Kenntnis - Sonett Variation

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Walther

Mitglied
Kenntnis
- Daktylische sonett variation -


Es gab da den einen Der machte die worte
Die zeiten bewegen Und nächte erhellen
Die stimmen belegen Die hell über quellen
Und böses verneinen Doch von dieser sorte

Der worte die heilen Gibt es viel zu selten
Die einsamen rufer Die welten erretten
Sie bauten die ufer Zerschlugen die ketten
Und wanden zu seilen Die fäden die schnellten

Aus tiefen und höhen Könnt ihr sie nicht hören
Dann schließt eure augen Und spitzt eure ohren
Sonst hört ihr die leisen Gesänge verklingen

Als glichen sie flöhen Die gleich wieder springen
Nur vorher kurz saugen Sie sollen betören
Die herzen enteisen Sie wären verloren

für Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

danke für diesen Text, den Du mir freundlicherweise gewidmet hast! :)

Ja, da ist natürlich was dran, dass die heilenden und helfenden Worte in der Welt immer unterzugehen drohen.

Auch dass es hilfreich ist, in die Stille zu gehen und sebst still zu werden, um diese Worte zu hören, ist nach meiner Erfahrung wahr.

Die Herzen zu enteisen braucht es sehr machtvolle Worte, siehe Paulus:"Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich." Aber die Bibel wirst Du ja kennen, lieber Walther.

Mit der letzten Strophe kann ich mich leider noch nicht anfreunden. "betören" hat für mich etwas Negatives.
Die göttlichen Gesänge wollen vielleicht "ergreifen", so dass der Mensch im Innersten ergriffen ist und plötzlich etwas versteht.

Das "vorher kurz saugen" könnte ich mir so deuten, dass die göttlichen Gesänge durchaus zunächst wie ein Schmerz empfunden werden, weil sie ja eine feste Hülle durchdringen müssen, welche der Mensch sich durch sein negatives Denken und Fühlen angeeignet hatte. Wenn Du es so meinst, könnte ich Dir darin zustimmen.

Das "Verlorensein" ist ein Gedanke, den ich persönlich nicht hege, weil ich überzeugt bin, dass Menschen immer wieder mit dem Göttlichen in Berührung gebracht werden können; aber bis es so weit ist, könnten sich Menschen schon in manchen Augenblicken verloren fühlen, als stürzten sie in ein schwarzes Loch.

Ach danke für dieses Sonett! :)

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
lb vera-lena,

das betören ist das kernwort. es enthält im sprachstamm "tor", der einen kindlich gebliebenen menschen meint. der, von dem wir hier sprechen, sprach: "Lasset die Kindlein zu mir kommen" und meinte nicht Tebartz van Elzt, auch nicht die Borgias. er meinte vielmehr die "Kind-gebliebenen". nun wissen wir um die ambiguität alles sprachlichen. jedenfalls ist das "betören" nicht reimgeschuldet, es ist programm, reizwort, anstoß für assoziationen, die du ja schon begonnen hast.

das fehlen des guten worts zu beklagen, ist ebenso notwendig wie wohlfeil. ich bin auch in diesem fall mir der doppeldeutigkeit des themas durchaus bewußt.

ich bin der ansicht, daß man ein reines herz braucht, um innerlich zu verstehen, wie schützenswert diese welt ist. das unverdorbene ist essentiell. das verstehen, von dem wir hier sprechen, ist nicht rational, es ist ganzheitlich. es durchdringt und berührt nicht nur.

die frage ist, wie kommen wir da hin. es geht nicht darum zu bezwingen oder zu missionieren. es geht nicht um gäubigkeit, aber um glauben. es geht nicht um zurücknehmen aber um rücksicht. es geht nicht um verzicht, aber um kluges, sich selbst grenzen setzen.

wir brauchen vorbilder und blaupausen. die geschichten, über die wir sprechen, sind erzähltes beispielgeben.

danke für deine gedanken!

lg w.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

nun bin ich auch bei diesem einen Wort, dass mich irritiert hatte, mit Dir im Einvernehmen.

Ohne das Kidlich-Sein gelingt es nicht, da bin ich mit Dir einer Meinung.

Ich bewundere, wie Du die von Dir gewählte Form erfüllen konntest.

Ja, dieses gehört zu den besten Texten auf der LL.

