Jungfer Marthel

3,00 Stern(e) 4 Bewertungen

Inge Anna

Mitglied
Jungfer Marthel

Ein Blickfang war die Marthel nie;
schon als sie in der Wiege schrie,
kehlte die Sippe im Choral:
"oh, schenkt dem Kloster Personal!"

Die Spiegel höhnten ihr Gesicht,
doch Marthel nahm den Schleier nicht;
sie spürte unter ihrer Krust'
den Drang nach Mann und Liebeslust.

Ach, dass sie einer küssen tät',
bat sie im Wirbelsäulenbett,
in dem einst Tante Kath entschlief,
von Plackerei das Rückgrat schief.

Kein Mann ließ sich bei Marthel sehn -
so durfte das nicht weitergehn;
sie überfraß sich dann und wann -
die Mehrzufuhr schlug mächtig an.

Mit dreißig sie dann einen fand,
der wohl auf langer Leitung stand;
sein Kuss war kalte Katastroph' -
freiwillig walzte er vom Hof.

Zehn Jahr' danach kam Isidor,
der knackte ihren Haustresor,
hat flott sich aus dem Staub gemacht,
im Rückenwind der Hochzeitsnacht.

Doch als sie sechzig, war's soweit -
ein Kegel-Opa mit viel Zeit,
er zählte der Jahrzehnte acht,
küsste die Runzeln mit Bedacht.

Dann setzte er die Brille auf
und tat 'nen langgezog'nen Schnauf.
Was er da sah, schnitt ihm das Wort -
sie kickte flugs die Brill' ihm fort.​
 
K

Klopfstock

Gast
Ein flott gemachtes, pfiffiges Gedicht "altjüngferlichen Inhalts";);) jedoch ohne "Krust" und mit Lust zu lesen,
liebe Inge Anna. Meine Lieblingsstrophe ist die mit dem Isidor:D
"Im Rückenwind der Hochzeitsnacht" *ein kräftiges Doppelgrins* dafür!!!
Ja, in unserer, auf totale Äußerlichkeit ausgerichteten
Welt, ist Häßlichkeit, vor allem bei Frauen,
scheints ein Verbrechen.
Ein Gedicht nicht nur fröhlichen Inhalts - regt auch zum Nachdenken an. Und man kann sich mit diesem Gedicht vor den eigenen Spiegel stellen in Gewißheit, daß man selber
doch ziemlich weit von dieser Häßlichkeit entfernt ist ;)

Wünsche Dir einen
schönen Tag
und sende liebe Grüße
Klopfstock :)
 
D

DeGie

Gast
Liebe I-A,

Du gestattest doch hoffentlich, daß ich etwas moser - auch wenn die Story erheiternd ist und ein paar andere Besucher schon "nichts zu meckern" hatten.
Die Story ist durchaus "flüssig und mit Freude zu lesen".
Der rhythmische Fluß paßt "augezeichnet" zum Inhalt.

Es bleiben aber ein paar Betonungsschwächen und diverse Unschlüssigkeiten, weshalb man sagen könnte, die Story "habe was und könnte mit etwas Mühe gut werden".

Bitte sage mir, ob Du mit meinen Anmerkungen was anfangen kannst!
Und ob du solche überhaupt wünscht!

In ein paar Tagen werde ich eine ehrliche und nichtanonyme Bewertung abgeben.
Wenn Du das nicht wünscht, so teile mir das bitte mit, und ich lasse es bleiben.
Keinesfalls will ich Dir den Spaß am Dichten vermiesen!

Auf der anderen Seite finde ich, daß halbfertige Sachen z.B. nichts auf Bestenlisten zu suchen haben.
In erster Linie schreibst Du ja, damit Du selber Spaß am Schreiben und viele Leser Spaß am Lesen haben.
Letzteren hatte auch ich - sonst hätte ich mich nicht so lange damit beschäftigt.








