Ein Mann steht in der Stadt. Dort wo ihn jeder sehen kann, schaut er zum Himmel und weitet die Augen. „ Man sieht viel mehr, als man will“, denkt er.
Ein Pärchen zeigt auf ihn, sie trägt Ringe in der Nase, er im Ohr. Beide haben erblindend bunte Haare.
Aber der Mann schließt seine Augen nicht, er hält durch. Eine Gruppe alter Frauen kommt auf ihn zu, in den Händen gefüllte Einkaufsnetze: Äpfel, Dosenhering, Butter, ein Kreuzworträtselheft.
Sie ereifern sich in abgenutzter Stimmlage über „ de Schmarotzer mit durchjestochenen Jesichtern, da hat wohl eener des Jehirn jetroffn“ kopfschüttelnd, die Ohrhänger klimpern, „det Pack muss ich och noch mit meener kleenen Witwe’rente durchfüttern“.
Sie kommen auf den Mann zu, er bekommt es mit der Angst zu tun, will die Arme ausbreiten und sie abwehren…Er kann sich nicht bewegen.Als die Gruppe genau vor ihm steht, reißt ein Netz.
Die Äpfel kullern über den Boden, rollen meterweit, „wie kleine Fische, die froh sind dem sicheren Tod zu entkommen“, denkt der Mann.
Ein bleich aussehender Junge im Grundschulalter schnappt sich einen von ihnen, lässt ihn unter die Jacke gleiten und rennt davon. Der Mann, die Augen immer noch starr geöffnet, will etwas sagen, doch seinem Mund entweicht nur ein Wimmern. Etwas Nasses läuft sein Kinn herunter, der Wind bläst ihn kalt und gefühllos.
Weiterhin steht er wie bewegungslos da, fragt sich, ob er vielleicht eine Eisfigur ist.
Wenn ja, dann wäre er fest wie Stahl, durchsichtig und kühl, ein Kunstwerk in sich.Jeder würde ihn bewundern.
Er würde niemals Geld ausgeben um alt und allein in einem erinnerungs- und nippesträchtigen Wohnzimmer Kästchen mit nichts sagenden Buchstaben zu befüllen, die zu nichts sagenden Worten werden und ihn davon ablenken würden , dass seine Kinder ihn vergessen hatten. Eine Träne lief seine Wange runter.
„ Das kann keine Träne sein“, dachte der Mann. Die Sonne scheint, ich brilliere. In tausend Farben.“
Ein Mädchen kam vorbei.
Ihr blondes Haar changierte bei jedem ihrer beschwingten Schritte in der Sonne, „ich glänze mehr“, dachte sich der Mann stolz, als er sie beäugte.An einer geblümten Leine führte sie einen Hund, ein ziemlich großes Vieh.
„Gleich sieht sie mich“, dachte der Eisfigurenmann erfreut. Er hätte sich am liebsten die Hände gerieben, aber das ging ja nicht.
Die Blonde erblickt ihn, ihre Augen weiteten sich, „wie ich will sie sein“, erkannte er, und ihre Lippen formten ein kleines, perfektes „o“.
Wunderschön sah das aus. Doch dann drehte sie sich, mir nichts, dir nichts, um und ging in eine Seitenstrasse.
Weit kam sie nicht, genauso genommen nur ein Geschäft weiter, Schusters Schuhladen hatte Aktionswochen.
Den Mann interessierte das nicht, er kannte inzwischen jeden Preis im Schaufenster. Der Hund war bei ihm geblieben und die geblümte Leine zog sich inzwischen quer über die Strasse. „Sonne und Blumen“,
dachte der Mann vergnügt bei sich, „ was für ein herrlicher Frühlingstag“.
Plötzlich spürte er etwas Nasses an seinem Bein.
Es traf ihn wie ein Blitzschlag: „Ich brilliere nur begrenzt“, panisch, die Träne, die keine war, das nasse Gefühl,
„Ich schmelze!“
Bald würde er eine Pfütze auf dem Boden sein.
Dort wo nachts die Jugendlichen hinkotzen, wo sich Junkies sitzend ihre Spritzen verpassten und dort,
wo gerade eine alter Mann in senfgelber Regenjacke seinen Kautabak hinspuckt.
Er musste zurück in den Eisschrank seines Erbauers. Er, der unersetzbare Eismann durfte noch nicht gehen, schmelzen, für immer als ein lächerlicher Schluck Wasser durch Kanäle und Abflussrohre fließen.
Doch was sollte er tun? Bewegen konnte er sich. Also wartete der Eismann. Sah unzählbare Menschen kommen und gehen. Die meisten trugen grau, khaki, schwarz.
„Warum nicht du für mich?“, dachte er oft, wenn seine Augen mal wieder diejenigen eines solcher „Einheitsmenschen“ kreuzten.
Und dann, die Pfütze an seinen Füssen glich dem Empfinden nach schon einem Meer, geschah es.
