Hellelujah! ... the bad, the ugly, the big red one ...

bluesnote

Mitglied
Hellelujah! ... the bad, the ugly,
the big red one…


Christian Kind schlug die Seiten
seines Mantels auseinander.
Unter seinem langen, weißen Bart
kam sein,
rotnäsiger Rudolph zum Vorschein.
Ein Rauschgoldengel kniete
vor ihm und blies sein Rohr,
als wärs eine der
Trompeten zu Jericho.






Sie waren vier. In dieser Ecke der Stadt war es nachts totenstill. Drei von ihnen hingen im Moment ihren Gedanken nach.
Viel haben wir noch nicht bewegt, dachte der farbige Hüne und spuckte in den vereisten Fluß. Seine Hautfarbe verschmolz mit der Nacht, und das war gut so. Wenn nur Rudolph endlich käme; wenn der Wagen vorfuhr, sollte es losgehen. Sie wollten den Leuten Weihnachten in Erinnerung bringen, Weihnachten, wie es einmal war.
Rupert Knupp war unter seinem Boss derjenige, den die Leute den Schwarzen oder auch Knecht Ruprecht nennen. Normalerweise gefiel ihm sein Job, er holte gerne den Knüppel aus dem Sack, doch dies hier sollte ein Gefecht mit scharfen Waffen werden. Schluß mit Lustig.
Seine Augen hingen an Christian Kind, Leader der Gruppe. Seine weltlichen Aufgaben nahm er als Christkind wahr, Geschenke unter den Menschen verteilen. Doch diesmal wollte er mit seiner Truppe eine ganz besondere Überraschung über die Menschheit bringen.
Christian fror unter seiner roten Kutte, aber nicht wegen dem kalten Nachtwind. Es war der Bammel vor dem Neuen, Unbekannten. Nervös zog er an seiner Selbstgedrehten, er blickte dabei die Lagerhallen am Hafen entlang, von dort sollte endlich, endlich etwas auftauchen. Die Zeiten waren für Leute wie sie verdammt schlecht, welches Kind wollte heutzutage schon Spielzeug aus Holz. Die Spielzeugindustrie nahm ihnen ihren Job mit ihren PC’s und Ballerspielen. Die Kids wollten härtere Sachen.

Was blieb ihm anderes übrig als der Gang zum Arbeitsamt. Vorerst stellte er sich als Profi einen Platz im Management des Spielwarenhandels vor, später dann wollte er seine Kumpels mit Posten versorgen. Und was war: Wurst verpacken am Fliessband einer Fleischwarenfabrik sollte er. Das hatten sie für ihn übrig.
Er schnippte die Zigarette weg, sie mußten was dagegen tun. Ein Plan mußte her, sie wollten allen Leuten ein Zeichen setzen. Die Zeiten reinen Schnees waren längs vorbei. Die Leute saßen wie verbarrikadiert zuhause. Keinem kümmerte der andere. Schenken – ach, scheiß drauf.
Vorbei die Fahrten mit dem Schlitten längs den Landstrassen, links und rechts nur unschuldige, weiße Landschaft. Jeder sorgte für sich und das war’s. Die Spuren der Kufen im Schnee verschwanden, es wurden keine Aufmerksamkeiten mehr transportiert. Doch bevor sie ganz untergingen, wollten sie einen großen Coup starten. Wollten der Welt beweisen, das sie nicht vorhatten, ad acta gelegt zu werden.
Christian Kind hoffte, das Rudolph niemanden auffiel und er bald um die nächste Ecke bog.

Die drei haben’s bequem, brauchen bloß warten, bis ich mit einer Vollzugsmeldung komme. Rudolph Renner legte extra für ihren Plan seine Vierfüßigkeit ab. Trotzdem erinnerte das Profil seines Kopfes stark an das eines leidlich kapitalen Hirsches. Allein seine Nase floh einträchtig mit der Stirn nach vorne. Sein Mund war eigenartig vorgewölbt und die Zähne gehörten einfach nicht zu dem Gebiß eines Menschen. Mit einem Schraubendreher und einem Stück Draht werkelte er am Türschloß eines exklusiven Wagens. Sie brauchten ein Fahrzeug, bei dem, was sie vorhatten. Endlich hakte der Draht, der Rest war ein Kinderspiel.
Als begeisterter Anhänger von allem, was irgendwie fährt, wußte Rudolph, wie man ein Auto kurzschließt. Natürlich wählten sie ihn zum Fahrer, der Boss gab in diesem Fall die Zügel aus der Hand.
Rudolph schloß die Tür und gab Gas, das war was anderes als Schlitten ziehen. Sein Antlitz paßte zu dem schnittigen Fahrzeug.

