Ich komme immer freitags

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Aligator

Mitglied
Meine früheste Erinnerung besteht aus einem grellen Licht, das durch einen engen und modrig miefenden Schacht schimmerte. Da öffnete sich wie von selbst die Pforte und ein in blau gekleideter Mann mit einem Werkzeugkasten trat herein. Er entnahm einen spitzen Gegenstand, es muss eine Art Schraubenzieher gewesen sein, und führte ihn ein. Es überkam mich ein Schauer und noch dazu vernahm ich diesen bittersüßen Klang, meinen Lebenston, mein allererstes Dingdong.

Mein Name ist Haushahn, ich bin seit fünfundzwanzig Jahren im Dienst und kann bis zu elf Personen gleichzeitig befördern, das eine Mal sogar dreizehn.

Heute ist der schönste Tag der Woche! Es ist Freitag Nachmittag. Oh, wie ich ihn liebe! In wenigen Augenblicken wird sie kommen. Mein Mädchen. Gut, sie ist schon etwas älter, so in den Fünfzigern. Sie raucht viel und trägt Stützstrümpfe.
Aber was dieses Baby mit seinen in Gummi gepackten Zauberhändchen alles so drauf hat ... Ich bringe sie in den sechsten Stock, sie mich in den siebten Himmel.

Wo sie nur wieder bleibt? Vor lauter Aufregung lass ich die Tür auf und zu gehen. Heute wird sie viel zu schrubben haben. Hat nicht dieser Rotzlümmel aus dem Zweiten wider meine Wand verschmiert? Dieser pubertierende Hosenschieter mit schiefer Kappe? Und Legastheniker ist er auch. Schreibt Fotze immer mit V. Ist ja eigentlich egal, aber ich verstehe nicht, warum er das überhaupt macht?
Vielleicht will er mich nur quälen, denn ich leide nämlich immens unter Genitalneid. Ich hab nur meine Knöpfe.

Meine süßen, armen Knöpfe. Man kann sich nicht vorstellen, wie gefühllos auf denen herumgehämmert wird. Besonders morgens, wenn sie wieder zu spät kommen. Was kann ich denn dafür, dass meine Schiebetürmotorik eine verzögerte Einstellung hat. Schließlich werde ich auch von Senioren bestiegen. Ein einziger, zarter Druck würde doch genügen. Aber nein, ein Trommelfeuer von ihren fettigen, mit angespitzten Nägeln versehenen Stinkefingern geht auf meine sensibelste Stelle hernieder. Stellen Sie sich vor, so würde mit Ihrer verfahren!
An manchen Tagen würde ich dieses Pack am liebsten auf direktestem Wege in den Keller befördern.

Wie damals, als der Fette aus dem Fünften mir rein gekotzt hat. Und das ausgerechnet an einem Freitagabend. Ich schwelgte immer noch in Schwaden von Meister Proppers Zitrusduft.
Hilde, so heißt übrigens meine Putze, hatte es besonders gut mit mir gemeint und meine Etagenanzeige mit dem extraflauschigen Tuch poliert, nach dem sie von ihr zärtlich angehaucht worden war. Auf Knien hatte sie meine Ecken mit der Zahnbürste bearbeitet, um schließlich meine hervorstehenden Knöpfe mit dem Leder auf Hochglanz zu bringen. Hilde hatte sich schon gewundert, warum meine Leuchtröhren so geflackert haben. Aber sie kann mir wiederum auch nicht weiß machen, dass die Arbeit ihr keine Freude bereitet.

Als ich mich an jenem Abend meinen postorgasmischen Zuständen hingab, stapfte also der Fette herein und reierte mir auf die Schalterleiste.
Nachdem der erste Schock verflogen war, ließ ich erst einmal die Schiebetüren zu gleiten. Ganz langsam. So, jetzt gehörte er mir.
Warum heute eigentlich nicht mal die Leuchtröhren abschalten? Also ich fand, die hatten sich auch mal ne Pause verdient. Jetzt fuhren wir ganz nach oben. Da wollte er sicher auch mal hin, früher, als er noch Träume hatte. Dort angekommen ließ ich ihn eine viertel Stunde toben. Dass er ständig auf seinem Erbrochenen ausrutschte, dafür konnte ich nun wirklich nichts.

Wenn Sie nun denken, ein Aufzug, wie ich es bin, hätte keine Möglichkeit, sämtliche Sicherungsmaßnahmen zu umgehen und einfach … loszulassen, sich einfach mal fallen zu lassen, dann schenken Sie uns da einfach zu viel Vertrauen. Nicht falsch verstehen, rein statistisch gesehen bricht man sich zehn Mal das Genick auf der Treppe, bevor es mit uns mal bergab geht, oder schachtrunter, wie es bei uns heißt. Sicherheit wird bei uns nämlich großgeschrieben.
Wir können aber auch anders.

