Gedankenverloren

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Rautenhaus

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Gedankenverloren

Kennen Sie das auch ? Sie sitzen vor einem weissen Blatt Papier, den Stift in der Hand und wollen einen Roman schreiben. Einen echten Klassiker, einen Bestseller. Und was passiert ? Ihnen fällt nichts ein. Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes ein Brett vor dem Kopf.

Gedankenverloren sehe ich aus dem Fenster. Blauer Himmel. Vereinzelt zieht eine Wolke vorüber. Ich stelle mir vor, die große weisse Wolke ist ein riesiges grosses Luftschiff auf seiner Fahrt, das Böse zu bekämpfen. Mutig und zum Kampf entschlossen, steht der Kapitän am Bug des Schiffes und hält Auschau nach dem unsichtbaren Gegner. Dort. hinter den Wipfeln des angrenzenden Waldes taucht plötzlich eine dunkelgraue Wolke auf. Der Kapitän der weissen Wolke gibt den Befehl zum Angriff. Donnernd feuert die weisse Wolke eine Salve auf die graue Wolke, woraufhin sie in tausend kleine Wolken zerfällt und und es zu regnen beginnt. Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, denn der Regen entpuppt sich als Plätschern des Wassers aus der Dusche unter der meine Frau gerade steht und nach dem gelben Frotteehandtuch verlangt. Ich habe wieder mal geträumt und mir ist immer noch nichts eingefallen, was ich schreiben soll. Als ich meiner Liebsten das Handtuch reiche, fragt sie mich, ob ich mir schon Gedanken über das Abendessen gemacht habe, aber mir fällt partout nichts ein. Grübelnd gehe ich wieder ins Wohnzimmer und setze mich in den Ohrensessel und überlege mir, wie ich meinen Roman beginnen soll. Ach, ich sollte mir doch noch etwas zum Essen überlegen. Wo bin ich nur mit meinen Gedanken. Abendessen, ja. Ein Stück Fleisch wäre nicht zu verachten. Vielleicht Schwein ? Oder doch lieber Rind ? Ich stelle mir ein Leben als Rindvieh ziemlich grausam vor. Ein ganzes Leben nur auf der Wiese, nur Gras fressen, um irgendwann wenn es dem Bauern gefällt geschlachtet zu werden, damit der Mensch etwas zum Essen hat. Aber so ist das Gesetz der Natur. Fressen und gefressen werden. Wie wäre es wohl, wenn die Tiere die Macht hätten. Wie in Orwells "Farm der Tiere". Wieder sehe ich aus dem Fenster. Draussen geht ein alter Mann mit seinem Hund spazieren.Plötzlich wächst der Hund zu ungeahnter Grösse. Er ist jetzt doppelt so gross wie der alte Mann. Er legt den Greis in Ketten und treibt ihn mit einem Stock vor sich her. Tiere an die Macht. Was wäre, wenn Tiere reden könnten ? Sie würden uns so manches Mal eines Besseren belehren. Vielleicht könnten sie uns überzeugen, dass es unrecht ist, so über sie zu bestimmen. Über Leben und Tod die Macht zu haben. Draussen pinkelt der Hund gerade an mein Auto und ich rufe dem alten Mann zu, er solle seine Töle besser im Griff haben und schleunigst mit dem Vieh verschwinden, bevor ich es mir anders überlege und ihn wegen Sachbeschädigung anzeige. Da bemerke ich, dass ich nichts besser bin. Auch ich herrsche über die Tiere. Bin ich denn etwas Besseres ? Habe ich denn eigentlich das Recht dazu ? Mit nichten. Die Realität hat mich wieder. Ich war mit meinen Gedanken wieder ganz woanders. Wo war ich stehen geblieben ? Ach ja, ich wollte einen Roman schreiben. Ich schaue zur Wohnzimmertür herüber, um den Geräusch nachzugehen, das vom Flur zu kommen scheint. Die Tür öffnet sich und eine dralle Blondine in einem blauen Pailettenkleid kommt herein. In de Hand hält sie eine Flasche Champagner. Dom Perignon. Ein Champagner mit Charakter. Mein lieber Mann, sie sind beide nicht zu verachten. Die Blondine fragt, ob sie mich auf ein Gläschen einladen darf. Ich bin natürlich nicht abgeneigt, als mich meine Frau fragt, ob es mir nicht gut geht und mir eine Tasse Ostfriesentee reicht. Ich werde aus meinen Gedanken gerissen und meine Wangen beginnen leicht zu glühen. Ich habe mich wieder hinreissen lassen. Wie konnte ich nur meine Frau, ach was sage ich, die beste Frau der Welt, mit so einem Flintenweib in Blau verwechseln. Was einem so manches Mal alles durch den Kopf schwirrt. Meine Frau lässt mich mit einem süssen Lächeln allein und ich widme mich wieder dem weissen Blatt Papier. Vielleicht sollte ich erst mal einen Schluck heissen Tee trinken. Ah, das tut gut an diesem tristen Novembertag. Ich beisse von dem Keks ab, den mir meine Angetraute zum Tee serviert hat. Knirschend kaue ich den Keks, und es hört sch an, als ob das Haus einstürzt. Oh Gott ! Ich muss alles in Sicherheit bringen. Wo ist nur meine Frau ? Unser kleines Kanninchen sitzt bestimmt voller Panik hinterm Bücherregal und versucht sich in Sicherheit zu bringen. Ich muss es um jeden Preis retten. Und wenn es mein eigenes Leben kosten sollte. Ich springe auf und reisse voller Panik die Wohnzimmertür auf, um den