Gott lachte
Das Leben ist beschissen. Dieser Satz schoss ihm immer wieder durch den Kopf, während er durch die verregnete Nacht trottete. Immer wieder nur: Das Leben ist beschissen. Sein Blick blieb an den grauen, dunklen Häuserfassaden hängen und immer wieder überkam ihn bei diesem Anblick ein Gefühl, als würde seine Kehle zugeschnürt werden, als hielte jemand sein Herz in der Hand und würde ganz langsam zudrücken. Als wäre seine Seele ein Stück Fleisch, gespickt mit Nägeln und Glasscherben. Der Regen, der auf ihn herabprasselte, war wie Tausende von Peitschenhieben, die unbarmherzig auf ihn niederstürzten, ihn zu zerfetzen, sein Fleisch bloßzulegen und seinen Willen zu brechen.
Gott lachte. Gott lachte, lachte ihn aus, amüsierte sich köstlich über seine Hoffnungslosigkeit, schüttete sich förmlich über ihn aus und die Regentropfen waren die Schadenfreudetränen, die sich über ihn ergossen.
Er wusste, er würde irgendwann sterben, er sehnte sich diesen Augenblick herbei, wünschte sich, auf der Stelle tot umzufallen, endlich schlafen zu können. Hätte es einen Unterschied gemacht? Würde es irgendjemanden interessieren? Bestimmt nicht. Niemand aus dieser Welt würde ihm nachtrauern, niemand würde sich seiner erinnern und ein paar Stunden über seinen Verlust traurig sein. Niemand vergoss seinetwegen Tränen. Niemand, außer Gott, der bösartig kichernd im Himmel saß. Doch seine Tränen waren böse Tränen, sie brannten auf der Seele, sie vergifteten Flüsse, sie erfroren Herz und Seele.
Sterben... einfach nur sterben, jetzt und hier, auf der Stelle. Doch so gnädig war Gott nicht, das war ihm klar. Er würde sich doch nicht selbst die beste Show an diesem Abend vermiesen.
Wie sollte er in dieser Welt leben können? Wie sollte er jeden einzelnen Tag in dieser bösartigen, hinterlistigen und grausamen Welt überleben können? Für Träumer, wie ihn war darin kein Platz und in seiner Welt war kein Platz für eine zweite. Seine Konzentrationsschwäche, die ihn immer wieder in seine Traumwelt abdriften ließ, war sein einziger Zufluchtsort, doch er war gezwungen, in der realen Welt zu leben und seit er Medikamente nahm, um sich besser Konzentrieren zu können, blieb ihm dieser Zufluchtsort verwehrt. Unfähig, sich in Tagträume zu flüchten, die Augen und Ohren vor dem wirklichen Leben zu verschließen, musste er immer wieder die Grausamkeit und Falschheit dieser Welt erkennen. Er erkannte, dass er umgeben war von Hirntoten, die nur noch Konsumierten, die sich jeden Tag die selbe Scheiße unter einem anderen Namen servieren ließen, die wie gelähmt vor ihren Fernsehaltären saßen und zweifelhafte Halbgötter anbeteten: Prominente, Schauspieler, Supermodels, schlechte Musiker, Musikproduzenten, Fernsehrichter, gefälschte Nachrichtensprecher, Talkshowmoderatoren. Umgeben von Leuten, die sich verarschen ließen und dafür noch Geld zahlten. Und es machte ihn krank, zu wissen, dass er nichts daran ändern konnte. Es machte ihn krank, zu wissen, dass er niemals dazu gehören würde, dass er immer dazu verdammt war, anders zu sein. Er ertrug es nicht, ein Individuum zu sein und doch nur, wie eine Nummer unter vielen behandelt zu werden.
Nein, niemand würde um ihn weinen. Höchstens seine Eltern würden trauern, doch hatten sie ihn letztendlich doch selbst dazu getrieben. Seine Probleme waren nur das Produkt der Probleme, die sie miteinander hatten. Sie waren es, die ihm das Messer zwischen die Rippen bohrten und ihn dann aufforderten, mehr Leben zu zeigen, sich nicht so hängen zu lassen. Hätten sie doch nur verhütet! Wäre er doch damals im Krankenhaus gestorben, als er Wasser in die Lungen bekam! Hätte seine Mutter es nur durchgezogen, als sie ihm ein Kissen aufs Gesicht drückte, weil er nachts mal wieder zu Laut schrie! Ja, sie würden um ihn Trauern, doch er konnte kein Mitleid für sie empfinden. Sie waren es, die ihn in diese böse Welt gesetzt hatten, die ihm das Leben schenkten, das er niemals wollte. Hätten sie ihn wenigstens zu einem durchschnittlichen Idioten erzogen, hätten sie ihm nicht beigebracht, zu denken, dann wäre es gar nicht so schlimm. Er wäre dumm wie Brot aber glücklich gewesen. Und dankbar, ach wie dankbar wäre er gewesen für jeden einzelnen Tag, an dem er sich keine Gedanken um das Geschehen in der Welt machen müsste, sondern einfach nur sein Abendessen in sich hineinzuschlingen und die Worte der Nachrichtensprecherin nicht zu verstehen bräuchte.
