Ich werde jetzt sterben

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JennyP.

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Ich werde jetzt sterben

Meine Koffer sind schon auf dem Rollband. Ihr Ziel ist die Boing 737. Ein Touristenbomber ist das einzige Fehrkehrsmittel, um zu einer dieser allseits beliebten Urlaubsinseln zu gelangen.
Ich sitze in der Abfertigungshalle und den Duty-free-Shop habe ich bereits erkundet. Parfums unter 50 Euro sind hier Mangelware. Ich versuche mir die Zeit weiter mit einem guten Buch von meinem Lieblingsautor John Irving zu vertreiben.
Angst habe ich keine. Schon des Öfteren bin ich in die riesigen Metallvögel ein und ausgestiegen. Es ist Routine das gleiche nun wieder zu tun.
Durch die verglasten Wände der Abfertigungshalle kann ich beobachten, wie die Airbusse wie Vögel Anlauf nehmen und sich in die Lüfte erheben. In einer Reihe verharren sie hintereinander, darauf wartend, die Starterlaubnis erteilt zu bekommen. Nach einer kleinen Wartezeit erhält jede Maschine ihr Startsignal.
Auch für mich scheint die Zeit knapp zu werden. In diesem Moment dockt eine etwas kleinere Maschine an meinem Gate an. Gleich ist es so weit und ich muss einsteigen.
Ich Zeige mein Flugticket vor und werde durch die verglaste Schiebetür hindurch gelassen. Beengend wirkt der Weg dorthin auf mich. Eine enge dunkle Röhre mit stählerner Verkleidung. Meine Schritte scheppern dumpf auf dem silberfarbenen Metallboden. Ich blicke hinunter und sehe Risse, undichte Stellen an den Ecken der Wände, durch die ich den betonierten Erdboden sehen kann.
Ich beeile mich, will diesen Ort schnellstmöglichst hinter mir lassen.
Hinter einer Biegung begrüßen mich am Ende der Röhre zwei hübsche Flugbegleiterinnen. Die linke trägt ihre roten langen Haare offen. Ihre weißen Zähne strahlen mich freundlich und beruhigend an. In eine weiß-blaue Uniform gesteckt, sieht sie aus, wie ein Zimmermädchen eines erstklassigen Hotels.
Die rechte hat blonde Haare und trägt sie zusammengesteckt zu einem Dutt, der durch Dutzende kleiner schwarzer Haarklammern festgehalten wird. Sie fordert mich auf, mein Flugticket erneut vorzuzeigen und weißt mich darauf hin, den letzteren Gang zu benutzen.
Mein voriges Unwohlsein ist bei diesem freundlichen Empfang schnell verflogen. Schnell ergattere ich mir eine AMICA, bevor sie alle vergriffen sind und finde schnell meinen Platz.
Das Fenster befindet sich rechts von mir. Bevor alle ihren Platz gefunden haben, sich setzen und sich beruhigen, habe ich mich bereits angeschnallt.
Diese kleinen Schnürgurte sind lächerlich im Bezug dazu, sollte es wirklich einmal zu einem Ausnahmezustand kommen. Das Überleben würden sie mir sicherlich kaum ermöglichen.
Da nun alle angespannt auf ihren Plätzen sitzen und auf den Start warten, mache ich mich daran, mein Handy auszuschalten. Auch das wäre eine Gefahrenquelle für ein Flugzeug.
Während der Pilot sich vorstellt und den Passagieren die Reiseroute erklärt, heben wir völlig routiniert ab. Alles ist bestens.
Nun können sich alle auf einen gemütlichen Nachmittag mit der „Trumanshow“, einem delikaten aber auch etwas spärlichem Mittag und einer traumhaften Aussicht auf strahlend weiße Wattewölkchen und niedliche Schäfchenwölkchen vorbereiten.
Nach einiger Zeit befindet sich dann das Mittelmeer unter uns.
Das Fenster ist bereits vereist und doch kann ich noch genug erkennen. Die Tragfläche befindet sich nicht weit hinter mir. Durch einige Turbulenzen schwankt sie beinah wie eine Stimmgabel im Dreivierteltakt. So lang und schmal wirkt sie klapprig auf mich als bräche sie jeden Moment entzwei.
Wieder meldet sich der Pilot und macht bekannt, dass wir uns auf die Landung vorbereiten. Schneller und schneller verlieren wir an Höhe. Die Nase der Boing senkt sich leicht nach unten.
Ich kann die Insel sehen. Sie sieht fantastisch aus mit ihren riesigen Bergen und den steilen Hängen und dem vielen Grün an allen Erhebungen. Kleine weiße Häuschen erstrecken sich an den Hängen und den Stränden von dem funkelnden dunkelblauen Ozean. Ganz hypnotisiert bin ich von ihrer Schönheit.
Die Turbulenzen werden heftiger. Auf kurvigem Wege verlieren wir weiter an Höhe.
Doch plötzlich kippt die gesamte Maschine zur rechten Seite. Fast auf neunzig Grad hängen die Passagiere seitlich in den Sitzen, einzig gesichert an ihrem Gurt. Und ich mit ihnen.
Alle schreien wild umher. Kinder brüllen, die Wände knarren, versteinert verharren wir in dieser Position. Die Turbinen werden lauter und die Erde nähert sich in immenser Geschwindigkeit. Im Cockpit bleibt es still.
Ich habe keine Angst und ich habe auch nicht geschrieen. Ich blicke direkt in das nähernde Meer, wie in den Lauf einer Schnellfeuerwaffe. Der einzige Gedanke, der mich dabei befällt, „ich werde jetzt sterben“.
Ich wende meinen Blick ab, schließe die Augen und mache meinen Frieden. Gleich ist es vorbei.
Nichts geschieht. Kein Aufprall und auch keine Stichflamme. Die Menschen, die mein Leben in ihrer Hand halten, haben es für heute gerettet. Die Maschine richtet sich wieder auf und einige Augenblicke später befinden wir uns wieder auf der Rollbahn und haben sicheren Boden unter unseren Füßen.
Doch was mich erwartet, ist kein Urlaub. Einzig beschäftigt mich die Tatsache, dass ich von dieser verdammten Insel auch wieder herunter muss und die Notwendigkeit darin besteht, ein Flugzeug zu nehmen.
 