Jedenfalls wurde aus dem Fetten ein begeisterter Treppensteiger und er hat dadurch sogar ein paar Kilo abgenommen, bevor er letztes Jahr an einem Herzinfarkt verschieden ist.

Mann, wo bleibt sie denn heute! Hat die mich vergessen oder was? Oder noch schlimmer: Urlaub? Oder kam der Monteur?
Jetzt ist schon Viere durch. Die kommt heute nicht mehr. Das kann ich mir abschminken.
Oder, was war das? Höre ich da nicht den Putzwagen heraneiern? Da ist sie ja, meine Hilde!
Hereinspaziert!

So, Sie werden verstehen, dass ich jetzt die Türen schließen werde. Hier geht’s nämlich gleich richtig zur Sache.
Nur noch eine Bitte: Gehen sie in Zukunft ein kleines Stückchen liebevoller mit Ihrem Aufzug um! Sie wissen schon, es kommt immer alles zurück.
 

Aligator

Mitglied
Meine früheste Erinnerung besteht aus einem grellen Licht, das durch einen engen und modrig miefenden Schacht schimmerte. Da öffnete sich wie von selbst die Pforte und ein in blau gekleideter Mann mit einem Werkzeugkasten trat herein. Er entnahm einen spitzen Gegenstand, es muss eine Art Schraubenzieher gewesen sein, und führte ihn ein. Es überkam mich ein Schauer und noch dazu vernahm ich diesen bittersüßen Klang, meinen Lebenston, mein allererstes Dingdong.

Mein Name ist Haushahn, ich bin seit fünfundzwanzig Jahren im Dienst und kann bis zu elf Personen gleichzeitig befördern, das eine Mal sogar dreizehn.

Heute ist der schönste Tag der Woche! Es ist Freitag Nachmittag. Oh, wie ich ihn liebe! In wenigen Augenblicken wird sie kommen. Mein Mädchen. Gut, sie ist schon etwas älter, so in den Fünfzigern. Sie raucht viel und trägt Stützstrümpfe.
Aber was dieses Baby mit seinen in Gummi gepackten Zauberhändchen alles so drauf hat ... Ich bringe sie in den sechsten Stock, sie mich in den siebten Himmel.

Wo sie nur wieder bleibt? Vor lauter Aufregung lass ich die Tür auf und zu gehen. Heute wird sie viel zu schrubben haben. Hat nicht dieser Rotzlümmel aus dem Zweiten wieder meine Wand verschmiert? Dieser pubertierende Hosenschieter mit schiefer Kappe? Und Legastheniker ist er auch. Schreibt Fotze immer mit V. Ist ja eigentlich egal, aber ich verstehe nicht, warum er das überhaupt macht?
Vielleicht will er mich nur quälen, denn ich leide nämlich immens unter Genitalneid. Ich hab nur meine Knöpfe.

Meine süßen, armen Knöpfe. Man kann sich nicht vorstellen, wie gefühllos auf denen herumgehämmert wird. Besonders morgens, wenn sie wieder zu spät kommen. Was kann ich denn dafür, dass meine Schiebetürmotorik eine verzögerte Einstellung hat. Schließlich werde ich auch von Senioren bestiegen. Ein einziger, zarter Druck würde doch genügen. Aber nein, ein Trommelfeuer von ihren fettigen, mit angespitzten Nägeln versehenen Stinkefingern geht auf meine sensibelste Stelle hernieder. Stellen Sie sich vor, so würde mit Ihrer verfahren!
An manchen Tagen würde ich dieses Pack am liebsten auf direktestem Wege in den Keller befördern.

Wie damals, als der Fette aus dem Fünften mir rein gekotzt hat. Und das ausgerechnet an einem Freitagabend. Ich schwelgte immer noch in Schwaden von Meister Proppers Zitrusduft.
Hilde, so heißt übrigens meine Putze, hatte es besonders gut mit mir gemeint und meine Etagenanzeige mit dem extraflauschigen Tuch poliert, nach dem sie von ihr zärtlich angehaucht worden war. Auf Knien hatte sie meine Ecken mit der Zahnbürste bearbeitet, um schließlich meine hervorstehenden Knöpfe mit dem Leder auf Hochglanz zu bringen. Hilde hatte sich schon gewundert, warum meine Leuchtröhren so geflackert haben. Aber sie kann mir wiederum auch nicht weiß machen, dass die Arbeit ihr keine Freude bereitet.

