Im Souterrain

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Perry

Mitglied
Im Souterrain

Wissen sie wie das ist, Tag für Tag nur Beine zu sehen. Selbst wenn ich mich strecke, erhasche ich sie maximal bis zum Knie. Die in den langen Hosen nehme ich längst nicht mehr wahr, nur die wohlgeformten nackten bloßen schlagen mich in ihren Bann, mit ihrem Schwung, ihrer Eleganz, wie bei einem irischen Stepptanz. Stundenlang sehe ich zu, wie sie schreiten, die Schenkel sich kokett schließen und wieder weiten. Inzwischen habe ich ein favorisiertes Paar mit Netzstrümpfen und Stilettos.
Wissen sie wie das ist, sich unsterblich in zwei Flamencobeine zu verlieben. Selbst nachts im Liegen noch den Kastagnettenklang ihrer Stöckel zu hören. Es ist, wie ein Leben lang nur ein Stück vom Himmel zu sehen.
 
H

Hakan Tezkan

Gast
oh perry,

du hier in der prosa? gar in (meiner) kurzprosa? das freut mich aber.
wollen wir mal loslegen:
inhaltlich ist alles relativ klar. da sitzt jemand im kellergeschoss und kann durch das fenster lediglich die beine der menschen betrachten. im weiteren verlauf erzählt dieser ich-erzähler uns von seinen vorlieben und führt zur antwort auf die frage, wie es ist, "tag für tag nur beine zu sehen". deine antwort darauf lautet "es ist, wie ein leben lang nur einen stück vom himmel zu sehen".
die interpretation fällt hier ziemlich einfach. jemand, der sich quasi vergraben hat, oder eingesperrt wurde, (ob der ich-erzähler aktiv oder passiv in das souterrain geraten ist, bleibt unklar) ist nicht fähig die fülle des lebens zu genießen. der leser hat also sehr viele möglichkeiten eigene erfahrungen in diese grundmetapher hinein zu legen.
nun zu meiner kritik: da du nicht schreibst, dass dein ich-erzähler eingesperrt wurde, denkt sich der geneigte leser irgendwann: warum gehst du denn nciht raus, siehst den leuten in die augen, berührst sie?
verstehst du, was ich meine? ich halte es so noch für unglaubwürdig, dass man(frau) einfach sitzen bleibt und weiter füße beobachtet und unglücklich ist.
na gut. jetzt zum handwerklichen:

Wissen sie[red]Komma[/red] wie das ist, Tag für Tag nur Beine zu sehen. Selbst wenn ich mich strecke, erhasche [red]bist du dir sicher, dass "erhaschen das richtige wort ist? ich würde er so schreiben: ...strecke, erkenne ich maximal das Knie.[/red] ich sie maximal bis zum Knie. Die in den langen Hosen nehme ich längst nicht mehr wahr, nur die wohlgeformten nackten bloßen[red] zu viele adjektive, will mir nicht gefallen, ich würd "bloßen" noch streichen[/red] schlagen mich in ihren Bann, mit ihrem Schwung, ihrer Eleganz, wie bei einem irischen Stepptanz. Stundenlang sehe ich [blue]ihnen[/blue] zu, wie [strike]sie schreiten, die Schenkel sich [/strike][blue]sich die Schenkel[/blue] kokett schließen und wieder weiten. [strike]Inzwischen habe ich ein favorisiertes Paar mit Netzstrümpfen und Stilettos.[/strike][red]jetzt gleich kommt noch mal dieses favorisieren, nur stärker, also streiche ich dies, macht den text dichter, schneller.[/red]
Wissen sie[red]Komma[/red] wie das ist, sich unsterblich in zwei Flamencobeine zu verlieben[red]Fragezeichen[/red]. Selbst nachts im Liegen noch den Kastagnettenklang ihrer Stöckel zu hören[red]Fragezeichen[/red]. Es ist, wie ein Leben lang nur ein Stück vom Himmel zu sehen.

Trotzdem hat dein Text was wirklich schönes. Bin gespannt auf deine Antwort.

LG,
Hakan
 

Perry

Mitglied
Hallo Hakan,
danke für deine intensive Textarbeit. Grundsätzlich hast du leider die eingebauten Binnenreime übersehen, wodurch einige Worte natürlich notwendig sind. Es gibt keinen exakten Grund für das Leben des LI im Souterrain, weil es ja als Metapher gedacht ist für einen Menschen, der -aus welchem Grund auch immer- nicht voll am Leben teil haben kann. Ein Teil der von dir geänderten Formulierungen sind Geschmacksache.
Den Kommahinweis übernehme ich gerne, beim Fragezeichen schwanke ich noch, weil es ja ein indirekte Frage ist.

LG
Manfred
 
M

mirami

Gast
hallo perry,

gefällt mir ganz gut, der eingeschränkte blickwinkel auf die beine. nur die netzstrümpfe und stilettos finde ich doch sehr klischeehaft. was hochhackiges darfs schon sein, aber nicht ganz so übertrieben. vielleicht feine riemchensandalen? (dann würde später erwähnte der klang der stöckel trotzdem noch passen) möglicherweise in einer ausgefallenen farbe, oder du könntest irgendeine besonderheit erwähnen, die auf einen bestimmten typ frau (und den somit auch den prot) schließen lässt. teuere italienische schuhe vielleicht, oder irgendwas mit hippiegebamsel dran, oder der dame vielleicht noch ein goldenes fusskettchen anlegen * g*.

ich fragte mich nicht, ob das lyri in irgendeiner art und weise eingeperrt ist. ich hatte eher den eindruck es bereitet ihm wohl einfach ein kurzweiliges voyeuristisches vergnügen. :)


viele grüße
mirami
 

Perry

Mitglied
Hallo mirami,
danke für deine Anregung und Auslegung.
Klar ist auch ein wenig Voyeurismus mit im Spiel. Die Netzstrümpfe und Stilettos wären eventuell entbehrlich, da es mir nur auf die Flamencobeine und den Kastagnettenklang ankommt.
LG
Manfred
 

Joh

Mitglied
hallo Perry,

die Metapher ist mir beim ersten Lesen entgangen, vielleicht im Grinsen verschüttet. Ich behalte den Text dann auch lieber als sympathisches Voyeurstück, eines Mannes mit Geschmack, und gebe ihn einem guten Freund zum lesen, der ähnliche Vorlieben hat :).

lieber Gruß, Johanna
 

Perry

Mitglied
Hallo Joh,
ich selber wohne Parterre, nur meine Fantasie pendelt manchmal zwischen den Etagen des Lebens.
Freut mich, dass dich der Text zum Schmunzeln gebracht hat.
Danke und LG
Manfred
 



 
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