Es war beschlossen. Er würde es heute beenden, endgültig. Er würde zuende bringen, was seine Mutter vor Jahren nicht machen konnte. Er hatte genug von der Welt und diesem Leben, von der Gesellschaft, die ihn nicht akzeptieren wollte, wie er war und von der Gewissheit, sein, an die Gesellschaft angepasstes Ich, zu verabscheuen.
Zielstrebig ging er in die Richtung der Schnellstraße. Eine Brücke führte darüber, die hoch genug war, um sich hinunterzustürzen. Gott würde sich wundern, wenn er plötzlich vor ihm stand, um ihm ins Gesicht zu spucken. Oh, wie er sich wundern würde.
Als er an der Brücke ankam, hatte es bereits aufgehört, zu regnen. Die schweren Regenwolken waren davongezogen und gaben nun die Sicht auf den Mond frei, dessen mattes, silbriges Licht auf der nassen Straße glänzte, wie flüssiges Silber. Es war eine schöne Nacht zum Sterben.
Er lehnte sich auf die Brüstung, bereit, seinem Leben ein Ende zu setzen. Vor seinem inneren Auge ließ er noch mal sein Leben Revue passieren. Und er konnte nichts daran erkennen, dass ihn umstimmen konnte.
Langsam kletterte er auf die Brüstung, breitete die Arme aus, schloss die Augen. Ein letztes mal atmete er die kühle Nachtluft in vollen Zügen ein, dann ließ er sich fallen.
Der Sturz kam ihm ewig vor. Es war, als würde er schweben, als wäre er auf einmal leicht wie eine Feder. Und dann erschien ein Bild vor seinen Augen. Das Mädchen, in das er sich verliebt hatte und dem er diese Liebe nie eingestehen konnte. Nun wollte er Leben, wollte zumindest das noch erledigen, doch es war zu spät. Er schrie laut auf, bevor er auf dem Asphalt aufschlug.
Und Gott lachte...
Das Leben ist beschissen. Dieser Satz schoss ihm immer wieder durch den Kopf, während er durch die verregnete Nacht trottete. Immer wieder nur: Das Leben ist beschissen. Sein Blick blieb an den grauen, dunklen Häuserfassaden hängen und immer wieder überkam ihn bei diesem Anblick ein Gefühl, als würde seine Kehle zugeschnürt werden, als hielte jemand sein Herz in der Hand und würde ganz langsam zudrücken. Als wäre seine Seele ein Stück Fleisch, gespickt mit Nägeln und Glasscherben. Der Regen, der auf ihn herabprasselte, war wie Tausende von Peitschenhieben, die unbarmherzig auf ihn niederstürzten, ihn zu zerfetzen, sein Fleisch bloßzulegen und seinen Willen zu brechen.
Gott lachte. Gott lachte, lachte ihn aus, amüsierte sich köstlich über seine Hoffnungslosigkeit, schüttete sich förmlich über ihn aus und die Regentropfen waren die Schadenfreudetränen, die sich über ihn ergossen.
Er wusste, er würde irgendwann sterben, er sehnte sich diesen Augenblick herbei, wünschte sich, auf der Stelle tot umzufallen, endlich schlafen zu können. Hätte es einen Unterschied gemacht? Würde es irgendjemanden interessieren? Bestimmt nicht. Niemand aus dieser Welt würde ihm nachtrauern, niemand würde sich seiner erinnern und ein paar Stunden über seinen Verlust traurig sein. Niemand vergoss seinetwegen Tränen. Niemand, außer Gott, der bösartig kichernd im Himmel saß. Doch seine Tränen waren böse Tränen, sie brannten auf der Seele, sie vergifteten Flüsse, sie erfroren Herz und Seele.
Sterben... einfach nur sterben, jetzt und hier, auf der Stelle. Doch so gnädig war Gott nicht, das war ihm klar. Er würde sich doch nicht selbst die beste Show an diesem Abend vermiesen.