Dankbare Grüße
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
Hier der Marie-Luise Remix :)

Kenntnis
- Daktylische Sonettvariation -


Es gab da den einen, der machte die Worte,
Die Zeiten bewegen und Nächte erhellen;
Die Stimmen belegen, die hell über quellen;
Und Böses verneinen. Doch von dieser Sorte,

Der Worte, die heilen, gibt es viel zu selten!
Die einsamen Rufer, die Welten erretten:
Sie bauten die Ufer, zerschlugen die Ketten
Und wanden zu Seilen die Fäden, die schnellten

Aus Tiefen und Höhen! Könnt ihr sie nicht hören?
Dann schließt eure Augen und spitzt eure Ohren,
Sonst hört ihr die leisen Gesänge verklingen,

Als glichen sie Flöhen, die gleich wieder springen,
Nur vorher kurz saugen: Sie sollen betören,
Die Herzen enteisen: Sie wären verloren!
 
Ja, lieber Walther, so verstehe ich es und finde dein Gedicht sogar sehr gut.
Ich konnte mich nicht auf den Inhalt konzentrieren, weil die schlimme Orthographie mich immer wieder schockt. Ich kann es einfach nicht begreifen, warum das sein muss.

Viele Grüße von mir und vielen Dank für den Remix.

Ps. Ich würde dir jetzt auch gern ein 9 geben, doch mein Korrekturwert ist immer noch sehr hoch. Vielleicht würde durch meine Note eine bessere gestrichen.
 

Walther

Mitglied
Hi Marie-Luise,

die Übersetzung mache ich doch gerne. :)für seine leserinnen tut der dichter doch fast alles!

du darfst gern werten, auch wenn dann ein andere besserer gestrichten wird. auf den gesamtwert kommt es wenigstens mir nicht an!

es freut mich sehr, daß dir der text zusagt!

lg w.
 

Walther

Mitglied
hi vera-lena,

danke für deine sehr freundlichen worte. es ist für einen autor selbs nicht so recht erkennbar, wann ein text ein gelungener ist; form und inhalt, sprache und aussage müssen dabei verschmelzen. ob das gelungen ist, können nur leserinnen und leser mit sachverstand beurteilen.

die kindlichkeit ist die essenz des glaubens. damit ist allerdings nicht das kindsein selbst gemeint, vielmehr die reinheit des herzens. ich bin der festen auffassung, daß unsere totale fixierung auf das materielle das ist, was einer besseren welt im weg steht - wenn man von der triebhaftigkeit, die uns ebenfalls stark bestimmt, einmal absieht.

ersteres ist eine einstellungsfrage - es ist unsere entscheidung, wie wir lebenserfolg und status messen. wir könnten das also beeinflussen, wenn wir es denn wollten.

lg w.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

Geist und Materie sind Gegensätze, in der Tat. Mag sein, dass die Fixierung auf das Materielle uns hindert, uns dem Geistigen zu nähern.

Ich selbst bin aber davon überzeugt, dass wir unseren Charakter, den wir schließlich verändern können, wenn wir das möchten, jeder für sich selbst unter die Lupe nehmen sollten und entdeckte negative Eigenschaften (Neid, Eifersucht, Gier usw.) durch ihr Gegenteil ersetzen sollten. Das ist eine Aufgabe bis ans Lebensende, auch wenn man 100 Jahre alt werden sollte. Auf diesem weiten Weg könnte man eine Berührung erleben mit dem Geist. Und einige negative Eigenschaften gäbe es auf dem Erdenrund dann weniger.

Ich freue mich, dass Dein Werk, das sich global einem religiösen Ziel zuwendet auf der Bestseite gelandet ist und auf diese Weise viele Leser haben wird.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
lb vera-lena,

das wirklich interessante ist, daß meist gedichte, die unser leben etwas gegen den strich betrachten, gut ankommen, wenn es per zufall einmal gelingt, eine bildsprache auch formal so zu schaffen, daß sie gut und interessant klingt. ich glaube, daß das selbst ein glücklicher umstand ist, den man nicht beliebig hervorrufen kann.

unser kleinen texte bearbeiten das, was uns im innersten umtreibt. gelegentlich geben sie überraschende antworten auf fragen, die auch die leser berühren.

unsere zeit ist durch ihre glaubenslosigkeit sehr kurzatmig, ich- und jetztbezogen. das leben verflacht dadurch. unsere welt, auch der mitmensch, wird versachlicht und instrumentalisiert. das ist traurig.

unsere lebensspanne selbst hat nur eine kurze zukunft, die, je länger wir leben, immer kürzer wird. nur wenn man seinen horizont über das eigene leben hinaus ausdehnt, wird verantwortliches handeln möglich.

ich hoffe, mit solchen texten ein nachdenken anzustoßen.

danke und lieber gruß w.
 

