Katharina II

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Katharina II

Katharina verließ die Nacht durch die falsche Haustür und wusste noch immer nicht, was sie ihm sagen würde, wenn sie wieder daheim wäre. Dass sie sich für ein paar Stunden vor dem Regen verkrochen hätte, der seit Wochen fiel, vielleicht, oder dass die Musik nicht aufhören wollte und sie sich weitergedreht und zu viel getrunken hätte und sich schließlich alles drehte und sie erst einmal eine Weile still sitzen musste, mit sich allein, bis sie das Standbild wiederfand, oder dass sie sich verirrt hätte da draußen, sich einfach verlaufen, und lange suchen musste und immer noch nicht sicher wäre, wo sie sei.
„Unsinn“, flüsterte sie in die Straßenbahnscheibe, die ihr Spiegelbild durch den Morgen zerrte, blass und ganz anders, als sie es in Erinnerung hatte. Unsinn! Aber sie wusste nicht so recht, was sie damit meinte.
Es würde Frühstück geben, dachte sie, während die Häuser vorbeizogen, die Kinder würden die Teller tragen, jeden einzeln, den Tisch decken und die Stühle ganz dicht heranziehen, und die leeren Straßen, in denen nur das Herbstlaub tanzte, Tee, weil sie Kaffee nicht mochte, und Aufschnitt und Mama-weißt-du, während er warten würde, dass sie etwas sagte, und hier und da in einer Ecke ein Häuflein dessen, was die Nacht zurückgelassen hatte.
Sie würde ihn nicht vergessen können, den Namen und seine Hände und dass er sie fragte, wer sie sei und sie ihre Geschichte ganz anders erzählte als sonst und sich selbst darin erkannte und dieses Selbst mochte und es ihm daließ, es ihm schenkte, lachend, weil es zum Weinen noch zu früh war und zu schön und er ihr die Haare wegstrich, um sie sehen zu können in seinem dunklen Zimmer, das gar nicht so dunkel war, weil man ja alles ganz einfach fand, was man suchte, als wäre man schon immer dort und hätte nur bis eben etwas anderes geträumt, einen Traum mit leisen Schlüsseln, einer schweren Tür und Kleiderhaken, an denen eine fremde Welt hing.
Katharina, hoffte sie, würde er denken, während ihre Jacke immer wieder vom Bügel rutschte.
 

HajoBe

Mitglied
Ein Text, der aufwühlt. Hervorragend in der Sprache und Linienführung, geheimnisvoll und doch so präsent im Ausdruck. Sehr gerne gelesen.
LG HajoBe
 
K

KaGeb

Gast
Hallo eene...,

warum der Umweg über die Vergangenheit? Ich könnte (als Leser) besser folgen, wenn es gerade passiert :)

Beispiel:

Katharina verließ die Nacht durch die falsche Haustür und wusste noch immer nicht, was sie ihm sagen würde, wenn sie wieder daheim wäre. Dass sie sich für ein paar Stunden vor dem Regen verkrochen hätte, der seit Wochen fiel, vielleicht, oder dass die Musik nicht aufhören wollte und sie sich weitergedreht und zu viel getrunken hätte und sich schließlich alles drehte und sie erst einmal eine Weile still sitzen musste, mit sich allein, bis sie das Standbild wiederfand,
Vorschläge:
Katharina verlässt die Nacht durch die falsche Haustür, weiß nicht, wie sie es ihm sagen soll, wenn sie Daheim ist.
Vielleicht, dass sie sich für ein paar Stunden vor dem Regen verkriechen wollte, dass die Musik einfach nicht aufgehört hat und sie sich immerzu weiterdrehen musste, zuviel getrunken, blablabla ...

Nur so eine Idee.

L.G.
 
Moin KaGeb!

Stimmt, ist natürlich nicht unbedingt nötig, die Vergangenheit.
Dass sie, wie Du sagst, das Lesen erschwert, kann ich allerdings nicht nachvollziehen, find' im Gegenteil, dass der Text auf diese Art besser fließt.
Aber ich werd' es für mich mal umstellen und schauen, wie es wirkt.
Danke auf jeden Fall für den Hinweis - hatte bisher darüber nicht nachgedacht.

Ach, und: "blablabla"?! ;)

LG
 
Katharina II

Katharina verließ die Nacht durch die falsche Haustür und wusste noch immer nicht, was sie ihm sagen würde, wenn sie wieder daheim wäre.

Dass sie sich für ein paar Stunden vor dem Regen verkrochen hätte, der seit Wochen fiel, vielleicht, oder dass die Musik nicht aufhören wollte und sie sich weitergedreht und zu viel getrunken hätte und sich schließlich alles drehte und sie erst einmal eine Weile still sitzen musste, mit sich allein, bis sie das Standbild wiederfand, oder dass sie sich verirrt hätte da draußen, sich einfach verlaufen, und lange suchen musste und immer noch nicht sicher wäre, wo sie sei.

„Unsinn“, flüsterte sie in die Straßenbahnscheibe, die ihr Spiegelbild durch den Morgen zerrte, blass und ganz anders, als sie es in Erinnerung hatte.

Unsinn!

Es würde Frühstück geben, dachte sie, während die Häuser vorbeizogen, die Kinder würden die Teller tragen, jeden einzeln, den Tisch decken und die Stühle ganz dicht heranziehen, und die leeren Straßen, in denen nur das Herbstlaub tanzte, Tee, weil sie Kaffee nicht mochte, und Aufschnitt und Mama-weißt-du, während er warten würde, dass sie etwas sagte, und hier und da in einer Ecke ein Häuflein dessen, was die Nacht zurückgelassen hatte.

Sie würde ihn nicht vergessen können, den Namen und seine Hände und dass er sie fragte, wer sie sei und sie ihre Geschichte ganz anders erzählte als sonst und sich selbst darin erkannte und dieses Selbst mochte und es ihm daließ, es ihm schenkte, lachend, weil es zum Weinen noch zu früh war und zu schön und er ihr die Haare wegstrich, um sie sehen zu können in seinem dunklen Zimmer, das gar nicht so dunkel war, weil man ja alles ganz einfach fand, was man suchte, als wäre man schon immer dort und hätte nur bis eben etwas anderes geträumt – einen Traum mit leisen Schlüsseln, einer schweren Tür und Kleiderhaken, an denen eine fremde Welt hing.

Katharina, hoffte sie, würde er denken, während ihre Jacke immer wieder vom Bügel rutschte.
 

HajoBe

Mitglied
Finde es nach der Umstellung besser. Allerdings gebe ich KaGeb Recht, was die Schilderung in der Gegenwart angeht. Es klänge lebendiger...meine ich.
LG HajoBe
 
hey!

ja, hab inzwischen auch eine version im präsens und muss gestehen, dass sie mir mehr und mehr gefällt ...

danke für den nochmaligen anstoss ;)

lg
 
U

USch

Gast
Hallo eenemenetekel,
ein kreativer und stilsicher geschriebener Text, den ich sehr gern gelesen habe. Ich finde ihn in der Vergangenheitsform lebendig genug und auch passender zum Geschehen.
LG USch
 



 
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