Ihr Pharisäer

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Ruedipferd

Mitglied
Ihr Pharisäer!


Pastor Johannes kniete vor dem Kreuz seines Herrn.
Voller Demut sah er den geschundenen Körper Christi
an und streckte ihm flehend die Hände entgegen.
„Herr hilf mir! Der Alkohol ist des Teufels Werk!
Lass nicht zu, dass meine Gemeinde daran zugrunde geht.“

In gut zwei Stunden wird sich die alte Nordstrander
Seefahrerkirche mit den Gläubigen gefüllt haben.
Er wird ihnen am diesjährigen Reformationstag eine Predigt
halten, die sie sobald nicht wieder vergessen werden.
Und heute am 31. Oktober Anno 1870 wird die Gemeinde Nordstrand endlich für alle Zeiten dem Alkohol abschwören!

Nachdenklich bestiegen die Kirchgänger denn auch an diesem
Sonntag wieder ihre Pferde- oder Ochsenfuhrwerke.
Was der Herr Pastor da von ihnen verlangte, beschäftigte die Bürger doch in den nächsten Tagen und Monaten sehr.
Eine Kindstaufe oder gar eine Hochzeit ohne einen Tropfen
Alkohol, das war einfach unvorstellbar!
Aber wenn es denn der Pastor so will und es auch der Wunsch
ihres Herrn Jesus war, so wollten sie es gerne versuchen.

Eine Woche später heiratete Bauer Thomsen seine junge Magd
Gertrude. Was soll ich euch sagen---------das Fest wurde eine einzige Katastrophe! Es gab nur Tee und Kaffee. Die Kinder bekamen Kakao und die Erwachsenen verabschiedeten sich allesamt sehr frühzeitig von dem Brautpaar. Nur Pastor Johannes war mit sich zufrieden.

Aber so konnte es nicht weitergehen!
Die Nordstrander beratschlagten, was man tun könne.
Marie, eine sehr alte erfahrene Dienstmagd wusste Rat.
Im November gab es eine Kindstaufe.
Und dieser Tag, an dem die kleine Clara Johanna Hansen vom Herrn bei ihrem Namen gerufen wurde, rückte die aus den Fugen geratene Welt der Küstenbewohner wieder gerade.
Es wurde ein fröhliches Fest. Alle Nordstrander feierten unbekümmert und ausgelassen bis zum nächsten Morgen.
So vergingen die Wintermonate.
Die Nordstrander Bürger genossen wieder ihre Dorffeste und Pastor Johannes kniete in seiner Kirche und dankte dem Herrn.


Dann nahte das Frühjahr.
Aber vorher, am 22.Februar, feierte man traditionell seit dem 17. Jahrhundert den Petritag. Petrus war der Schutzpatron aller Fischer und am Abend wurden die Walfänger mit einem großen Feuer, der Biike, sowie einem Fest verabschiedet.
So geschah es auch am 22. Februar 1871.
(Heute hat man den Brauch auf den 21.Februar verlegt.)

Dete Clausen war eine junge hübsche 16 jährige Deern aus Husum und zu Weihnachten zu Onkel und Tante auf den Hof nach Nordstrand in Stellung gekommen, wie man damals sagte.
Die gefüllten Kaffeetassen standen auf dem Tisch und die flachsblonde Dete nahm behände das Tablett auf. Natürlich bediente sie als wohlerzogenes Mädchen zuerst den Herrn Pastor.

Der wunderte sich auch des öfteren, wie leicht sich die Nordstrander Bürger von den Alkoholischen Getränken losgesagt hatten, aber er war ein sehr frommer und gottesfürchtiger Mann und schrieb es der grenzenlosen Güte und Gnade seines Herrn Jesus Christus zu.
Während er an seine nächste Sonntagspredigt dachte, nahm er einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.
Dann noch einen und seine Stirn hob sich in derselben Weise wie er gleichzeitig tief einatmete und seine Augen weit öffnete.
Wutentbrannt setzte er die weiße Tasse mit dem hübschen blauen Friesenmuster auf dem Tisch ab. Er erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl und im großen Saal des Pharisäerhofes, der damals noch „Zum Seehund“ hieß, wurde es plötzlich ganz still.
Pastor Johannes war eine stattliche Erscheinung mit einer Körpergröße von etwa 1.80 Meter.
„Ihr Pharisäer!“ rief er seiner Gemeinde zu.