Rauschgoldengel Rosie Golden fror ebenfalls nicht vor Kälte. Sie besorgte die Waffen. Engel haben immer auch Verbindungen zur Unterwelt. Und um an Gewehre und Munition zu kommen, mußte sie sich nicht gleich an Lucifer persönlich wenden. Nicht, das sie ein Fan von Tötungsgeräten wäre, doch ohne würde ihr Vorhaben nicht funktionieren und dann könnten sie den Teufel bald kennen lernen.
Rosie faltete zum xten Mal ihre Flügel zurecht. Dann ging sie ein paar Schritte abseits der Gruppe und griff unter ihr auffälliges Kleid.
> Rauschgoldengel. Kannst das Saufen wohl selbst jetzt nicht lassen, was. < Christian sah auf Rosies Rücken, wie sie einige Meter hinter ihnen stand und heimlich an einem Schoppen herum schraubte. Knecht Ruprecht erwachte aus seinen Gedanken und schaute auf. Um die Ecke einer Lagerhalle kam ein knallroter Sportwagen auf sie zu. > Na, ob daß das richtige ist? <
Derweil hielt Rudolph neben ihnen und kurbelte das Fenster hinunter.
> Sag mal, bist du bekloppt. Was sollen wir den mit einem knallroten Ferrari anfangen? Da hätten wir doch gleich mit dem Schlitten in die Stadt einfahren können. Konntest du nicht noch was auffälligeres klauen? <
> Ich weiß nicht, was du hast <, versuchte sich das Rentier zu wehren, > wir wollten doch was schnelles. < Rosie lachte leise und reichte die Pulle Schnaps rum.
Jeder nahm einen Schluck, dann verluden sie die Waffenkiste und machten es sich, so gut es ging, bequem.

Sie standen nebeneinander vor dem Bürohaus der Riddax Choco Company. Noch bemerkte sie niemand in der Dunkelheit, nicht mal der Pförtner, der im hell erleuchteten Eingangsportal saß.
Leicht spielte der Wind an ihren Gewändern, bewegte sanft die Aufschläge in Höhe ihrer Knöchel. Rauschgoldengel legte einen Gurt Munition um ihre Schultern und zog eine tschechische Skorpion unter ihrem güldenen Gewand hervor. Christkind hatte vor seinem dicken Bauch ebenfalls Munitionsgurte gespannt, trug sie gekreuzt ganz nach Art mexikanischer Freiheitskämpfer. Dazu hielt er eine Maschinenpistole israelischer Bauart in Händen. Dann folgten Knecht Ruprecht mit einer Pump Gun und Rentier Rudolph griff nach einer Bazooka.
> Fröhliche Weihnachten, Mädels. Gehen wir’s an! < Christkind sprach zu den übrigen Caballeros. Rosie antwortete, indem sie die Waffe durchlud, die anderen folgten ihrem Beispiel.
Der Pförtner rieb nicht nur einmal über seine Augen – das gibt’s doch einfach nicht! Schwer bewaffnete Outlaws schritten ihm entgegen und er begann, an die Auferstehung der apokalyptischen Vier zu glauben.
> Das würd ich lassen, Meister. < Eine Schrotladung aus der Pump Gun fegte das Telefon in den hinteren Teil des Wachraumes. Der Wächter zog seine Hand wieder ein und bibberte, > was kann ich für sie tun? <
> Geh voraus und zack, zack, wir wollen zum Vorstand. <
> Wen darf ich melden <, fragte der junge Mann.
> Wir melden uns selber an und Finger weg von sämtlichen Vorwarngeräten, sonst gibt’s ne grausige Bescherung. <

