Im Schatten der Mauer unter dem hohen roten Dach der Kirche geht der Hausherr. Er geht sehr langsam, sein schwerer alter Körper ist weit nach vorne gebeugt.
Den kahlen Schädel trägt er tief und müde zwischen den Schultern. Mit seinem Stock tastet er unsicher über den holprigen Boden der Gasse.
Herr Johann hat im vergangenen Monat den 87. Geburtstag hinter sich gebracht.
In seiner Jugend war der Hans ein Riese mit gewaltigen Schultern und großen, breiten Händen. Und in seinen besten Mannesjahren fuhr er auf einem ohrenbetäubend knatternden Motorrad durch die Dörfer des Tales.
Man erzählt sich heute dort, abends in den Gaststuben, noch wahre Wunderdinge von den Körperkräften dieses Mannes.
Dass er einen wütenden Stier an den Hörnern packte und auf den Boden zwang, dass er ein verunglücktes Kalb von ziemlichem Gewicht auf die Schultern lud und ins zwei Kilometer entfernte Dorf zum Notschlachten schleppte, dass er beim Erntedankfest anno 1950 sämtliche Bauern aus der Nachbarschaft unter den Tisch soff.
Was daran alles stimmen mag?
Niemand weiß es mehr so recht, aber die Geschichten über den Hans werden weiter gesponnen.
Jetzt geht der Hans langsam und behindert durch die Gassen der Altstadt. Und da beobachten ihn die Leute bei seiner Marotte: Er sammelt Papier.
Dort, wo Kinder oder gedankenlose Erwachsene Keksschachteln, Pappebecher oder Bäckersäcke auf die Erde geworfen haben, bleibt er stehen, liest mit seinen immer noch großen, jetzt weit auf den Boden herabreichenden Händen die Fetzen auf, steckt sie mühsam in die ausgebeulten Taschen seiner verschossenen Leinenjacke und geht, ächzend vor sich hinmurmelnd, weiter. Meist braucht er nur wenige Schritte bis zum nächsten Papierstückchen, und so füllen sich seine Taschen im Nu.
Am Ende der Gasse, wo die schmale Stiege zwischen den dunklen Torbogen und rissigen Mauern plötzlich in die Helligkeit des Hauptplatzes mündet, bleibt der Hans stehen.
Langsam, mit mechanischen, etwas unheimlich wirkenden Bewegungen entleert er seine prall mit Papierabfällen gefüllten Jackentaschen in den Papierkorb vor dem
Metzgerladen. Sein großflächiges, faltiges Gesicht mit den dicken Tränensäcken und den blaurasierten Backenknochen ist unbewegt.
Die Leute reden über den alten Hans, sie gebrauchen Vokabeln wie "beschämend" oder "würdelos".
Dem Herrn Johann jedoch ist es egal. Er ist 87 Jahre alt.
Wer fragt da noch nach Leumund?
Den kahlen Schädel trägt er tief und müde zwischen den Schultern. Mit seinem Stock tastet er unsicher über den holprigen Boden der Gasse.
Herr Johann hat im vergangenen Monat den 87. Geburtstag hinter sich gebracht.
In seiner Jugend war der Hans ein Riese mit gewaltigen Schultern und großen, breiten Händen. Und in seinen besten Mannesjahren fuhr er auf einem ohrenbetäubend knatternden Motorrad durch die Dörfer des Tales.
Man erzählt sich heute dort, abends in den Gaststuben, noch wahre Wunderdinge von den Körperkräften dieses Mannes.
Dass er einen wütenden Stier an den Hörnern packte und auf den Boden zwang, dass er ein verunglücktes Kalb von ziemlichem Gewicht auf die Schultern lud und ins zwei Kilometer entfernte Dorf zum Notschlachten schleppte, dass er beim Erntedankfest anno 1950 sämtliche Bauern aus der Nachbarschaft unter den Tisch soff.
Was daran alles stimmen mag?
Niemand weiß es mehr so recht, aber die Geschichten über den Hans werden weiter gesponnen.
Jetzt geht der Hans langsam und behindert durch die Gassen der Altstadt. Und da beobachten ihn die Leute bei seiner Marotte: Er sammelt Papier.
Dort, wo Kinder oder gedankenlose Erwachsene Keksschachteln, Pappebecher oder Bäckersäcke auf die Erde geworfen haben, bleibt er stehen, liest mit seinen immer noch großen, jetzt weit auf den Boden herabreichenden Händen die Fetzen auf, steckt sie mühsam in die ausgebeulten Taschen seiner verschossenen Leinenjacke und geht, ächzend vor sich hinmurmelnd, weiter. Meist braucht er nur wenige Schritte bis zum nächsten Papierstückchen, und so füllen sich seine Taschen im Nu.
Am Ende der Gasse, wo die schmale Stiege zwischen den dunklen Torbogen und rissigen Mauern plötzlich in die Helligkeit des Hauptplatzes mündet, bleibt der Hans stehen.
Langsam, mit mechanischen, etwas unheimlich wirkenden Bewegungen entleert er seine prall mit Papierabfällen gefüllten Jackentaschen in den Papierkorb vor dem
Metzgerladen. Sein großflächiges, faltiges Gesicht mit den dicken Tränensäcken und den blaurasierten Backenknochen ist unbewegt.
Die Leute reden über den alten Hans, sie gebrauchen Vokabeln wie "beschämend" oder "würdelos".
Dem Herrn Johann jedoch ist es egal. Er ist 87 Jahre alt.
Wer fragt da noch nach Leumund?