„Und was geschah dann?“


Die sechsjährige Claudia sieht Hans Hansen aufmerksam an.
„Nichts!“ antwortet der alte grauhaarige Mann in dem gestreiften
Polohemd. „Aber von dem Tag an, hatte das Getränk einen Namen.“

„Was ist denn nun das Geheimnis dieses Zaubertranks und warum stand der Pastor so böse auf?“ will Roman Kaiser wissen.
Der Berliner Lehrer macht gerade zusammen mit seiner Frau Gisela und den Kindern Claudia und Timmi Urlaub auf Nordstrand.

„Uwe, giv uns mol dree Pharisäer vun din Husmarke!“
Hans Hansen nickt dem Kröger auffordernd und freundlich zu.
„Probeeren geiht över stodeeren, seggn wi hier an ne Küste!“

Gisela hat den auf dem Tisch liegenden Prospekt gelesen, während sie ihrem zweijährigen Sohn einen Löffel Eis in dessen weit geöffneten Mund schiebt.
„Hier steht, unten kommt ein Stück Zucker in die Tasse und dann gießt man Rum darauf. Danach wird das Ganze mit Kaffee aufgefüllt und damit man den Rum nicht riecht, kommt noch ein Sahnehäubchen obendrauf!“

„Denn man Prost! Hier gibt es eine Regel. Wer sechs Pharisäer getrunken hat, bekommt den siebenten umsonst und den Anruf fürs Taxi.“
Hans Hansen verteilt die drei Tassen auf sich und das junge Lehrerehepaar aus Berlin.

„Wissen Sie“ ,meint Gisela, „ unsere Kollegen fahren alle mit den Kindern ins Ausland. Aber wir haben uns entschlossen, unseren beiden die Schönheit Deutschlands zu zeigen!“

Es wurde ein kurzer aber sehr vergnüglicher Abend.

„Papa hat gestern die Schönheit Deutschlands gesehen, er ist krank und kann jetzt nicht ans Telefon kommen und Dete hat die Tassen vertauscht“, meldet die kleine Claudia am nächsten Morgen den überraschten Großeltern nach Berlin.

Viele Jahre später erfuhr sie auch, dass die Pharisäer eine Gruppe Menschen in der jüdischen Religion waren und bereits 135 Jahre vor Christi Geburt lebten. Übersetzt heißt Pharisäer die „Abgesonderten.“
Der Name kam daher, weil sich die Gruppe sehr intensiv um die Einhaltung der Regeln aus den Büchern Mose bemühte und überaus fromm lebte.
Zu fromm, wie Jesus später wohl meinte und sie als überheblich und selbstgerecht bezeichnete.
Durch diese Kritik, die eigentlich, weil aus dem Munde Jesu gekommen gar keine war, benutzten viele Christen das Wort später als eine Art Schimpfwort.
Jedoch waren und blieben die Pharisäer, die auch als Schriftgelehrte bezeichnet wurden, eine vom Volk sehr geschätzte Laienbewegung.


Ende
 

Ruedipferd

Mitglied
Ihr Pharisäer!


Pastor Johannes kniete vor dem Kreuz seines Herrn.
Voller Demut sah er den geschundenen Körper Christi
an und streckte ihm flehend die Hände entgegen.
„Herr hilf mir! Der Alkohol ist des Teufels Werk!
Lass nicht zu, dass meine Gemeinde daran zugrunde geht.“

In gut zwei Stunden wird sich die alte Nordstrander
Seefahrerkirche mit den Gläubigen gefüllt haben.
Er wird ihnen am diesjährigen Reformationstag eine Predigt
halten, die sie sobald nicht wieder vergessen werden.
Und heute am 31. Oktober Anno 1870 wird die Gemeinde Nordstrand endlich für alle Zeiten dem Alkohol abschwören!

Nachdenklich bestiegen die Kirchgänger denn auch an diesem
Sonntag wieder ihre Pferde- oder Ochsenfuhrwerke.
Was der Herr Pastor da von ihnen verlangte, beschäftigte die Bürger doch in den nächsten Tagen und Monaten sehr.
Eine Kindstaufe oder gar eine Hochzeit ohne einen Tropfen
Alkohol, das war einfach unvorstellbar!
Aber wenn es denn der Pastor so will und es auch der Wunsch
ihres Herrn Jesus war, so wollten sie es gerne versuchen.