Sie traten Türen ein und feuerten einige Salven ab. Der Vorstand mußte gehorchen und trabte vor ihnen her. An ihrem Ziel angelangt, standen sie alle vor großen Tanks auf dem Werksgelände des Schokoladenherstellers. Rosie Golden hob den Lauf ihrer Waffe und gab einen Feuerstoß in die Luft ab.
> Nur nicht so kleinlich. Laß laufen, und zwar reichlich. < Sie standen zwischen Drehschiebern, großen Eisenhebeln und dicken Rohren. > Aber das sind unsere gesamten Vorräte an flüssiger Schokolade für die Osterhasenproduktion. < Knecht Ruprecht trat jetzt vor. > Na und! So schalten wir auch gleich die Konkurrenz aus. Wird’s bald. < Der oberste Manager des Weihnachtsbusineß trat vor und öffnete die Schleusen. Die dunkelbraune Soße lief einen Hang hinunter und überflutete die halbe Stadt.
> Hmm, zartbitter. < Einige Kinder in ausgetretenen Galoschen tauchten emsig ihre Finger in die Schokolade und probierten.
> Toys for Free! < Christians Gang setzte sich erfolgreich ab. Mit einigen Geiseln und einem gekaperten Transporter waren sie auf den Weg, einen Spielzeughersteller zu überfallen. In rasender Fahrt bogen sie an der nächsten Kreuzung ab und überfuhren eine ausgelegte, nadelspitze Straßensperre, die ihrem Fahrzeug sämtliche Reifen aufschlitzte.
> Sind aber nicht weit gekommen <, sagte Knecht Ruprecht. > Egal, laßt die Geiseln laufen und dann raus. Wir kippen den Transporter um und beziehen dahinter Stellung. <
> Si, mon Capitan! <

Christian Kind schrie Befehle, vor ihnen detonierte eine Blendgranate.
> Sperrfeuer! Ballert aus allen Rohren. <
Der Feind antwortete. Kugeln pfiffen ihnen um die Ohren. Irgend jemand hatte es geschafft, sie an Osterhasis Terrorgang zu verpetzen. Dirty Rosie stützte ihren Ellenbogen auf die Seite des Wagens, mit beiden Händen hielt sie einen 38’er Chief Special fest umklammert. Wahrlich, ein Engelmacher vor dem Herrn. Sie drückte ab, Schmauchspuren zeichneten sich auf den Rüschen ihrer Engelstracht ab. Ein Paar lange Ohren wirbelten auf im Nebel der Geschosse, dann sank einer der Bunnys in den Schnee.
> Ruprecht, wo bleibt die Bazooka. Ich hör nichts. < schrie Rosie.
> Ich seh nix <, konterte der Schwarze.
> Halt einfach auf ihre Barrikade, treib die Langohren auseinander <, brüllte Rudolph.
Die Bunny Gang fand es anscheinend nicht lustig, das der Weihnachtsmann und seine Kumpane sämtliches Rohmaterial zur Herstellung ihrer Ebenbilder in die Strassen der Stadt schüttete. Sie hatten zahlreiche Werbetafeln vom Bahnhof geklaut. Hinter dem aufgetürmten Werbematerial verschanzten sie sich, warteten auf den nun erfolgten Show Down.

„Kawupp“
Ruprecht feuerte die ersten Granaten in die Holzmauer, welche sofort Feuer fing. Dichter, schwarzer Rauch quoll über das Schlachtfeld. Vorerst waren die Osterhasen gebannt, doch von hinten drängte die Polizei.
Die Lage war aussichtslos, plötzlich bemerkten sie einen Stadtstreicher in ihrer Reihe.
> Wir stehen voll auf eurer Seite. 150 Mann haben wir zusammengetrommelt. Alle mit reichlich Molotow – Cocktails bewaffnet. <
Das Christkind setzte die Berber als Freischärler ein. Sie bombten ihnen einen Fluchtweg frei durch den Pulk der Polizei. > Ein gesegnetes Fest auch <, schrie Ruprecht, während er weiter feuerte. Die Scheibe eines Hifi Ladens brach und aus dem Innern dudelte: „Nun soll es werden Frieden auf Erden, den Menschen allen ein Wohlgefallen.“
Über allem leuchtete der Stern zu Bethlehem.