Als ich mich an jenem Abend meinen postorgasmischen Zuständen hingab, stapfte also der Fette herein und reierte mir auf die Schalterleiste.
Nachdem der erste Schock verflogen war, ließ ich erst einmal die Schiebetüren zu gleiten. Ganz langsam. So, jetzt gehörte er mir.
Warum heute eigentlich nicht mal die Leuchtröhren abschalten? Also ich fand, die hatten sich auch mal ne Pause verdient. Jetzt fuhren wir ganz nach oben. Da wollte er sicher auch mal hin, früher, als er noch Träume hatte. Dort angekommen ließ ich ihn eine viertel Stunde toben. Dass er ständig auf seinem Erbrochenen ausrutschte, dafür konnte ich nun wirklich nichts.

Wenn Sie nun denken, ein Aufzug, wie ich es bin, hätte keine Möglichkeit, sämtliche Sicherungsmaßnahmen zu umgehen und einfach … loszulassen, sich einfach mal fallen zu lassen, dann schenken Sie der Technik einfach zu viel Vertrauen. Nicht falsch verstehen, rein statistisch gesehen bricht man sich zehn Mal das Genick auf der Treppe, bevor es mit uns mal bergab geht, oder schachtrunter, wie es bei uns heißt. Sicherheit wird bei uns nämlich groß geschrieben.
Wir können aber auch anders.

Jedenfalls wurde aus dem Fetten ein begeisterter Treppensteiger und er hat dadurch sogar ein paar Kilo abgenommen, bevor er letztes Jahr an einem Herzinfarkt verschieden ist.

Mann, wo bleibt sie denn heute! Hat die mich vergessen oder was? Oder noch schlimmer: Urlaub? Oder kam der Monteur?
Jetzt ist schon Viere durch. Die kommt heute nicht mehr. Das kann ich mir abschminken.
Oder, was war das? Höre ich da nicht den Putzwagen heraneiern? Da ist sie ja, meine Hilde!
Hereinspaziert!

So, Sie werden verstehen, dass ich jetzt die Türen schließen werde. Hier geht’s nämlich gleich richtig zur Sache.
Nur noch eine Bitte: Gehen sie in Zukunft ein kleines Stückchen liebevoller mit Ihrem Aufzug um! Sie wissen schon, es kommt immer alles zurück.
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Ja so ein Aufzug ist ja auch nur ein Mensch

Die Art und Weise wie du ihn satirisch über seine Lebensaufgabe philosophieren lässt, gefällt mir. Eine hübsche Idee und locker in Szene gesetzt.

Wenn du jetzt „nach dem“ und „Freitag Nachmittag“ noch zusammenschreibst, kann dein Haushahn weiter konstant und zuverlässig seinen Dienst versehen. Irgendwann wird er dann wohl auch mal seine Memoiren schreiben und ich bin mir sehr sicher, dass er einiges zu erzählen hat.

Amused grüßt der Ironbiber
 

Aligator

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Meine früheste Erinnerung besteht aus einem grellen Licht, das durch einen engen und modrig miefenden Schacht schimmerte. Da öffnete sich wie von selbst die Pforte und ein in blau gekleideter Mann mit einem Werkzeugkasten trat herein. Er entnahm einen spitzen Gegenstand, es muss eine Art Schraubenzieher gewesen sein, und führte ihn ein. Es überkam mich ein Schauer und noch dazu vernahm ich diesen bittersüßen Klang, meinen Lebenston, mein allererstes Dingdong.

Mein Name ist Haushahn, ich bin seit fünfundzwanzig Jahren im Dienst und kann bis zu elf Personen gleichzeitig befördern, das eine Mal sogar dreizehn.

Heute ist der schönste Tag der Woche! Es ist Freitagnachmittag. Oh, wie ich ihn liebe! In wenigen Augenblicken wird sie kommen. Mein Mädchen. Gut, sie ist schon etwas älter, so in den Fünfzigern. Sie raucht viel und trägt Stützstrümpfe.
Aber was dieses Baby mit seinen in Gummi gepackten Zauberhändchen alles so drauf hat ... Ich bringe sie in den sechsten Stock, sie mich in den siebten Himmel.

Wo sie nur wieder bleibt? Vor lauter Aufregung lass ich die Tür auf und zu gehen. Heute wird sie viel zu schrubben haben. Hat nicht dieser Rotzlümmel aus dem Zweiten wieder meine Wand verschmiert? Dieser pubertierende Hosenschieter mit schiefer Kappe? Und Legastheniker ist er auch. Schreibt Fotze immer mit V. Ist ja eigentlich egal, aber ich verstehe nicht, warum er das überhaupt macht?
Vielleicht will er mich nur quälen, denn ich leide nämlich immens unter Genitalneid. Ich hab nur meine Knöpfe.

