Hunderttausend Wege

1,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Somo

Mitglied
Hunderttausend Wege, und keiner führt dahin, wo ich gerne wäre.
Schon wenn man sie anschaut.
Sie sind asphaltiert und eben und ziehen sich wie eine riesige Bremsspur durch weit unberührte Landstriche.
Mal rotsandige Wüsten, mal wilde Geröllfelder, mal hügelige saftige Wiesen.
Und überall die gleiche schwarze Spur, ohne Farbahnmarkierung, ohne Leitplanke, ohne Straßenschilder, ohne Gully.
Dazu das Wetter, heiß, stürmisch, windig, unbeständig, diesig, gewittrig, kalt. Unpassend.
Nein, diese Straßen führen nicht dahin, wo ich gerne wäre. Sie führen alle früher der später zu dem riesigen Ungetüm, das seine Spuren überall dort hinterließ wo sein unaufhaltsamer Drang nach Herrschaft und Kontrolle es hingeführt hatte.
Will ich diesem Weg folgen? Nein, sicher nicht. Was wenn ich es eines Tages einholen würde? Nicht auszudenken.
Und so stehe ich an dieser Kreuzung, unentschlossen, angewidert, allein.
Ein Zurück gibt es nicht, denn hinter mir versucht ein Blizzard, wohl vergeblich, die unzerstörbare Spur des Größenwahns auszuradieren, auf der zu meinem Bedauern auch ich gewandelt bin.
Ich wünsche ihm alles Glück der Welt und überlege, ob ich vielleicht warten soll bis er die Kreuzung erreicht.
Er könnte mich doch eventuell an einen Ort tragen, der ohne Straßen auskommt und wo ich noch einmal von vorne beginnen kann. Er kennt sich aus, dies ist sein Reich.
Auf der anderen Seite wird er sicher wütend sein, dass er der Herausforderung nicht gewachsen ist und es eine neue Gewalt in seinem Universum gibt, eine herrschsüchtige, kranke, unberechenbare Gewalt.
Die Windstärke nimmt zu und ich spüre gleich, dass weder Sanftheit noch Mitleid in dem Zerren an meinen Kleidern und Haaren liegt.
Er meint es ernst.
Also los, eine Entscheidung muss her. Rechts, Links, Mitte oder Ene-Mene-Muh?
Ich spüre die Kälte in meinen Nacken kriechen, das empörte Brausen scheint zumindest die Luft wieder in völligen Besitz genommen zu haben.
Entscheide dich!
Verzweifelt schließe ich die Augen und drehe mich im Kreis, doch ich traue mich nicht anzuhalten.
Da erfasst mich eine Böhe; ein starker materieloser Arm umfasst mich mit wirbelndem Griff. Für wenige Sekunden schwebe ich über dem Schlachtfeld in weitgehend unumfochtenem Hoheitsgebiet.
Trotz der Kälte ein Gefühl von Geborgenheit.
Aber die Truppen werden an die Hauptfront zurückbeordert und setzen mich mit einem finalen Sturz außer Gefecht; glauben sie vielleicht, doch der Grund, auf dem ich aufschlage ist weder hart noch schwarz.
Ich liege abseits der Spur auf einer Wiese, einer ziemlich feuchten Wiese. Knietief sinkt man hier ein und das Wasser hat schnell Schuh und Strumpf durchnässt.
Trotzdem stehe ich aufrecht, schaue zurück auf meinen Retter und betrachte seinen aussichtslosen Kampf. Der König wird fallen, soviel ist sicher.
„Adios!“
Ein letztes Mal winke ich ihm zu ehe ich mich auf den Weg mache, auf meinen Weg, meinen eigenen.
Und ich lächle vor mich hin während der Schlamm unter meinen Füßen schmatzt und ein Blick in die Ferne eine anstrengende Reise verspricht.
Herrlich.
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo Somo,