Nach dem die kämpfenden Horden ihre Verwundeten einsammelten, die Feuerwehr alle Brände löschte, kehrte Ruhe ein auf dem Schlachtfeld. Rauchschwaden trieben durch die weihnachtlich geschmückten Häuserfluchten.
Und allen schlug die Turmuhr der Herz Jesu Christ Kirche zwölfmal das Fest des Friedens in Erinnerung.
Christmas, bloody Christmas.
In der Stadt herrschte der Ausnahmezustand, blutrot gefärbter Schnee.
Der Jolly Rogers wehte an der höchsten Zinne des Rathauses. Roter Samt, kahler Schädel mit Rentiergeweih darüber, Rauschebart und gekreuztes Gebein darunter. Sämtliche Kutten der Bande waren in gleicher Farbe und mit denselben Insignien versehen, „Christians Angel Trooper RC“ stand quer unter den bärtigen Schädeln geschrieben. Man fuhr gestohlene Harleys und Hummer. Um ihren Erfolg zu krönen, legte Rudolph eine der organisierten CD’s ein und zu der Musik von Marilyn Manson fuhren sie zu ihren nächsten Kunden.
Die Medien berichteten über die Gang und ihren mutmaßlichen Anführer mit dem weißen Rauschebart.
> War’n gelungener Auftritt. < Christian lehnte sich zurück und genoß einen Joint.
> He, wo hast du den her? <
> Fiel einem Direx aus der Jackentasche <, sagte er und reichte die Kräuterzigarette weiter.
Rosie verteilte Schnaps. Die Harleys röhrten, ja, sie waren auf Tournee, hatten den geilsten Schneeflöckchen-Blues ihres Lebens.
Weiteren Halt machten sie dann bei der Game and Play Corp.
> Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!<
Mit diesem frommen Spruch trat Christian die Tür des Hauses auf und ließ den stählernen Buchhalter aus Downtown Chicago sprechen.
> Toys for Free, die Lager müssen leer <, so hallte der vielkehlige Ruf durch die Flure. Unter Waffengewalt wurde geräumt bis zum Morgengrauen!
Christian Kind, Rosie Golden, Rudolph Renner, Rupert Knupp und ihre vielen neuen Gehilfen, der Rest der Outlaws sorgten dieses Jahr dafür, das alle etwas von dem Fest hatten.
Die schuldig und unschuldig Obdachlosen. Die Kinder, deren Eltern das Geld für die Weihnachtsgans lieber für Schnaps ausgaben. Die staatsgepeinigten, steuerbelasteten Menschen.

Ihr Stern ging unter am Weihnachtsmorgen.
Generalleutnant Frömmler stand mit einer Panzerdivision und dem dritten Infanterieregiment (es ist immer das dritte Infanterieregiment) am Ende der Hauptstrasse bereit, die Rebellen zu empfangen.
Der Befehl lautete: Weihnachten muß gerettet werden!
Die vier Desperados machten sich allein auf dem Weg. Sie gingen nebeneinander, Rosie Golden reichte den letzten Schluck aus der Flasche, dann stellten sie sich vor Frömmlers Schergen auf. Feiner Pulverschnee wirbelte vor ihren Stiefeln auf, als sie die Mäntel zurückschlugen.
> Scheiß Gefühl, zu sterben, ohne vorher noch mal pinkeln zu gehen! <
Rosie versuchte, der Situation die Schärfe zu nehmen. Alle lachten, > die Schießbudenfiguren kriegen uns niemals unter <, Christian Kind zeigte mit den Finger auf die Soldaten des Friedens.
Sie zogen gleichzeitig ihre Guns, die großkalibrigen Herren Mister Smith und Mister Wesson.
Lachend sanken die apokalyptischen Vier in Pulverdampf verhüllt auf den blutrot verfärbten Schnee.
Weihnachten stirbt niemals. Egal, was kommt.
Hellelujah! Den Engeln zum Wohlgefallen.


Die Story war ursprünglich gedacht für die Ausschreibung eines Verlages. Dieser rief dazu auf, um eine Anthologie für Weihnachtsstorys zu kreieren,
Der Aufruf kam, ... im Frühjahr!
Ich hatte echt keinen Bock drauf, mir im goldenen Licht des Frühlings (und ihr wißt alle, wir hatten darauf einen Sommer...) Gedanken über den Weihnachtsmann zu machen.
Daher geriet die Story entsprechend grimmig.

Trotzdem wünsche ich euch allen ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Falls ich in nächster Zeit nicht mehr dazu kommen sollte, euch auf diesen Seiten alles gute zu wünschen, nachdem ihr diese Story vielleicht gelesen habt, wünsche ich euch an dieser Stelle schon mal alles Gute für mindestens die nächsten 75 Jahre. Nur vorsichtshalber!

Bis dann.

Udo
 



 
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