Ursprünglich veröffentlicht von Inge Anna
Jungfer Marthel

Ein Blickfang war die Marthel nie;
schon als sie in der Wiege schrie,
[red]die Sippe kehlte[/red] im Choral:[blue]
oder "da kehlt' die Sippe...", auf jeden Fall würde ich es vermeiden, bei "kehlte" die zweite Silbe zu betonen![/blue]
"oh, schenkt dem Kloster Personal!"

Die Spiegel höhnten ihr Gesicht,[blue]
Eigentlich nette Formulierung - nur die Grammatik etwas merkwürdig...[/blue]
doch Marthel nahm den Schleier nicht;[blue]
Welchen eigentlich? Nähme sie ihn denn nicht, böte ihn ihr jemand an?[/blue]
sie spürte unter ihrer Krust'[blue]
"Krust'"... na ja...[/blue]
den Drang nach Mann und Liebeslust.

Ach, dass sie einer küssen tät',
bat sie im Wirbelsäulenbett,[blue]
Reim? Welche Rolle spielt denn das Wirbelsäulenbett - und was ist das?[/blue]
in dem einst Tante Kath entschlief,
von Plackerei das Rückgrat schief.
[red]"Wenn nur mich einer küssen tät"
so sinnte sie am Pulsgerät
wo Tante Käthe schief entschlief
am Friedhof legte man sie tief[/red]

[blue]...oder wie auch immer - der genaue Inhalt ist ja egal[/blue]

Kein Mann ließ sich bei Marthel sehn -
so durfte das nicht weitergehn;
sie überfraß sich dann und wann -
die Mehrzufuhr schlug mächtig an.[blue]Hier kommen die letzten beiden Zeilen etwas übergangslos.[/blue]
[red]So dachte sie, die unterdessen
aus Frust zur Kugel sich gefressen[/red]



Mit dreißig sie dann einen fand,
der wohl auf langer Leitung stand;
sein Kuss war kalte Katastroph' -
freiwillig walzte er vom Hof.
[blue]Wieso walzte er? Bisher wissen wir nur um Marthels Walzbarkeit!
Ich präferierte übrinx "Katastrophe / Hofe"[/blue]

Zehn Jahr' danach kam Isidor,
der knackte ihren Haustresor,
hat flott sich aus dem Staub gemacht,
im Rückenwind der Hochzeitsnacht.[blue]
Schön![/blue]

Doch als sie sechzig, war's soweit -
ein Kegel-Opa mit viel Zeit,
er zählte der Jahrzehnte acht,
küsste die Runzeln mit Bedacht.[blue]
Wieder Betonung! "Küsste" sollte man nicht auf der zweiten Silbe betonen!
Wieso küßte er mit Bedacht?
Allerdings wäre "der Runzeln küßte, daß es kracht'" auch nicht mein absoluter Favorit.[/blue]

Dann setzte er die Brille auf
und tat 'nen langgezog'nen Schnauf.
Was er da sah, schnitt ihm das Wort -
sie kickte flugs die Brill' ihm fort.

[blue]Die "Brill'"... Hört sich nicht toll an...
Besser das Apostroph beim "kickt'" und das "ihm" direkt danach!


Das war es jetzt?
Irgendwie fehlt ein Schluß! [/blue]
[red]
Den Ort verließ fast blind der Greis
So leider übersah das Gleis
Und da schon taub seit langer Weile
Der Zug ihn teilte in drei Teile

Einstweilen ziemlich dumm gelaufen
Für Marthel wars zum Haareraufen
die weiter fraß mit lautem Schmatzen
Bis irgendwann man hört' sie Platzen

So blieb - als ob man das nicht wüßte
sie weiterhin die Ungeküßte....
[/red]


 
K

Klopfstock

Gast
Lieber DeGie,
nur ganz kurz und dann bin ich weg. Die Betonung Deiner
"ehrlichen Bewertung" läßt den Eindruck aufkommen, die Bewertungen der "anderen Besucher" sind es nicht.
Vielleicht empfinden sie es einfach anders - die Freiheit muß sein. Denke bitte nur an Alfis Gedicht und an die beiden Meinungen dazu (hier sage ich nur: der eine fand,
Alfis Gedicht sei keines, der andere gab ihm dafür eine 7)
Willst Du den beiden Ehrlichkeit absprechen?
So viel zur Verteidigung meiner Ehrlichkeit, die ich mir nicht absprechen lassen möchte.