Vera-Lena

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Ich werde jetzt sterben

Liebe Jenny,

Du hast eine gute Beobachtungsgabe und lässt uns detailliert an Deinem Erlebnis teilhaben. Eine spannende Geschichte ist es aber nicht, könnte es jedoch sein. „Alle schreien wild umher. Kinder brüllen, die Wände knarren.“ Hier liegt der Knackpunkt. Wenn wir als Leser ein paar von „Alle schreien“, durch Dich kennen gelernt hätten, könnte die Sache spannend sein. Du hättest Deinen Sitznachbarn beschreiben können z.B. als eine Person, von der man als Leser nicht erwartet hätte , dass er sich in der Notsituation nachher so verhält, wie er es dann eben tut. Du hättest auch schon einige Personen in der Wartehalle beschreiben können, z.B. den Liebreiz einiger Kinder. Wörtliche Rede wäre hier hilfreich. Interessant ist doch auch, wie sich Menschen nach so einem Erlebnis voneinander trennen. Manche werden davon hasten, einige sich ihren Mitreisenden gegenüber durch ein paar Bemerkungen Luft machen wollen. Bei deinem Aufenthalt auf der Insel, wäre es anschaulich, wenn Du an wenigstens einem Beispiel beschreibst, wie Du krampfhaft versuchst, doch etwas zu genießen, beispielsweise am Strand, und wie immer gerade dann Dir einfällt, dass Du ja schließlich nicht nach Hause schwimmen kannst. Du hattest keine Angst. Das ist ein sehr guter Ansatz. Aber die Angst wurde Dir eben doch noch „nachgereicht“. Es lohnt sich, das genauer zu beschreiben. Ich weiß, wie schwer es ist, Personen, die man erfindet, wirklich zum Leben zu erwecken. Aber ich denke, es ist einen Versuch wert.

Liebe Grüße Vera-Lena
 

JennyP.

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Danke,für die Hinweise. Es ist schwierig sich mit solch einem Problem auseinanderzusetzen, denn man möchte sich eigentlich nicht noch einmal in diese Situation hineinfühlen. Um es allerdings dem Leser näher zu bringen, werde ich die Dinge,die du angemerkt hast in Angriff nehmen.
danke,

Liebe Grüße
 

Vera-Lena

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Liebe Jenny,

an Deiner Stelle würde ich die Sache erst einmal auf sich beruhen lassen. So wie Du das sagst, daß Du Dich da nicht noch einmal hineinfühlen möchtest.... dann tu es doch auch nicht. Die Hinweise über das Schreiben kannst Du doch immer noch bei einem anderen Stoff ausprobieren, wenn Du wieder Lust zum Schreiben hast. Diese Hinweise kannst Du doch für Dich verallgemeinern, und dann sind sie Dir auch hilfreich.

Einen glücklichen Tag wünscht Dir mit lieben Grüßen

Vera-Lena
 



 
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