Der Kampf war kurz und heftig. Er traf mich unvorbereitet, aber die Deutlichkeit meiner Niederlage war so offenkundig, dass ich dies nicht als Entschuldigung heranziehen kann. Die Schnelligkeit, mit der die Kassiererin die Sachen übers Band gezogen hatte, die Virtuosität mit der ihre Finger über das Tastaturfeld der Registrierkasse huschten, ließen mir keine Chance. Ich hatte alle Mühe, den australischen Chardonnay, „Karlskrone“ Alsterwasser und „Sterngold“ Apfelmus ohne Beschädigung in meinen Einkaufswagen zu befördern – immer stärker, heftiger und schneller war mir der Schwall von Gläsern, Dosen und Papp-Verpackungen erschienen, der sich auf dem silber-geriffelten Blech hinter dem Kassenfließband angesammelt hatte. Und als der Strom endete, bauten sich immer noch turmhoch „Knusperone“-Zimtchips, „Tandil“-Spülmaschinentabs und „rio d´oro“-Apfelsaftverpackungen hinter dem Fließband auf, während die Kassiererin mir – ohne mich dabei anzuschauen - ihre Hand schon mit dem Kassenzettel und abgezähltem Wechselgeld entgegenhielt – bevor ich überhaupt wusste, wo ich mein Portemonnaie hin gesteckt hatte, geschweige denn, mit welchem Geldschein ich bezahlen würde.
„Sechsundzwanzig Euro siebenunddreißig.“
Schweiß bildete sich auf meiner Stirn. Nie werde ich den geringschätzigen Blick der Kassiererin vergessen, während ich versuchte, mit der linken Hand die restlichen Waren abzuräumen und mit der rechten in den Innentaschen meiner Jacke nach dem Portemonnaie zu suchen. Endlich fand ich die Geldbörse, öffnete sie mit zitternden Fingern und holte je einen zum Wechselgeld passenden Zehn- und einen Zwanzig-Euroschein heraus. Keine Zeit, den Druckknopf des Münzfachs zu öffnen, stopfte ich drei Euro dreiundzwanzig Wechselgeld samt Kassenzettel in die Hosentasche, wischte mit einer Handbewegung die letzten, unzerbrechlichen Gegenstände vom Plateau in den Einkaufswagen und verließ fluchtartig die Aldi-Filiale. Draußen holte ich erstmal tief Luft.
Nie im Leben hatte ich mich so gedemütigt gefühlt. Öffentlich angezählt, versagt. Doch noch während ich den Lebensmittelvorrat für die kommende Woche im Kofferraum verstaute, änderte sich meine Stimmung. Wie ein Boxer, der sich plötzlich in einer Ecke des Rings am Boden findet, aufsteht und den Schmerz über den unerwarteten Tiefschlag als Quelle seiner Wut und Energie für den Gegenschlag nutzt, schwor ich mir – während ich den Einkaufswagen zurückbrachte – Rache zu nehmen. Schon bald. In dieser Filiale.
Und jetzt ist der Tag der Abrechnung gekommen. Äußerlich nicht von den anderen Kunden zu unterscheiden, betrete ich die Stätte meiner Niederlage, folge aber diesmal beim Bepacken meines Einkaufswagens einem ausgefeilten Plan, den ich in den vergangenen Wochen wieder und wieder durchgegangen bin. Nach einer guten halben Stunde stelle ich mich ans Ende der Schlange, hole tief Luft und gehe alles noch mal im Geiste durch. In wenigen Sekunden wird der Kampf beginnen.
Am Start gerate ich etwas in Rückstand. Der Typ vor mir muss seine fünf Packungen „Gartenkrone“-Buttergemüse und die „Baroni“-Champignonbaguettes noch abräumen, bevor er seinen Einkaufswagen Richtung Ausgang bewegt und endlich Platz für meinen macht. Die Kassiererin hat unterdessen „kokett“-Klopapier, -Küchenrollen und -Taschentücher, „Mamia“-Höschenwindeln und „Olivia“-Damenbinden zwar schon aufs Plateau geschoben, aber da diese Artikel nur als weiche Unterlage für die nächsten dienen sollen, wische ich sie mit einer einzigen Handbewegung in den Wagen.