Eine Woche später heiratete Bauer Thomsen seine junge Magd
Gertrude. Was soll ich euch sagen---------das Fest wurde eine einzige Katastrophe! Es gab nur Tee und Kaffee. Die Kinder bekamen Kakao und die Erwachsenen verabschiedeten sich allesamt sehr frühzeitig von dem Brautpaar. Nur Pastor Johannes war mit sich zufrieden.

Aber so konnte es nicht weitergehen!
Die Nordstrander beratschlagten, was man tun könne.
Marie, eine sehr alte erfahrene Dienstmagd wusste Rat.
Im November gab es eine Kindstaufe.
Und dieser Tag, an dem die kleine Clara Johanna Hansen vom Herrn bei ihrem Namen gerufen wurde, rückte die aus den Fugen geratene Welt der Küstenbewohner wieder gerade.
Es wurde ein fröhliches Fest. Alle Nordstrander feierten unbekümmert und ausgelassen bis zum nächsten Morgen.
So vergingen die Wintermonate.
Die Nordstrander Bürger genossen wieder ihre Dorffeste und Pastor Johannes kniete in seiner Kirche und dankte dem Herrn.


Dann nahte das Frühjahr.
Aber vorher, am 22.Februar, feierte man traditionell seit dem 17. Jahrhundert den Petritag. Petrus war der Schutzpatron aller Fischer und am Abend wurden die Walfänger mit einem großen Feuer, der Biike, sowie einem Fest verabschiedet.
So geschah es auch am 22. Februar 1871.
(Heute hat man den Brauch auf den 21.Februar verlegt.)

Dete Clausen war eine junge hübsche 16 jährige Deern aus Husum und zu Weihnachten zu Onkel und Tante auf den Hof nach Nordstrand in Stellung gekommen, wie man damals sagte.
Die gefüllten Kaffeetassen standen auf dem Tisch und die flachsblonde Dete nahm behände das Tablett auf. Natürlich bediente sie als wohlerzogenes Mädchen zuerst den Herrn Pastor.

Der wunderte sich auch des öfteren, wie leicht sich die Nordstrander Bürger von den Alkoholischen Getränken losgesagt hatten, aber er war ein sehr frommer und gottesfürchtiger Mann und schrieb es der grenzenlosen Güte und Gnade seines Herrn Jesus Christus zu.
Während er an seine nächste Sonntagspredigt dachte, nahm er einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.
Dann noch einen und seine Stirn hob sich in derselben Weise wie er gleichzeitig tief einatmete und seine Augen weit öffnete.
Wutentbrannt setzte er die weiße Tasse mit dem hübschen blauen Friesenmuster auf dem Tisch ab. Er erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl und im großen Saal des Pharisäerhofes, der damals noch „Zum Seehund“ hieß, wurde es plötzlich ganz still.
Pastor Johannes war eine stattliche Erscheinung mit einer Körpergröße von etwa 1.80 Meter.

„Ihr Pharisäer!“ rief er seiner Gemeinde zu.


„Und was geschah dann?“


Die sechsjährige Claudia sieht Hans Hansen aufmerksam an.
„Nichts!“ antwortet der alte grauhaarige Mann in dem gestreiften
Polohemd. „Aber von dem Tag an, hatte das Getränk einen Namen.“

„Was ist denn nun das Geheimnis dieses Zaubertranks und warum stand der Pastor so böse auf?“ will Roman Kaiser wissen.
Der Berliner Lehrer macht gerade zusammen mit seiner Frau Gisela und den Kindern Claudia und Timmi Urlaub auf Nordstrand.

„Uwe, giv uns mol dree Pharisäer vun din Husmarke!“
Hans Hansen nickt dem Kröger auffordernd und freundlich zu.
„Probeeren geiht över stodeeren, seggn wi hier an ne Küste!“

Gisela hat den auf dem Tisch liegenden Prospekt gelesen, während sie ihrem zweijährigen Sohn einen Löffel Eis in dessen weit geöffneten Mund schiebt.
„Hier steht, unten kommt ein Stück Zucker in die Tasse und dann gießt man Rum darauf. Danach wird das Ganze mit Kaffee aufgefüllt und damit man den Rum nicht riecht, kommt noch ein Sahnehäubchen obendrauf!“

„Denn man Prost! Hier gibt es eine Regel. Wer sechs Pharisäer getrunken hat, bekommt den siebenten umsonst und den Anruf fürs Taxi.“
Hans Hansen verteilt die drei Tassen auf sich und das junge Lehrerehepaar aus Berlin.

