wurzeln, und ihre Lösung daher auch nicht ausgedacht werden kann.

Aber gerade wegen der kleinen Reibeflächen regt mich der Text zum Nachdenken an. Ich habe ihn sehr gern gelesen.
 

Walther

Mitglied
Ursprünglich veröffentlicht von Dorothea
… "Bin kein Objekt, bin mehr als nur Fassade." Diese Aussage ist heute so nötig, wo der Mensch für die Verbesserung von Aktienkursen einfach so >>verschoben<< wird. …
Liebe Dorothea,

wenn Du jetzt hörst, dass ich selbst ein gar nicht so ganz kleines „Unternehmen“ leite, wird Dich diese Äußerung und meine Zustimmung zu Deiner Meinungsäußerung evtl. ein wenig wundern. Es ist in der Tat sehr beklagenswert, dass nur noch in materiellen Strukturen gedacht wird. Dabei gibt es Dinge am Menschsein, die nicht in Geld und Gold auszudrücken sind. Irgendwie ist die Verdinglichung unseres ganzen Lebens, die Überbewertung des Hier und Jetzt, die Glaubenslosigkeit selbst, die große Tragödie unserer Zeit.

Ursprünglich veröffentlicht von Dorothea
Auch gefällt mir die ruhige Selbstgewissheit des Protagonisten, obwohl nicht ganz deutlich wird, woher sie ihre Wurzeln bezieht. …
Selbstgewissheit? Nun, vielleicht ist das auch nur das laute Rufen des Einsamen im Walde, dessen hoffentliches Echo dann den Mut geben soll, der von selbst nicht kommen kann. Sagen wir es anders: Nur der Glaube an Etwas über uns, und damit an uns selbst, kann uns die Kraft geben, auch in schwierigen Lebensphasen zu bestehen.

Ursprünglich veröffentlicht von Dorothea
"Ich will mich nicht aus Furcht und Hast verpassen." Diese Zeile spricht mich ganz besonders an, während ich (zugegebenermaßen) etwas hilflos stehe vor
"Trag ich das Herz für alle die, die trauern." …
Zur Verkümmerung unserer Gefühlswelt gehört auch, dass die Übernächstenliebe, befeuert durch die Medien, die Nächstenliebe überwältigt. Den Ellenbogen nach innen scheint reziprok die Spendenbereitschaft für die entfernt Leidenden zu entsprechen. Das soll keine Kritik an der überwältigenden Spendenbereitschaft in unserem Land für die Tsunami-Opfer in Asien sein, im Gegenteil. Was merkwürdig berührt, sind die gleichzeitig steigende Mitleidslosigkeit gegenüber den chronisch Kranken und Zurückgesetzten in unserem Land, die immer noch zunehmende Kinderlosigkeit und die immer noch steigende Entwertung aller sozialen Taten, die Menschen nur um anderen Menschen willen tun.

Daher trage ich in mir ein „Herz für die, die trauern“. Und versuche das auch in Spenden und Werken für den Nächsten zu zeigen. So gut man das in einem Leben eben kann.

Ursprünglich veröffentlicht von Dorothea
… In der letzten Zeile wird der "Denker" herausgestellt. Da rührt sich bei mir ein klein wenig die Skepsis, wenn ich ehrlich bin. Denn ich fand heraus, dass manche Probleme nicht denkerisch zu lösen sind, weil ihre Ursprünge in noch tieferen Schichten als der Ratio wurzeln, und ihre Lösung daher auch nicht ausgedacht werden kann. … .
Das Einzige, was wir tun können, um die Welt zu bessern, ist „Denken“ und „Glauben“. Denken ist die Arbeit der Erkenntnis. Und „Glauben“ ist die Richtschnur, dass da mehr ist als man selbst. Nun hat selbst Einstein schon festgehalten, dass Intuition allenfalls 5% der Erkenntnis ausmache. Der Rest ist durch Fehler und Irrtum, durch Wagen und Niederlage, so hat der Dichter das hier genannt, zu erleiden bzw. zu erarbeiten. Und deshalb sind auch Niederlagen kein Schaden, sondern unvermeidlich auf dem Weg zum Fortschritt, zur Verbesserung unserer unvollkommenen Person und der sie umgebenden, unvollkommenen Welt.

Ursprünglich veröffentlicht von Dorothea
… Aber gerade wegen der kleinen Reibeflächen regt mich der Text zum Nachdenken an. Ich habe ihn sehr gern gelesen. …
Vielen Dank für Dein Lob. Und wenn Du jetzt noch eine gute Bewertung einträgst, dann freue ich mich umso mehr. :D Denn Lob braucht der Dichter, auch wenn er ganz anders tut. ;)

Danke für Deine Geduld mit mir und meinem Text.

Liebe Grüße

W.
 

Dorothea

Mitglied
Lieber Walther,

herzlichen Dank für die ausführlichen Erklärungen zu Deinem Gedicht! Die erbetene Bewertung kann ich leider nicht abgeben, weil ich das vorliegende System und den Umgang damit zu den größten Ärgernissen in der LeLu zähle.
Um so mehr möchte ich meiner Freude über den anregenden und sehr gelungenen Text Ausdruck verleihen.
 

MDSpinoza

Mitglied
"Aus der Erfahrung nur wird meist der Denker schlau."

Ich wüßte beim besten Willen nicht, was an diesem Satz falsch sein sollte. Denken heißt, seine Umwelt zu betrachten, zu erfassen und zu analysieren. Aus den Erfahrungen kann man lernen. Nur der Verstand hilft einem Menschen, in dieser Welt zu (über- auch, aber nicht nur) leben. Nicht der Glauben hat uns von den Bäumen geholfen, sondern das Denken. Mit Glauben alleine säßen wir immer noch in der Savanne, würden den mittlerweile verschwundenen Bäumen nachtrauern und versuchen, vor den Löwen wegzulaufen.
 

Walther

Mitglied
Ursprünglich veröffentlicht von MDSpinoza "Aus der Erfahrung nur wird meist der Denker schlau."

Ich wüßte beim besten Willen nicht, was an diesem Satz falsch sein sollte. Denken heißt, seine Umwelt zu betrachten, zu erfassen und zu analysieren. Aus den Erfahrungen kann man lernen. Nur der Verstand hilft einem Menschen, in dieser Welt zu (über- auch, aber nicht nur) leben. Nicht der Glauben hat uns von den Bäumen geholfen, sondern das Denken. Mit Glauben alleine säßen wir immer noch in der Savanne, würden den mittlerweile verschwundenen Bäumen nachtrauern und versuchen, vor den Löwen wegzulaufen.
Lb. MDSpinoza,

dem will ich nichts hinzufügen, außer: Aus "Glauben" und "Denken" wird ein Paar, wenn man Max Planck folgt, der sinngemäß gesagt hat: Die Erkenntnis, das Denken, brauchen wir dafür, um die Welt zu verstehen. Den Glauben, oder auch andere Leitlinien, brauchen wir, um in der Unwissenheit und Ungewißheit, in der wir uns auf absehbare Zeit befinden, dennoch zu handeln.

In diesem Sinne meine besten Grüße an Euch und für Euch

W.
 



 
Oben Unten