Einen möglichen Rückstand hatte ich einkalkuliert und als nächstes unzerbrechliche Kleinteile mit unterschiedlichen Preisen aufs Band gestellt. Mit „Mission“-Ananas in Scheiben, „Sweet Valley“-Mandarinen-Orangen, „Bill Collins“ Feuerzauber Texas, „La Miranda“ Thunfisch in Öl, „Romeo“-Hundenahrung für 65 Cent, „Koppa“-Hundenahrung für 79 Cent, „Shah“-Katzenfutter für 34 Cent und „Cachet“-Katzenfutter für 29 Cent kämpfe ich mich wieder heran. Von jedem nur eine Dose. Ich will es ihr schließlich nicht zu leicht machen.
Jetzt kommen die seltenen Artikel. Bei „Kaiserpfalz“ Magenbrot, “St. Benedikt“ Meerwasser-Nasenspray und Lachsöl, „Schluckwerder“ Edelmarzipaneiern, Nürnberger Oblatenlebkuchen – es ist mitten im Sommer -, „Sweet Valley“ Kuvertüre, „Kür“ Haarlack, „Nicole“ Parfüm-Deospray, „Lacura“ Tages- und Nachtkrem, „Joka“ Wildpreiselbeeren und „Krüger if“ Magnesiumtabletten muss sie jedes mal einen Sekundenbruchteil nachdenken und es gelingt mir, das Plateau vollständig leer zu räumen. Ihre Bewegungen verraten erste Anzeichen von Unsicherheit.
Als nächstes die Artikel, die als „nur vorübergehend im Angebot“ gekennzeichnet waren. Mit Abschminktüchern, Auto-Ersatzlampen-Set, Dosenbrot, Edelstahlreiniger und Bihunsuppe tut sie sich schwer. Als ich den englischen Brotaufstrich nehmen will sagt sie: „Den noch nicht“, und bei „Cutasept“ gegen Fußpilz muss sie sogar ihre Kollegin fragen - ich lasse währenddessen einen genervten Seufzer hören – bevor sie mir die Tube gibt.
Dann ist Schluss. Zum Finale habe ich mir noch eine Flasche „Veuve Monsigny“ gegönnt.
„Dreiunddreißig Euro siebenundzwanzig“, sagt sie und hält mir den Kassenbon mit sechs Euro dreiundsechzig Wechselgeld entgegen.
Aber ich habe längst in meine Hosentasche gegriffen.
„Ich hab´s passend“, antworte ich – ihr dreiunddreißig Euro siebenundzwanzig entgegenhaltend und überlegen zulächelnd.
Wie erstarrt wirkt sie, hat sichtlich Mühe, in ihrer Verwirrung das Kleingeld in die jeweiligen Kästchen der Registrierkasse einzusortieren. Ich aber wünsche ein schönes Wochenende, verlasse erhobenen Hauptes die Aldi-Filiale und lasse mir meine gute Laune auch nicht dadurch verderben, dass ich – ohne Hund, Katze, Baby, Fußpilz oder konkreten Bedarf für Damenbinden – jetzt als erstes einen großen Müllcontainer aufsuchen werde.
„Sechsundzwanzig Euro siebenunddreißig.“
Schweiß bildete sich auf meiner Stirn. Nie werde ich den geringschätzigen Blick der Kassiererin vergessen, während ich versuchte, mit der linken Hand die restlichen Waren abzuräumen und mit der rechten in den Innentaschen meiner Jacke nach dem Portemonnaie zu suchen. Endlich fand ich die Geldbörse, öffnete sie mit zitternden Fingern und holte je einen zum Wechselgeld passenden Zehn- und einen Zwanzig-Euroschein heraus. Keine Zeit, den Druckknopf des Münzfachs zu öffnen, stopfte ich drei Euro dreiundzwanzig Wechselgeld samt Kassenzettel in die Hosentasche, wischte mit einer Handbewegung die letzten, unzerbrechlichen Gegenstände vom Plateau in den Einkaufswagen und verließ fluchtartig die Aldi-Filiale. Draußen holte ich erstmal tief Luft.
Nie im Leben hatte ich mich so gedemütigt gefühlt. Öffentlich angezählt, versagt. Doch noch während ich den Lebensmittelvorrat für die kommende Woche im Kofferraum verstaute, änderte sich meine Stimmung. Wie ein Boxer, der sich plötzlich in einer Ecke des Rings am Boden findet, aufsteht und den Schmerz über den unerwarteten Tiefschlag als Quelle seiner Wut und Energie für den Gegenschlag nutzt, schwor ich mir – während ich den Einkaufswagen zurückbrachte – Rache zu nehmen. Schon bald. In dieser Filiale.