Wie sollte er in dieser Welt leben können? Wie sollte er jeden einzelnen Tag in dieser bösartigen, hinterlistigen und grausamen Welt überleben können? Für Träumer, wie ihn war darin kein Platz und in seiner Welt war kein Platz für eine zweite. Seine Konzentrationsschwäche, die ihn immer wieder in seine Traumwelt abdriften ließ, war sein einziger Zufluchtsort, doch er war gezwungen, in der realen Welt zu leben und seit er Medikamente nahm, um sich besser Konzentrieren zu können, blieb ihm dieser Zufluchtsort verwehrt. Unfähig, sich in Tagträume zu flüchten, die Augen und Ohren vor dem wirklichen Leben zu verschließen, musste er immer wieder die Grausamkeit und Falschheit dieser Welt erkennen. Er erkannte, dass er umgeben war von Hirntoten, die nur noch Konsumierten, die sich jeden Tag die selbe Scheiße unter einem anderen Namen servieren ließen, die wie gelähmt vor ihren Fernsehaltären saßen und zweifelhafte Halbgötter anbeteten: Prominente, Schauspieler, Supermodels, schlechte Musiker, Musikproduzenten, Fernsehrichter, gefälschte Nachrichtensprecher, Talkshowmoderatoren. Umgeben von Leuten, die sich verarschen ließen und dafür noch Geld zahlten. Und es machte ihn krank, zu wissen, dass er nichts daran ändern konnte. Es machte ihn krank, zu wissen, dass er niemals dazu gehören würde, dass er immer dazu verdammt war, anders zu sein. Er ertrug es nicht, ein Individuum zu sein und doch nur, wie eine Nummer unter vielen behandelt zu werden.
Nein, niemand würde um ihn weinen. Höchstens seine Eltern würden trauern, doch hatten sie ihn letztendlich doch selbst dazu getrieben. Seine Probleme waren nur das Produkt der Probleme, die sie miteinander hatten. Sie waren es, die ihm das Messer zwischen die Rippen bohrten und ihn dann aufforderten, mehr Leben zu zeigen, sich nicht so hängen zu lassen. Hätten sie doch nur verhütet! Wäre er doch damals im Krankenhaus gestorben, als er Wasser in die Lungen bekam! Hätte seine Mutter es nur durchgezogen, als sie ihm ein Kissen aufs Gesicht drückte, weil er nachts mal wieder zu Laut schrie! Ja, sie würden um ihn Trauern, doch er konnte kein Mitleid für sie empfinden. Sie waren es, die ihn in diese böse Welt gesetzt hatten, die ihm das Leben schenkten, das er niemals wollte. Hätten sie ihn wenigstens zu einem durchschnittlichen Idioten erzogen, hätten sie ihm nicht beigebracht, zu denken, dann wäre es gar nicht so schlimm. Er wäre dumm wie Brot aber glücklich gewesen. Und dankbar, ach wie dankbar wäre er gewesen für jeden einzelnen Tag, an dem er sich keine Gedanken um das Geschehen in der Welt machen müsste, sondern einfach nur sein Abendessen in sich hineinzuschlingen und die Worte der Nachrichtensprecherin nicht zu verstehen bräuchte.
Es war beschlossen. Er würde es heute beenden, endgültig. Er würde zuende bringen, was seine Mutter vor Jahren nicht machen konnte. Er hatte genug von der Welt und diesem Leben, von der Gesellschaft, die ihn nicht akzeptieren wollte, wie er war und von der Gewissheit, sein, an die Gesellschaft angepasstes Ich, zu verabscheuen.
Zielstrebig ging er in die Richtung der Schnellstraße. Eine Brücke führte darüber, die hoch genug war, um sich hinunterzustürzen. Gott würde sich wundern, wenn er plötzlich vor ihm stand, um ihm ins Gesicht zu spucken. Oh, wie er sich wundern würde.
Als er an der Brücke ankam, hatte es bereits aufgehört, zu regnen. Die schweren Regenwolken waren davongezogen und gaben nun die Sicht auf den Mond frei, dessen mattes, silbriges Licht auf der nassen Straße glänzte, wie flüssiges Silber. Es war eine schöne Nacht zum Sterben.
Er lehnte sich auf die Brüstung, bereit, seinem Leben ein Ende zu setzen. Vor seinem inneren Auge ließ er noch mal sein Leben Revue passieren. Und er konnte nichts daran erkennen, dass ihn umstimmen konnte.
Langsam kletterte er auf die Brüstung, breitete die Arme aus, schloss die Augen. Ein letztes mal atmete er die kühle Nachtluft in vollen Zügen ein, dann ließ er sich fallen.
Der Sturz kam ihm ewig vor. Es war, als würde er schweben, als wäre er auf einmal leicht wie eine Feder. Und dann erschien ein Bild vor seinen Augen. Das Mädchen, in das er sich verliebt hatte und dem er diese Liebe nie eingestehen konnte. Nun wollte er Leben, wollte zumindest das noch erledigen, doch es war zu spät. Er schrie laut auf, bevor er auf dem Asphalt aufschlug.
Und Gott lachte...