Heimlicher Hausmann

albi

Mitglied
Ich habe immer an mich geglaubt. Ich habe immer daran geglaubt, Hausmann zu sein sei nicht schwer, im Gegenteil: Bei Bedarf auch mal Hausmann sein zu können, gehöre zum natürlichen Repertoire eines aufgeschlossenen Softies. Doch inzwischen musste ich feststellen, dass Hausmann zu sein entscheidend mit Hausarbeit zu tun hat. Und damit beginnen die Schwierigkeiten.
Hausarbeit ist im Grunde wie Auto fahren. Man sollte immer vorausschauend handeln, nicht trödeln und keine anderen Dinge nebenher tun. Nun, hier zeigt sich bereits das Dilemma: Jeder Softie möchte gerne Hausmann sein. Jeder Softie hasst aber Autos. Ergo: Softies verhalten sich im Haushalt wie Anfänger im Straßenverkehr.
Meine Vorbereitung aufs selbstständige Leben im Studium bestand darin, dass ich mir Mitte des fünfzehnten Lebensjahres eine Fünf-Minuten-Terrine zubereitete, weil Mama und Papa sich keinen Babysitter mehr leisten konnten oder ich keinen mehr akzeptierte oder wie auch immer.
Ich war damals nicht vorausschauend. Denn als Mama und Papa noch zugegen waren und hilfreiche Tipps hätten geben können und auch wollen, sagte ich immer nur: "Ja, ich kann das schon."
Stattdessen trödelte ich - so lange, bis der Döner-Stand um die Ecke geschlossen hatte und ich nicht mehr ums - nennen wir es mal "Kochen" - herumkam.
Diese spezielle Fünf-Minuten-Terrine fraß entgegen ihrer ursprünglichen Eigenschaft etwas mehr als fünf Minuten meines Lebens, was daran gelegen haben konnte, dass ich mangels Alternative beschloss, die Suppe mit dem Tauchsieder warm zu machen. Was hätte ich auch anderes tun sollen? Etwa das Plastikgefäß auf der heißen Herdplatte zerschmelzen lassen? So dass am Ende die ganze Terrine den Küchenboden tränkt?
Stattdessen erhitzte ich das Plastikgefäß von innen, bis es am Ende zerschmolz und die ganze Terrine den Küchenboden tränkte. Ich kehrte den Schaden beiseite, steckte den Tauchsieder wieder in den Schrank, stellte mich lange und tapfer satt und hoffte, keiner würde je Notiz davon nehmen. Die Chance hatte bestanden. Doch dazu hätte es etwas mehr Sorgfalt in der Spurenbeseitigung bedurft. Essensreste im Küchenbesen und schwarze Krusten um Tauchsiederspiralen jedenfalls ließen Mutteraugen kritisch werden, und das Ende der Geschichte ist, dass, wo immer ich auch hin komme, mein Ruf als "Hausmann à la Carte" bestimmt schon da ist.
Das hat auch seine Vorteile.
Schließlich habe ich es diesem Ruf zu verdanken, dass sich meine beste Wohnheimfreundin Irmela seit dem Tag meines Einzugs rührend um mich kümmert, meine Wäsche wäscht und bügelt, meine Pflanzen aufpäppelt, meine Einkäufe erledigt, mich bekocht, mich berät, wenn es ums Einkleiden geht, ja, eigentlich meinen kompletten Haushalt managt, bis aufs Rasieren, doch, da bin ich eigen. Es ist nicht so, dass mir diese Situation zu schaffen machen würde. Im Gegenteil: Ich fühle mich geborgen und behütet. Nur ab und an keimt in mir der Wille auf, das Softie-Hausmann-Paradoxon zu kippen, und so halte ich mir heimlich einige Lebensmittel in den hinteren Regionen des Schrankes, wo Irmela sie nicht findet, und koche mir regelmäßig unbemerkt warme Speisen, variantenreich wie im Lokal, etwa Spagetti ohne Soße, Spagetti mit kalter Soße, Spagetti mit eingebrannter Soße, Spagettisuppe mit viel Soße, Soße ohne Spagetti, kalte Soße ohne Spagetti, eingebrannte Soße ohne - ja, natürlich, alles aufzuzählen würde den Rahmen hier sprengen. Also, wie gesagt, das koche ich mir ab und zu, bevor ich es dann wegwerfe und zu Irmela zum Essen gehe. Mir geht es ja weniger ums Essen. Essen ist trivial. Mir geht es ums Kochen. Kochen ist Kunst.
Dass dem so ist, musste ich neulich auch meinem Damenbesuch klar machen, da die Soße zu den Spagetti sich in einem Sprenkelmuster auf meiner Hose niedergelassen hatte. Das wiederum deshalb, weil der Schrank nahe der Herdplatte offen stand, was daher kam, dass ich dabei war, mir die inzwischen gesprenkelte Hose für einen Ball auszusuchen. Der sollte im Übrigen an selbigem Abend sein, daher auch der Damenbesuch, und der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir in zwanzig Minuten los wollten.
Die Spagetti mit im Zimmer verteilter Soße mussten ausnahmsweise etwas zügiger gegessen werden als sonst. Doch die entscheidenden Szenen spielten sich ohnehin abseits des Essenstisches ab. Stichwort: Nie andere Dinge nebenher tun!
Irmela und dem Himmel sei's gedankt, dass meine beste Wohnheimfreundin beim Essen hereingeplatzt kam, fragte, was ich denn anziehen wolle, mich auslachte und mir einige Tipps gab und kurzerhand meinen halben Kleiderschrank mitnahm, um ihn eben noch zu bügeln. An solche Dinge - wie vorausschauend - hätte ich natürlich niemals gedacht. Aber jetzt, wo das Thema "Bügeln" im Raum stand, dachte ich, oh, die Sprenkel auf der Hose passen nicht zum weinroten Jackett, womöglich muss ich eine andere Hose anziehen. Ich nahm meine Zweit-Hose aus dem Schrank und stellte fest, dass sie völlig zerknittert war. Folglich begann ich mich bei meinem Damenbesuch für meinen Aufzug zu entschuldigen. Der aber dachte pragmatischer und fragte: "Wie wär's mit bügeln?"
Klar, bügeln, dachte ich und wünschte mich tot, nahm softiehaft gelassen das Bügeleisen aus dem Schrank, legte meine Hose auf den Schreibtisch und zerstörte sie.
In Ermangelung einer Dritt-Hose hakte ich den Abend ab und wollte meinen Damenbesuch nach Hause schicken. Doch Irmela brachte Sekunden später neben den gebügelten Hemden zufällig eine frisch genähte Hose vorbei, gebügelt und sauber.
Wir hatten einen wundervollen Abend.
Die Bilanz: ein wundervoller Abend gegen eine Weltanschauung. Denn eines kränkte meine Softie-Seele zutiefst: Aufgrund meiner besten Wohnheimfreundin Künste hatte mein Äußeres an diesem Abend überraschenderweise etwas Männliches, so dass mein Damenbesuch mit einfachen Worten meinen softiespezifischen Werten die Basis nahm: "Du siehst aber heute gut aus."
Dabei würde ich doch viel lieber kochen können. Wie ich die Frauen beneide. Die sehen immer gut aus. Und können trotzdem kochen.
 