Ein junger Fahrradfahrer fuhr, offensichtlich angetrunken, durch die Stadt, lachte und lallte etwas von dem Regime der Anarchie. „Was für ein Widerspruch“, dachte die Eisfigur, als der Radfahrer geradewegs auf ihn zufuhr, immer näher kam.
Offensichtlich dachte der junge Mann, er, das Eiskunstwerk, sei ein Mensch und könne ihm ausweichen - wirklich eine bedenkliche Menge an Alkohol.
Der Betrunkene war schon fast da, als er den Lenker schwenkte und anfing wie irre zu klingeln.
Dann- der Aufprall. Das nächste was der Eismann sah, war der Boden. Graue raue Oberfläche, zwischendrin etwas Weißes, hoffentlich keine Vogelscheiße, „ich bin nicht zerbrochen“ freute er sich, „ jetzt werden sie einen Fachmann rufen, der mich wieder einfriert und aufstellt“.
Er würde nicht schmelzen. Heute nicht und nie.
Da er sonst nichts zu tun hatte, machte er sich weiter an die Beobachtung des Trottoirs.
Den jungen Radfahrer konnte er nirgends entdecken, vermutlich war er geflohen, wegen Beschädigung öffentlichen Eigentums. Ein Souvenir hatte er dennoch dagelassen,
seine Klingel lag in einer Art rotem Farbklecks.
Klecks war untertrieben. Je weiter der Eismann schaute, desto mehr Rot konnte er auf dem Boden entdecken. Sollte er ersetzt werden, durch eine Bodenmalerei?
Er hörte ein lautes Dröhnen, wie wenn ein Flugzeug abhebt.
Über ihm waren viele Stimmen, Gesichter konnte er nicht sehen, dafür hätte ihn jemand wenden müssen. Aus der Ferne sah er etwas kommen, das aussah wie ein großer Eisschrank auf Rädern.
„ Meine Rettung“ dachte er und er bemühte sich, besonders laut zu denken, um das Dröhnen zu übertönen.
Zwei starke Männer hievten ihn auf eine Trage, „Sind das Azubis?“, fragte sich der Eismann, „studiert man Kunst nicht etwa?“ Eine Frau mit graugelockten Haaren, die er nun erkennen konnte, wendete sich mit entsetztem Gesichtsausdruck ab.
Er wurde in den Eisschrank geschoben, in dem es seltsam warm war.
Bevor sich die Türen für ihn schlossen, rief ein Mann von der Strasse:
„Befreit ihn doch von seiner Zwangsjacke! Der muss sowieso erst zusammengeflickt werden, bevor ihr ihn in die Klapse zurückbringen könnt.“
Ein Pärchen zeigt auf ihn, sie trägt Ringe in der Nase, er im Ohr. Beide haben erblindend bunte Haare.
Aber der Mann schließt seine Augen nicht, er hält durch. Eine Gruppe alter Frauen kommt auf ihn zu, in den Händen gefüllte Einkaufsnetze: Äpfel, Dosenhering, Butter, ein Kreuzworträtselheft.
Sie ereifern sich in abgenutzter Stimmlage über „ de Schmarotzer mit durchjestochenen Jesichtern, da hat wohl eener des Jehirn jetroffn“ kopfschüttelnd, die Ohrhänger klimpern, „det Pack muss ich och noch mit meener kleenen Witwe’rente durchfüttern“.
Sie kommen auf den Mann zu, er bekommt es mit der Angst zu tun, will die Arme ausbreiten und sie abwehren…Er kann sich nicht bewegen.Als die Gruppe genau vor ihm steht, reißt ein Netz.
Die Äpfel kullern über den Boden, rollen meterweit, „wie kleine Fische, die froh sind dem sicheren Tod zu entkommen“, denkt der Mann.
Ein bleich aussehender Junge im Grundschulalter schnappt sich einen von ihnen, lässt ihn unter die Jacke gleiten und rennt davon. Der Mann, die Augen immer noch starr geöffnet, will etwas sagen, doch seinem Mund entweicht nur ein Wimmern. Etwas Nasses läuft sein Kinn herunter, der Wind bläst ihn kalt und gefühllos.
Weiterhin steht er wie bewegungslos da, fragt sich, ob er vielleicht eine Eisfigur ist.
Wenn ja, dann wäre er fest wie Stahl, durchsichtig und kühl, ein Kunstwerk in sich.Jeder würde ihn bewundern.
Er würde niemals Geld ausgeben um alt und allein in einem erinnerungs- und nippesträchtigen Wohnzimmer Kästchen mit nichts sagenden Buchstaben zu befüllen, die zu nichts sagenden Worten werden und ihn davon ablenken würden , dass seine Kinder ihn vergessen hatten. Eine Träne lief seine Wange runter.
„ Das kann keine Träne sein“, dachte der Mann. Die Sonne scheint, ich brilliere. In tausend Farben.“
Ein Mädchen kam vorbei.