„Wissen Sie“ ,meint Gisela, „ unsere Kollegen fahren alle mit den Kindern ins Ausland. Aber wir haben uns entschlossen, unseren beiden die Schönheit Deutschlands zu zeigen!“

Es wurde ein kurzer aber sehr vergnüglicher Abend.

„Papa hat gestern die Schönheit Deutschlands gesehen, er ist krank und kann jetzt nicht ans Telefon kommen und Dete hat die Tassen vertauscht“, meldet die kleine Claudia am nächsten Morgen den überraschten Großeltern nach Berlin.

Viele Jahre später erfuhr sie auch, dass die Pharisäer eine Gruppe Menschen in der jüdischen Religion waren und bereits 135 Jahre vor Christi Geburt lebten. Übersetzt heißt Pharisäer die „Abgesonderten.“
Der Name kam daher, weil sich die Gruppe sehr intensiv um die Einhaltung der Regeln aus den Büchern Mose bemühte und überaus fromm lebte.
Zu fromm, wie Jesus später wohl meinte und sie als überheblich und selbstgerecht bezeichnete.
Durch diese Kritik, die eigentlich, weil aus dem Munde Jesu gekommen gar keine war, benutzten viele Christen das Wort später als eine Art Schimpfwort.
Jedoch waren und blieben die Pharisäer, die auch als Schriftgelehrte bezeichnet wurden, eine vom Volk sehr geschätzte Laienbewegung.


Ende
 

Ruedipferd

Mitglied
Ihr Pharisäer


Pastor Johannes kniete vor dem Kreuz seines Herrn.
Voller Demut sah er den geschundenen Körper Christi
an und streckte ihm flehend die Hände entgegen.
„Herr hilf mir! Der Alkohol ist des Teufels Werk!
Lass nicht zu, dass meine Gemeinde daran zugrunde geht.“

In gut zwei Stunden wird sich die alte Nordstrander
Seefahrerkirche mit den Gläubigen gefüllt haben.
Er wird ihnen am diesjährigen Reformationstag eine Predigt
halten, die sie sobald nicht wieder vergessen werden.
Und heute am 31. Oktober Anno 1870 wird die Gemeinde Nordstrand endlich für alle Zeiten dem Alkohol abschwören!

Nachdenklich bestiegen die Kirchgänger denn auch an diesem
Sonntag wieder ihre Pferde- oder Ochsenfuhrwerke.
Was der Herr Pastor da von ihnen verlangte, beschäftigte die Bürger doch in den nächsten Tagen und Monaten sehr.
Eine Kindstaufe oder gar eine Hochzeit ohne einen Tropfen
Alkohol, das war einfach unvorstellbar!
Aber wenn es denn der Pastor so will und es auch der Wunsch
ihres Herrn Jesus war, so wollten sie es gerne versuchen.

Eine Woche später heiratete Bauer Thomsen seine junge Magd
Gertrude. Was soll ich euch sagen---------das Fest wurde eine einzige Katastrophe! Es gab nur Tee und Kaffee. Die Kinder bekamen Kakao und die Erwachsenen verabschiedeten sich allesamt sehr frühzeitig von dem Brautpaar. Nur Pastor Johannes war mit sich zufrieden.

Aber so konnte es nicht weitergehen!
Die Nordstrander beratschlagten, was man tun könne.
Marie, eine sehr alte erfahrene Dienstmagd wusste Rat.
Im November gab es eine Kindstaufe.
Und dieser Tag, an dem die kleine Clara Johanna Hansen vom Herrn bei ihrem Namen gerufen wurde, rückte die aus den Fugen geratene Welt der Küstenbewohner wieder gerade.
Es wurde ein fröhliches Fest. Alle Nordstrander feierten unbekümmert und ausgelassen bis zum nächsten Morgen.
So vergingen die Wintermonate.
Die Nordstrander Bürger genossen wieder ihre Dorffeste und Pastor Johannes kniete in seiner Kirche und dankte dem Herrn.