Trümmern zu entkommen. Meine Frau steht schreckensbleich vor mir. So schnell hatte sie mich erwartet. Sie wollte nur ins Wohnzimmer kommen, um mich zu fragen, was denn jetzt mit dem Abendessen sei, aber anscheinend sei ich mit meinen Gedanken wieder ganz woanders. Wie recht sie doch immer hat. Mit wild schlagendem Herz begebe ich mich wieder zum Ohrensessel und beruhige mich erst einmal wieder. Schließlich will ich doch noch vor dem Essen mit meinem ersten Roman beginnen. Wieder gleitet mein Blick nach draussen.Der Himmel zieht sich zu. Die Bäume des Waldes an dem wir wohnen wirken bedrohlich. Die kahlen Äste sehen aus wie riesige Arme. Und plötzlich greift die grosse Eiche mit ihren dürren kahlen Ästen nach mir. Die Scheiben splittern und die Greifarme kommen bedrohlich nahe und wollen mich packen. Ich sinke immer tiefer in den Sessel. Der Baum greift über mich hinweg. Ich ducke mich und springe aus dem Sessel, um nach einer Waffe zu suchen. Da klirrt es schon wieder. Ich höre meine Frau in der Küche fluchen. Es war die Salatschüssel die zu Bruch gegangen ist. Die Realität hat mich wieder. Ich beruhige meine Frau und fege die Scherben auf. Plötzlich sehe ich tausend Münzen auf dem Boden liegen und ich fege wie ein Verrückter das Geld zusammen. Ich bin Dagobert Duck. Nachdem ich alles Geld zusammengerafft habe, bringe ich alles in den großen Geldspeicher im Keller. Ich finanzieller Hinsicht bin ich ein Raffzahn. Aber war in der Werkstatt nicht eben ein Geräusch ? Ich nehme den Schraubendreher und pirsche mich an den Bösewicht heran. Vorsichtig drücke ich mit dem Fuss die Wekstattür auf. Ich hebe den Arm mit dem Schraubendreher in der Hand. Bereit zuzustechen. Jürgen dreht sich um und wünscht mir einen guten Abend. Was ich denn von einer gekühlten Flasche Bier halten würde. Ich lasse heimlich den Schraubendreher in meiner Gesäßtasche verschwinden und sage nicht nein. Zischend öffnet Jürgen zwei Flaschen mit kühlem blonden Gerstensaft. Und Zisch, und Klack und Prost !
Ich muss erst mal auf die Toilette und lasse mich auf die Klobrille nieder. Auf dem stillen Örtchen kann ich meine Gedanken sammeln und wieder klar denken, um den Kopf frei zu kriegen. Schließlich wartet mein erster Roman auf mich. Ein paar Zeilen will ich heute schon noch zu Papier bringen. Aber vielleicht sollte ich mich zunächst erst einmal stärken und zu Abend essen. Doch mit einem Mal kribbelt es von unten an der linken Pobacke. Der Schreck fährt mir in die Glieder. Eine pelzige Kanalratte schnappt nach meinem Allerwertesten und will mich in die Tiefe ziehen. Ich sitze schon tief drinnen in der Toilettenschüssel. Meine Beine schnellen in die Höhe Ich sitze im Becken fest. Von unten zerrt die Ratte immer stärker an meinem Hosenboden. Ob ich hier je wieder rauskomme ? Ich halte mich krampfhaft am Papierhalter fest und leiste dem Nager unter mir erbitterten Widerstand. Die Stimme meiner Frau reisst mich aus meinen Gedanken. Wenn sie das Essen noch länger warmhalten muss, gibt es zum Essen verkohlte Steaks und schwarze Kartoffeln. Sie bittet mich inständig, mich von meinem Thron im Badezimmer zu erheben und endlich zum Abendessen am Küchentisch zu erscheinen. da bin ich doch glatt auf der Toilette eingenickt. Ich putze mir flugs den Popo ab und spreche das Tischgebet. Lieber Herr im Himmel, wir danken dir für das, was du und bescheret hast. Piep, Piep, Piep ! Guten Appetit !
Mann war das ein Tag ! Jetzt aber ab ins Bett.
Ich ziehe mir die dicke Bettdecke bis über die Ohren. Den Gutenachtkuss meiner Frau bekomme ich nur noch im Halbschaf mit. Der Tag hat mich doch ganz schön mitgenommen. Ich gleite ins Reich der Träume.
In der Wohnung ist es still. Nur der Kühlschrank surrt vor sich hin. Da ! Ein Geräusch aus dem Flur lässt mich hochschrecken. Panisch öffne ich die Augen, die sich in der Dunkelheit erst mal an die Schwärze der Nacht gewöhnen müssen. Plötzlich bemerke ich einen Schatten der vor meinem Bett steht. Na warte Freundchen, dir werde ich es zeigen. Ich greife langsam hinter meinem Kopf und packe den Zipfel meines Kopfkissens. Ich hebe meinen Kopf an und ziehe es hinter meinem Haupt hervor und schleudere es dem Bösewicht mit voller Wucht entgegen. Rrrums ! Das war Schlafzimmertür. Jetzt ist auch meine Frau wach. Mit grimmigem Blick schaut sie mich an, dreht sich um und schäft weiter. Ich hole mir mein Kopfkissen zurück und lege mich wieder hin.

Nun sitzen wir endlich am Abendbrottisch und lassen es uns schmecken. Meine Frau hat wieder vorzüglich gekocht.

Meine Frau sagt mir, wie schön doch der Weihnachtskaktus blühe und ich denke mir nur, was ich denn für eine blühende Phantasie habe. Vielleicht sollte ich meine Gedanken mal in einem Roman niederschreiben, was meinen Sie ?
 



 
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