Ihr blondes Haar changierte bei jedem ihrer beschwingten Schritte in der Sonne, „ich glänze mehr“, dachte sich der Mann stolz, als er sie beäugte.An einer geblümten Leine führte sie einen Hund, ein ziemlich großes Vieh.
„Gleich sieht sie mich“, dachte der Eisfigurenmann erfreut. Er hätte sich am liebsten die Hände gerieben, aber das ging ja nicht.
Die Blonde erblickt ihn, ihre Augen weiteten sich, „wie ich will sie sein“, erkannte er, und ihre Lippen formten ein kleines, perfektes „o“.
Wunderschön sah das aus. Doch dann drehte sie sich, mir nichts, dir nichts, um und ging in eine Seitenstrasse.
Weit kam sie nicht, genauso genommen nur ein Geschäft weiter, Schusters Schuhladen hatte Aktionswochen.
Den Mann interessierte das nicht, er kannte inzwischen jeden Preis im Schaufenster. Der Hund war bei ihm geblieben und die geblümte Leine zog sich inzwischen quer über die Strasse. „Sonne und Blumen“,
dachte der Mann vergnügt bei sich, „ was für ein herrlicher Frühlingstag“.
Plötzlich spürte er etwas Nasses an seinem Bein.
Es traf ihn wie ein Blitzschlag: „Ich brilliere nur begrenzt“, panisch, die Träne, die keine war, das nasse Gefühl,
„Ich schmelze!“
Bald würde er eine Pfütze auf dem Boden sein.
Dort wo nachts die Jugendlichen hinkotzen, wo sich Junkies sitzend ihre Spritzen verpassten und dort,
wo gerade eine alter Mann in senfgelber Regenjacke seinen Kautabak hinspuckt.
Er musste zurück in den Eisschrank seines Erbauers. Er, der unersetzbare Eismann durfte noch nicht gehen, schmelzen, für immer als ein lächerlicher Schluck Wasser durch Kanäle und Abflussrohre fließen.
Doch was sollte er tun? Bewegen konnte er sich. Also wartete der Eismann. Sah unzählbare Menschen kommen und gehen. Die meisten trugen grau, khaki, schwarz.
„Warum nicht du für mich?“, dachte er oft, wenn seine Augen mal wieder diejenigen eines solcher „Einheitsmenschen“ kreuzten.
Und dann, die Pfütze an seinen Füssen glich dem Empfinden nach schon einem Meer, geschah es.
Ein junger Fahrradfahrer fuhr, offensichtlich angetrunken, durch die Stadt, lachte und lallte etwas von dem Regime der Anarchie. „Was für ein Widerspruch“, dachte die Eisfigur, als der Radfahrer geradewegs auf ihn zufuhr, immer näher kam.
Offensichtlich dachte der junge Mann, er, das Eiskunstwerk, sei ein Mensch und könne ihm ausweichen - wirklich eine bedenkliche Menge an Alkohol.
Der Betrunkene war schon fast da, als er den Lenker schwenkte und anfing wie irre zu klingeln.
Dann- der Aufprall. Das nächste was der Eismann sah, war der Boden. Graue raue Oberfläche, zwischendrin etwas Weißes, hoffentlich keine Vogelscheiße, „ich bin nicht zerbrochen“ freute er sich, „ jetzt werden sie einen Fachmann rufen, der mich wieder einfriert und aufstellt“.
Er würde nicht schmelzen. Heute nicht und nie.
Da er sonst nichts zu tun hatte, machte er sich weiter an die Beobachtung des Trottoirs.
Den jungen Radfahrer konnte er nirgends entdecken, vermutlich war er geflohen, wegen Beschädigung öffentlichen Eigentums. Ein Souvenir hatte er dennoch dagelassen,
seine Klingel lag in einer Art rotem Farbklecks.
Klecks war untertrieben. Je weiter der Eismann schaute, desto mehr Rot konnte er auf dem Boden entdecken. Sollte er ersetzt werden, durch eine Bodenmalerei?
Er hörte ein lautes Dröhnen, wie wenn ein Flugzeug abhebt.
Über ihm waren viele Stimmen, Gesichter konnte er nicht sehen, dafür hätte ihn jemand wenden müssen. Aus der Ferne sah er etwas kommen, das aussah wie ein großer Eisschrank auf Rädern.
„ Meine Rettung“ dachte er und er bemühte sich, besonders laut zu denken, um das Dröhnen zu übertönen.
Zwei starke Männer hievten ihn auf eine Trage, „Sind das Azubis?“, fragte sich der Eismann, „studiert man Kunst nicht etwa?“ Eine Frau mit graugelockten Haaren, die er nun erkennen konnte, wendete sich mit entsetztem Gesichtsausdruck ab.
Er wurde in den Eisschrank geschoben, in dem es seltsam warm war.
Bevor sich die Türen für ihn schlossen, rief ein Mann von der Strasse:
„Befreit ihn doch von seiner Zwangsjacke! Der muss sowieso erst zusammengeflickt werden, bevor ihr ihn in die Klapse zurückbringen könnt.“