Dann nahte das Frühjahr.
Aber vorher, am 22.Februar, feierte man traditionell seit dem 17. Jahrhundert den Petritag. Petrus war der Schutzpatron aller Fischer und am Abend wurden die Walfänger mit einem großen Feuer, der Biike, sowie einem Fest verabschiedet.
So geschah es auch am 22. Februar 1871.
(Heute hat man den Brauch auf den 21.Februar verlegt.)

Dete Clausen war eine junge hübsche 16 jährige Deern aus Husum und zu Weihnachten zu Onkel und Tante auf den Hof nach Nordstrand in Stellung gekommen, wie man damals sagte.
Die gefüllten Kaffeetassen standen auf dem Tisch und die flachsblonde Dete nahm behände das Tablett auf. Natürlich bediente sie als wohlerzogenes Mädchen zuerst den Herrn Pastor.

Der wunderte sich auch des öfteren, wie leicht sich die Nordstrander Bürger von den Alkoholischen Getränken losgesagt hatten, aber er war ein sehr frommer und gottesfürchtiger Mann und schrieb es der grenzenlosen Güte und Gnade seines Herrn Jesus Christus zu.
Während er an seine nächste Sonntagspredigt dachte, nahm er einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.
Dann noch einen und seine Stirn hob sich in derselben Weise wie er gleichzeitig tief einatmete und seine Augen weit öffnete.
Wutentbrannt setzte er die weiße Tasse mit dem hübschen blauen Friesenmuster auf dem Tisch ab. Er erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl und im großen Saal des Pharisäerhofes, der damals noch „Zum Seehund“ hieß, wurde es plötzlich ganz still.
Pastor Johannes war eine stattliche Erscheinung mit einer Körpergröße von etwa 1.80 Meter.

„Ihr Pharisäer!“ rief er seiner Gemeinde zu.


„Und was geschah dann?“


Die sechsjährige Claudia sieht Hans Hansen aufmerksam an.
„Nichts!“ antwortet der alte grauhaarige Mann in dem gestreiften
Polohemd. „Aber von dem Tag an, hatte das Getränk einen Namen.“

„Was ist denn nun das Geheimnis dieses Zaubertranks und warum stand der Pastor so böse auf?“ will Roman Kaiser wissen.
Der Berliner Lehrer macht gerade zusammen mit seiner Frau Gisela und den Kindern Claudia und Timmi Urlaub auf Nordstrand.

„Uwe, giv uns mol dree Pharisäer vun din Husmarke!“
Hans Hansen nickt dem Kröger auffordernd und freundlich zu.
„Probeeren geiht över stodeeren, seggn wi hier an ne Küste!“

Gisela hat den auf dem Tisch liegenden Prospekt gelesen, während sie ihrem zweijährigen Sohn einen Löffel Eis in dessen weit geöffneten Mund schiebt.
„Hier steht, unten kommt ein Stück Zucker in die Tasse und dann gießt man Rum darauf. Danach wird das Ganze mit Kaffee aufgefüllt und damit man den Rum nicht riecht, kommt noch ein Sahnehäubchen obendrauf!“

„Denn man Prost! Hier gibt es eine Regel. Wer sechs Pharisäer getrunken hat, bekommt den siebenten umsonst und den Anruf fürs Taxi.“
Hans Hansen verteilt die drei Tassen auf sich und das junge Lehrerehepaar aus Berlin.

„Wissen Sie“ ,meint Gisela, „ unsere Kollegen fahren alle mit den Kindern ins Ausland. Aber wir haben uns entschlossen, unseren beiden die Schönheit Deutschlands zu zeigen!“

Es wurde ein kurzer aber sehr vergnüglicher Abend.

„Papa hat gestern die Schönheit Deutschlands gesehen, er ist krank und kann jetzt nicht ans Telefon kommen und Dete hat die Tassen vertauscht“, meldet die kleine Claudia am nächsten Morgen den überraschten Großeltern nach Berlin.