Und jetzt ist der Tag der Abrechnung gekommen. Äußerlich nicht von den anderen Kunden zu unterscheiden, betrete ich die Stätte meiner Niederlage, folge aber diesmal beim Bepacken meines Einkaufswagens einem ausgefeilten Plan, den ich in den vergangenen Wochen wieder und wieder durchgegangen bin. Nach einer guten halben Stunde stelle ich mich ans Ende der Schlange, hole tief Luft und gehe alles noch mal im Geiste durch. In wenigen Sekunden wird der Kampf beginnen.
Am Start gerate ich etwas in Rückstand. Der Typ vor mir muss seine fünf Packungen „Gartenkrone“-Buttergemüse und die „Baroni“-Champignonbaguettes noch abräumen, bevor er seinen Einkaufswagen Richtung Ausgang bewegt und endlich Platz für meinen macht. Die Kassiererin hat unterdessen „kokett“-Klopapier, -Küchenrollen und -Taschentücher, „Mamia“-Höschenwindeln und „Olivia“-Damenbinden zwar schon aufs Plateau geschoben, aber da diese Artikel nur als weiche Unterlage für die nächsten dienen sollen, wische ich sie mit einer einzigen Handbewegung in den Wagen.
Einen möglichen Rückstand hatte ich einkalkuliert und als nächstes unzerbrechliche Kleinteile mit unterschiedlichen Preisen aufs Band gestellt. Mit „Mission“-Ananas in Scheiben, „Sweet Valley“-Mandarinen-Orangen, „Bill Collins“ Feuerzauber Texas, „La Miranda“ Thunfisch in Öl, „Romeo“-Hundenahrung für 65 Cent, „Koppa“-Hundenahrung für 79 Cent, „Shah“-Katzenfutter für 34 Cent und „Cachet“-Katzenfutter für 29 Cent kämpfe ich mich wieder heran. Von jedem nur eine Dose. Ich will es ihr schließlich nicht zu leicht machen.
Jetzt kommen die seltenen Artikel. Bei „Kaiserpfalz“ Magenbrot, “St. Benedikt“ Meerwasser-Nasenspray und Lachsöl, „Schluckwerder“ Edelmarzipaneiern, Nürnberger Oblatenlebkuchen – es ist mitten im Sommer -, „Sweet Valley“ Kuvertüre, „Kür“ Haarlack, „Nicole“ Parfüm-Deospray, „Lacura“ Tages- und Nachtkrem, „Joka“ Wildpreiselbeeren und „Krüger if“ Magnesiumtabletten muss sie jedes mal einen Sekundenbruchteil nachdenken und es gelingt mir, das Plateau vollständig leer zu räumen. Ihre Bewegungen verraten erste Anzeichen von Unsicherheit.
Als nächstes die Artikel, die als „nur vorübergehend im Angebot“ gekennzeichnet waren. Mit Abschminktüchern, Auto-Ersatzlampen-Set, Dosenbrot, Edelstahlreiniger und Bihunsuppe tut sie sich schwer. Als ich den englischen Brotaufstrich nehmen will sagt sie: „Den noch nicht“, und bei „Cutasept“ gegen Fußpilz muss sie sogar ihre Kollegin fragen - ich lasse währenddessen einen genervten Seufzer hören – bevor sie mir die Tube gibt.
Dann ist Schluss. Zum Finale habe ich mir noch eine Flasche „Veuve Monsigny“ gegönnt.
„Dreiunddreißig Euro siebenundzwanzig“, sagt sie und hält mir den Kassenbon mit sechs Euro dreiundsechzig Wechselgeld entgegen.
Aber ich habe längst in meine Hosentasche gegriffen.
„Ich hab´s passend“, antworte ich – ihr dreiunddreißig Euro siebenundzwanzig entgegenhaltend und überlegen zulächelnd.
Wie erstarrt wirkt sie, hat sichtlich Mühe, in ihrer Verwirrung das Kleingeld in die jeweiligen Kästchen der Registrierkasse einzusortieren. Ich aber wünsche ein schönes Wochenende, verlasse erhobenen Hauptes die Aldi-Filiale und lasse mir meine gute Laune auch nicht dadurch verderben, dass ich – ohne Hund, Katze, Baby, Fußpilz oder konkreten Bedarf für Damenbinden – jetzt als erstes einen großen Müllcontainer aufsuchen werde.