Meine süßen, armen Knöpfe. Man kann sich nicht vorstellen, wie gefühllos auf denen herumgehämmert wird. Besonders morgens, wenn sie wieder zu spät kommen. Was kann ich denn dafür, dass meine Schiebetürmotorik eine verzögerte Einstellung hat. Schließlich werde ich auch von Senioren bestiegen. Ein einziger, zarter Druck würde doch genügen. Aber nein, ein Trommelfeuer von ihren fettigen, mit angespitzten Nägeln versehenen Stinkefingern geht auf meine sensibelste Stelle hernieder. Stellen Sie sich vor, so würde mit Ihrer verfahren!
An manchen Tagen würde ich dieses Pack am liebsten auf direktestem Wege in den Keller befördern.

Wie damals, als der Fette aus dem Fünften mir rein gekotzt hat. Und das ausgerechnet an einem Freitagabend. Ich schwelgte immer noch in Schwaden von Meister Proppers Zitrusduft.
Hilde, so heißt übrigens meine Putze, hatte es besonders gut mit mir gemeint und meine Etagenanzeige mit dem extraflauschigen Tuch poliert, nachdem sie von ihr zärtlich angehaucht worden war. Auf Knien hatte sie meine Ecken mit der Zahnbürste bearbeitet, um schließlich meine hervorstehenden Knöpfe mit dem Leder auf Hochglanz zu bringen. Hilde hatte sich schon gewundert, warum meine Leuchtröhren so geflackert haben. Aber sie kann mir wiederum auch nicht weiß machen, dass die Arbeit ihr keine Freude bereitet.

Als ich mich an jenem Abend meinen postorgasmischen Zuständen hingab, stapfte also der Fette herein und reierte mir auf die Schalterleiste.
Nachdem der erste Schock verflogen war, ließ ich erst einmal die Schiebetüren zu gleiten. Ganz langsam. So, jetzt gehörte er mir.
Warum heute eigentlich nicht mal die Leuchtröhren abschalten? Also ich fand, die hatten sich auch mal ne Pause verdient. Jetzt fuhren wir ganz nach oben. Da wollte er sicher auch mal hin, früher, als er noch Träume hatte. Dort angekommen ließ ich ihn eine viertel Stunde toben. Dass er ständig auf seinem Erbrochenen ausrutschte, dafür konnte ich nun wirklich nichts.

Wenn Sie nun denken, ein Aufzug, wie ich es bin, hätte keine Möglichkeit, sämtliche Sicherungsmaßnahmen zu umgehen und einfach … loszulassen, sich einfach mal fallen zu lassen, dann schenken Sie der Technik einfach zu viel Vertrauen. Nicht falsch verstehen, rein statistisch gesehen bricht man sich zehn Mal das Genick auf der Treppe, bevor es mit uns mal bergab geht, oder schachtrunter, wie es bei uns heißt. Sicherheit wird bei uns nämlich groß geschrieben.
Wir können aber auch anders.

Jedenfalls wurde aus dem Fetten ein begeisterter Treppensteiger und er hat dadurch sogar ein paar Kilo abgenommen, bevor er letztes Jahr an einem Herzinfarkt verschieden ist.

Mann, wo bleibt sie denn heute! Hat die mich vergessen oder was? Oder noch schlimmer: Urlaub? Oder kam der Monteur?
Jetzt ist schon Viere durch. Die kommt heute nicht mehr. Das kann ich mir abschminken.
Oder, was war das? Höre ich da nicht den Putzwagen heraneiern? Da ist sie ja, meine Hilde!
Hereinspaziert!

So, Sie werden verstehen, dass ich jetzt die Türen schließen werde. Hier geht’s nämlich gleich richtig zur Sache.
Nur noch eine Bitte: Gehen sie in Zukunft ein kleines Stückchen liebevoller mit Ihrem Aufzug um! Sie wissen schon, es kommt immer alles zurück.
 

Aligator

Mitglied
Freut mich, dass es dir gefallen hat!

Und wenn ich dadurch beitragen konnte, die Lebensqualität unserer fleisigen Helfer weiter zu verbessern, dann kann's ja nur aufwärts gehen.
 
U

USch

Gast
Hallo Aligator,
hab´ mich köstlich amüsiert. Text ist auch sehr gut formuliert.
LG USch
 



 
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