Im Gefängnis

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rosste

Mitglied
Im Gefängnis

ich gefalle mir
so gut
innerhalb der
selbstgebauten mauern

staple paletten
an die innenseite

auf zehenspitzen
genieβe ich
die aussicht –
freiheitsstraβe 41

ich knote strickleitern
besteche die wärter
mit kaugummi

plane den ausbruch
tausendmal

ich braue mir
kurzglück
aus brotrinden
ketchup und rosinen

jetzt
ist die treppe fertig

jetzt
wäre die zeit um

doch der magnet
in der zelle
das geliebt-verhasste metallmaschenbett

ich erzähle später
ich hätte es versucht
 
S

scarda

Gast
Hallo rosste,

was mir gut gefällt: die Beschreibung der Gefühle rund um das selbstgewählte Gefängnis, den kleinen Selbstbetrug, den man dazu braucht.
Was mich etwas stört: warum diese Detaillierung der Palette? Für mich macht es keinerlei Unterschied, ob hier nun mit Europaletten oder mit CP2-Paletten gestapelt wird. Warum „wäre“ die Zeit um, vorher und nachher ist ja alles Gegenwart. Braucht es diesen Sprung?
Noch nicht optimal empfinde ich auch den Passus mit dem Magneten: ich würde empfehlen ihn entweder stärker herauszuarbeiten (die Anziehungskraft nimmt exponentiell zur Entfernung zum Magneten hin ab/zu) oder ihn ganz zu streichen.
Und schließlich: die Zeilenumbrüche sind mir etwas zu kurz, manchmal empfinde ich sie als zu zerhackt.

Aber: gern gelesen.
Wie immer bei mir: wozu ich weniger Worte brauche, das überwiegt.
„Auf Zehenspitzen genieße ich
die Aussicht – Freiheitsstraße 41“
das hat es mir angetan.
 

rosste

Mitglied
Hallo scarda !
Danke für deine Anregungen.
Die kurzen Zeilen untereinander ergeben eine Gefängnismauer, über die ich jetzt klettern könnte. Die Zeit wäre jetzt um, wenn ich diesen Schritt machen würde.(Konjunktiv) Aber die Macht der Gewohnheit ist stark wie dieser Dauermagnet. Auch diesmal wieder bleibt es nur beim Versuch, beim Darüber-Reden.
Habe einige deiner Anregungen übernommen.
LG Stephan
 

rosste

Mitglied
Hallo Meral !
Ich öffne die Fenster, schau den Himmel an. Das Gefängnis wird kleiner...
Das war eine gute Idee.

Liebe Grüsse, Stephan
 
D

Denschie

Gast
hi rosste,
dein gefängnis gefällt mir sehr.
die sehr kindlichen formulierungen
(auf zehenspitzen, wärter mit kaugummi
bestechen ...) verdeutlichen gut, was ein
selbstgebautes gefängnis meiner meinung
nach ausmacht: es lässt sich nur allzu
leicht darin aushalten und das macht es noch
viel schwerer auszubrechen. es ist nicht ernst.
in einem "echten" gefängnis wäre es vielleicht
genau umgekehrt.
"verhasst" muss es heißen.
viele grüße,
denschie
 

rosste

Mitglied
Hi Denschie,
danke für deine interprätation. Mir kam dabei eine neue idee: neugier ist ein grund, das geliebte gefängnis zu verlassen...
LG, Stephan
 
D

Denschie

Gast
stimmt, neugier gehört wohl dazu.
interessant wäre ja auch: kann man das
gefängnis vielleicht eher hinter sich
lassen, wenn man jemand anderes hineinkommt?
oder wird der ausbruch dann unnötig,
weil das gefängnis sich in luft auflöst hat?
ein sehr anregendes gedicht.
denschie
 

rosste

Mitglied
ja, jemanden hinein lassen, der einen dann entdecken lässt, dass die mauern reine phantasie sind...
Das muss schon jemand sein, dem man blind vertraut.
Ich denke solche menschen kann man finden, wenn man etwas geduld hat... und neugierig ist.
st.
 



 
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