albi

Mitglied
Hallo Jimbo,
ich möchte auf den Unterschied zwischen Ich-Erzähler und wirklichem Ich hinweisen. Mag sein, dass der Ich-Erzähler einen Haushaltskurs bitter nötig hat. Beim wahren Ich hingegen habe ich bereits jede Hoffnung aufgegeben.

Hallo Chrissie,
schön, dass die Geschichte in Erinnerung geblieben ist. Dass sie nochmal auftaucht, hat irgendwas (was auch immer) mit der Anthologie zu tun.

Hallo Ralph,
danke für das Mitgefühl. Doch, ja, es gab da eine Änderung. Ich bin in eine WG gezogen. Jetzt können wir uns gegenseitig übertreffen.

Grüßle, albi
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
die geschichte

gefällt mir sehr gut. sie erinnert mich in gewisserweise an meinen bruder, der seinerzeit wollte, daß ich seine wäsche pflege. ich antwortete ihm, daß ich seine schwester und nicht sein dienstmädchen bin und er konnte sowieso besser bügeln als ich . . . lieben gruß
 
S

Sansibar

Gast
Hausmann

Hallo Albi,
ich hatte die Geschichte schon mal gelesen, als ich als Anfänger in die Lupe kam, aber ich traute mich noch nicht etwas zu sagen. In diesem Fall erinnert mich alles an meinen Sohn. Ich glaube das du das sehr treffend beschrieben hast und ich möchte von dir noch mehr lesen.
Gruß Sansibar aus Sansibar
 
B

Beat

Gast
Salut Albi,
superlustig!

Und das kommt mir auch bekannt vor!
Als ich von zu Hause fortzog, konnte ich zwei Dinge kochen: Hongibrot und Müsli. Und am Salatkochen-Lernen war ich gerade dran.
Man hat mir dann gesagt, dass weder für das Hongibrot noch für das Müsli und auch nicht für den Salat der Ausdruck "kochen" angebracht sei.
Das hat mich tief in meinem Stolz verletzt, aber ich habe mich nicht demotivieren lassen sondern weitergeübt.
Immerhin verbrennt mir jetzt der Salat nicht mehr...! :)
Grüsse,
Beat
 

albi

Mitglied
Hi beat!
Schön, dass ich nicht alleine bin. Das macht mir Mut - ich traue mir so langsam auch mehr zu.
Vielleicht kannst Du mir ja das Rezept für Honigbrot geben. Würde gerne mal ausprobieren.
albi
 



 
Oben Unten