Label

Mitglied
kluge und weise Worte lieber Walther, auch darum schätze ich dich, weil dir öfter mal solches entfleucht.

dir einen lieben Gruß
Label
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Lb. Walther,

du bist einer der Autoren hier, die mich dazu bringen, in der LL auch in den Festen Formen zu lesen.
Feste Formen und besonders Gereimtes sind nicht so mein Ding. Und oft sind die Ergebnisse ja auch eher unterdurchschnittlich, bisweilen grausam.
Du bist hier eine schöne Ausnahme. Du bist ein Meister der festen Formen und dieser Text ist wieder mal ein sehr gutes Beispiel. Ich muss ja die Widmung nicht verstehen, um darauf ein "Daumen hoch" zu senden. ;)

LG
BeBa
 

Walther

Mitglied
hi label,

danke für deine freundliche bemerkung. es ist mir ein anliegen, auch das eine oder andere grundsätzliche zur diskussion zu stellen. steter tropfen höhlt den stein! ;)

lg w.
 
O

orlando

Gast
Hallo Walther,
ich komme ebenfalls, um meinen Obolus zu entrichten, denn deine Variationen haben das allemal verdient.
Bekanntlich bin ich nicht unbedingt eine Freundin solcher Themata, andererseits ist dein Gedicht vielschichtig und lässt sich eben auch auf das Wort - als den Anfang aller Dinge - beziehen. Oder auf die Vorstellungen der Aborigines, die alle Dinge (die Welt) durch das Wort / den Namen in ihr Dasein singen.

LG, orlando
 

Walther

Mitglied
hi cellist,

danke für diesen sehr freundlichen eintrag.

ich denke, man sollte sich bemühen, wenigstens sein handwerk im laufe der zeit zu beherrschen. das ist das eine.

das andere ist, daß ich sehr gerne eingestehe, dazu viel zeit und viel harte kritik auch und gerade in der lupe benötigt zu haben. ohne die "kollegenschelte", substantiiert und substantiell vorgetragen, geht es nicht. man muß sich der kritik aber stellen und bescheiden genug sein einzusehen, daß es immer punkte gibt, die man verbessern kann.

so kann aus einem mittelmäßig talentierten freizeitschreiber ein recht ordentlicher freizeitpoet werden - und mehr sollten wir alle nicht anstreben, weil wir alle unsere grenzen haben. richtig gute lyrik ist immer auch ein glücksfall - für den, der sie schreibt, und den, der sie lesen darf.

wenn von uns an irgendeiner stelle etwas bleibendes zurückgelassen wird, muß man zufrieden sein. damit das aber geschehen kann, müssen wir stetig an unseren werken arbeiten, gemeinsam mit anderen und allein am dokument.

in diesem sinne nochmals ganz lieben dank für eintrag und begleitung!

lg w.
 

Walther

Mitglied
Hi orlando,

das sujet dreht sich bei solchen texte immer um das "wort". sie ist es, die zugleich heilen und verwunden kann. sie kann motivieren und demotivieren, annehmen und zurückstoßen.

das wort ist nötig, um die gegenwart zu beschreiben und die zukunft zu entwerfen. propheten gelten in der regel im eigenen lande nichts. sie kommen immer aus der wüste.

es ist eine nicht einfache aufgabenstellung, über die sprache, das "gute" wort, mit hilfe der sprache zu sprechen. ich habe das in einer ansprechenden form versucht und freue mich darüber, daß der versuch die kritischen augen passiert.

danke und lieber gruß w.
 

ariel

Mitglied
Hallo Walther,

Dein Sonett - tiefsinnig- in jeder Hinsicht, gelungen. Auch gefallen haben mir die Kommentare dazu.
Das Lesen und Nachsinnen war eine Freude.

Viele Grüße
ariel
 

Walther

Mitglied
Hi Ariel,
lieben dank für die freundlichen worte. es ist schön, wenn ein beitrag aus dem jahr 2014 (immerhin vor 5 jahren und fast 2 monaten eingestellt) ausgegraben und für schön befunden wird. ich würde die unwahrheit sagen, wenn das nicht einer der gründe ist, warum man postet. man will sich und anderen eine lesefreude machen. und wenn man das hört, freut einen als autor das doppelt.
lg W.
 



 
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