wie du siehst, wurde dein Text erst/oder bereits 12x gelesen/oder angeklickt. Ich tat es nun wiederholt. Noch immer wird mir nicht klar, was er mir sagen will/soll.
Auch handwerklich hapert es nach meiner Meinung.
Ich versuche einmal eine Interpretation:
Das “Ich” will weg, sucht ein neues Ziel, will nicht mehr die ausgetretenen Wege gehen, will seine Wege, sein Leben selber bestimmen. Dann geschieht etwas mit ihm, ein Sturm wird zum Retter, er erhält die Möglichkeit seinen Weg zu erfinden.
Wenn ich damit richtig liege, trägt dieser Text zu viel Ballast. So zum Beispiel die Beschreibung, den Zustand der Wege. Auch das Wetter ist dann unwichtig. Wobei ansonsten eine Entscheidung für eine Möglichkeit nicht schlecht wäre
Nicht herauslesen kann ich die Übersetzung für das Ungeheuer und für den Retter.
Der Text bleibt mir verschlossen. Er macht keine Lust auf mehr. Schade.

LG Franka
 

Somo

Mitglied
hallo franka,

deine vorsichtige interpretation trifft den kern der sache schon ganz gut.
nur wird zusätzlich noch die beziehung mensch-natur thematisiert.
der mensch ist dabei das "Ungetüm" und ich fände es etwas zu einfach dazu eine übersetzung zu liefern.
die beschreibung der straße soll lediglich zeigen, dass keine zusätzliche zeit in ihren bau investiert wurde, nur möglichst schnell fertig werden, möglichst schnell den stempel aufdrücken; und das egal in welcher landschaft, egal bei welchem wetter.
wobei die wetterbeschreibung sich auch auf die unentschlossenheit bzw zwiegespaltenheit des lyr. ichs bezieht, das auch eine verkorkste beziehung zur natur hat und im grunde die monotonie der straße auch auf das wetter übertragen den weg erleichtern würde.
das dazu...
achja und die übersetzung für den retter hast du dir doch selbst schon gegeben.

alles im allem schade, dass der text nicht so verstanden wird, wie ich mir das gedacht hatte..und die zweierbewertung, falls nicht von dir franka, könnte sich ja auch mal melden.
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo Somo,

in der Lyrik lasse ich es mir gefallen, wenn ein Werk erst von mir "geöffnet" werden muss. Bei Prosawerke möchte ich nicht auf eine Gebrauchsanleitung für den Text angewiesen sein. Vielleicht solltest du dein Werk noch einmal gründlich überarbeiten. Auch könnte die sprachliche Umsetzung noch reichlich Politur vertragen.
Mal als Beispiel/Vorschlag:
Hunderttausend Wege. Asphaltiert. Dicke, schwarze Bremsspuren durch rotsandige Wüsten, wilde Steppen und saftige Wiesen. Wege ohne Markierung, ohne Leitplanke, ohne Straßenschilder. Wege ohne Anfang und Ende. Wege, die mein Ziel nicht kennen.

LG Franka

PS. Die "2" ist natürlich nicht von mir, da du sonst daneben meinen Namen lesen könntest.
 
H

HFleiss

Gast
Somo, du hast etwas probiert, was man sonst eigentlich nur in der Lyrik versucht: einen wirklichen Zustand in eine Metapher umzuschreiben. Doch was ist das Ungeheuer, woher kommt es, warum empfindet das Ich es als Bedrohung, wenn es ihm hilft, am Ende doch einen Weg zu finden? Ich verstehe sehr gut dein Unbehagen, ausgetretene Wege gehen zu müssen, deine Lust, auszubrechen und den dir gemäßen Weg zu finden. Aber alles bleibt doch mehr oder weniger im unklaren, es ist kein Märchen, es ist keine wirkliche Metapher, und schon gar nicht ist es eine aktive Auseinandersetzung mit einem unbefriedigenden Zustand, es ist leider, pardon, das übliche, das man schon so und anders bis zum Einduseln kennt.

Gruß
Hanna
 



 
Oben Unten