Viele Jahre später erfuhr sie auch, dass die Pharisäer eine Gruppe Menschen in der jüdischen Religion waren und bereits 135 Jahre vor Christi Geburt lebten. Übersetzt heißt Pharisäer die „Abgesonderten.“
Der Name kam daher, weil sich die Gruppe sehr intensiv um die Einhaltung der Regeln aus den Büchern Mose bemühte und überaus fromm lebte.
Zu fromm, wie Jesus später wohl meinte und sie als überheblich und selbstgerecht bezeichnete.
Durch diese Kritik, die eigentlich, weil aus dem Munde Jesu gekommen gar keine war, benutzten viele Christen das Wort später als eine Art Schimpfwort.
Jedoch waren und blieben die Pharisäer, die auch als Schriftgelehrte bezeichnet wurden, eine vom Volk sehr geschätzte Laienbewegung.


Ende
 
D

DerKleinePrinz

Gast
Guten Tag Ruedipferd,

dein Text wirkt auf mich so, als würde er mir am Lagerfeuer von einem erfahrenen Seebären erzählt werden - das gefällt mir :)

Aber ich habe dennoch was auszusetzen:

Ich würde ganz einfach mit der Pointe den Text beenden, also genau hier

Der wunderte sich auch des öfteren, wie leicht sich die Nordstrander Bürger von den Alkoholischen Getränken losgesagt hatten, aber er war ein sehr frommer und gottesfürchtiger Mann und schrieb es der grenzenlosen Güte und Gnade seines Herrn Jesus Christus zu.
Während er an seine nächste Sonntagspredigt dachte, nahm er einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.
Dann noch einen und seine Stirn hob sich in derselben Weise wie er gleichzeitig tief einatmete und seine Augen weit öffnete.
Wutentbrannt setzte er die weiße Tasse mit dem hübschen blauen Friesenmuster auf dem Tisch ab.
Das Ende kann man dann natürlich auch entsprechend gestalten, aber das dürfte keine Hürde sein.
Du aber schreibst weiter und dein Text wird langatmig, man weiß doch schon das Wichtige!

Trotzdem habe ich ihn gern gelesen.

Liebe Grüße
Der Kleine Prinz*
 
S

suzah

Gast
hallo Ruedipferd,

da die geschichte vom pharisäer bekannt ist (und fast allen norddeutschen auch die vom PHARISÄER-GETRÄNK) müsste diese story schon mit etwas mehr pep erzählt werden. so ist sie zu langatmig. vielleicht solltest du damit beginnen, dass die berliner familie am tisch sitzt und den PHARISÄER probiert und dann die erklärende geschichte hört.

"im November gab es eine Kindstaufe......

ausserdem wäre der pastor selbstverständlich auch schon bei der taufe eingeladen worden und man hätte ihm ebenfalls kaffee anbieten müssen. es ist unwahrscheinlich, dass der pastor erst im im frühjahr den PHARISÄER vorgesetzt bekommt. das würde die geschichte auch etwas kürzen.

liebe grüße suzah
 

Ruedipferd

Mitglied
Die Pharisäergeschichte ist hier in Nordfriesland überliefert.
Ob sie sich so zugetragen hat, wie in meiner Version, da scheiden sich auch bei uns die Geister.
Fest steht, dass der Ausspruch: "Ihr Pharisäer" vom Pastor kam, nachdem dieser erstmalig eine Tasse Kaffee mit Rum bekommen hat.
Natürlich war er vorher schon zu verschiedenen Festen eingeladen gewesen, aber die Nordstrander Frauen waren stets peinlichst darauf bedacht, ihm nur reinen Kaffee einzuschenken.
Die junge Dete hat unwissentlich die Tassen vertauscht.
Meine Pointe in dieser Version ist das Telefonat der kleinen Claudia.
Ich habe die Geschichte für ein anderes Forum für einen
Wettbewerb geschrieben und hier nur zum Spaß mit eingestellt.
 
S

suzah

Gast
hallo ruedipferd,
gerade das telefonat finde ich überflüssig.
trotzdem wünsche ich dir erfolg beim wettbewerb.
lg suzah
 

Ruedipferd

Mitglied
Pharisäer

Die Geschichte hat bei dem Wettbewerb auf "Bookrix"
gewonnen. Es wurden die 15 Besten von 100 Beiträgen ausgewählt und ich bin mit meiner Pharisäerversion dabei.
Der Verlag wird sie in einem Sammelband auf der Frankfurter
Buchmesse im Oktober veröffentlichen. Ich freu mich riesig!
 



 
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