Und schon bin ich weg -
Liebe Grüße
Klopfstock :)
 
D

DeGie

Gast
Sorry, Klopfilein,

so war es wirklich nicht gemeint...

Ich wollte nur von meiner Bewertung sprechen!

Wenn ich einem Gedicht einen Sechser oder Siebener gebe (vielleicht gebe ich diesem hier ja letztendlich noch mehr), dann schiele ich nicht darauf, ob ich es von der Bestenliste kicke (die ich als solche nie besuche) oder wer es geschrieben hat, sondern versuche einfach meine Beurteilung in Zahlen zu fassen.

Natürlich kann auch ein Gedicht mit Schwachstellen ein Neuner sein, warum nicht. Bei Humorgedichten kann man ja auch den Spaßfaktor in den Vordergrund stellen.

Ich gehe bei jeder offen angezeigten Bewertung davon aus, daß sie ehrlich ist - schließlich gibt es jemanden, der dazu steht.
Lediglich anonymen Bewertern unterstelle ich ganz prinzipiell, zu wenig Charakter zu zeigen, als daß man ihre Bewertung ernst nehmen müßte.

Reich-Ranicki bewertet übrinx auch nicht anonym.

Meines Erachtens ist eine Bewertung eine Rückmeldung an den Autoren.
Daß manche Leute daraus Balken und Bestenlisten machen wollen, zeugt von ihrem tollen Literaturverständnis.
 

Inge Anna

Mitglied
Spiegel

Hallo Irene,
weißt Du eigentlich, dass mir Spiegel nichts anhaben können? Einerseits traurig, andererseits 'ne Frustbremse, wenn mal das Haarteil schief sitzt. Danke fürs Lesen und Kommentieren.
Einen angenehmen Tagesausklang wünscht Dir
Inge Anna
 
D

DeGie

Gast
Da ich just höre, daß das Gedicht auf jeden Fall unverändert bleiben soll, habe ich gerade meine Bewertung abgegeben (mit der ich ja eigentlich noch warten wollte).

Eine Schlechtbewertung des Werkes wurde mir freigestellt.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Möglichkeit genutzt habe.

Vielleicht sollte man im Profil einstellen können, ob man Lektorate o.ä. wünscht.
Was man natürlich nicht kann, da die LL-Führung das ja zum Ziel dieses Forums erklärt hat.

Viel Spaß Euch allen beim Schreiben und Lesen weiterhin!
 
I

IKT

Gast
Liebe Inge Anna, ob rhythmisch gut, Versmaß richtig oder was sonst noch so möglich ist, ist mir eigentlich bei Marthelchen völlig schnuppe! Ich find's einfach superlustig, aber auch tiefsinnig. Denn Du beschreibst vergangenes, dass man doch in allen Jahrzehnten (und weiter) wiederfindet. Nämlich, dass man von Äußerlichkeiten ausgeht. Das Marthel nicht den Schleier nahm (sprich: nicht ins Kloster ging) war doch dann recht mutig, denn oft blieb solchen (häßlichen? Vorurteil!) Mädchen ja nichts anderes. Es sei denn sie waren reich!
Ganz liebe Grüße schickt mit einem immer noch währenden Schmunzeln IKT
 

Inge Anna

Mitglied
Hallo IKT,
danke fürs Lesen und Kommentieren. Hatte übrigens in jungen Jahren auch mal Klostergedanken... Ich wünsche Dir noch einen angenehmen Abend und sende liebe Grüße
Inge Anna
 



 
Oben Unten