Klauböcke auf Ibiza - Püttmann 27. Folge

Klauböcke auf Ibiza

Als ich morgens die Augen aufschlug, war mir gar nich wohl.

„Berta, mit mir stimmt wat nich! Mir iss ganz kodderich. Ich hab auch Kopppinn, obwohl doch gestern kein Tröpfchen Alkohol im Spiel war!“
Berta stöhnte auch: „Willi, ich hab auch en Brummschädel, dat kommt wahrscheinlich von die schwüle Inselluft.“
„Nee, Berta, die spüren wir doch sonst nich. Na, vielleicht wird et nachem Duschen besser.“
Ich schlurfte durch dat Wohnzimmer zum Bad und war plötzlich hellwach.
Ich schrie: „Beertaaa! Komm, komma, ganz schnell! Hier war diese Nacht jemand inne Wohnung! Kuck dir dat ma an! Dat gibt et doch nich! Mein Handy iss wech, die Hose liegt mitten im Wohnzimmer, die Brieftasche mit alle Papiere und die Knete, allet wech! Die wertvolle Uhr und meine gute Sonnenbrille, allet hat die Saubande mitgehn lassen!“
Berta rannte durch die Wohnung und stellte entsetzt fest: „Willi, auch mein Schmuck iss geklaut. Der lag im Badezimmer! Ruf sofort bei die Polizei an!“
„Womit denn? Dat Handy haben se doch auch gemopst!“
„Wilhelm, weck die Nachbarn, sonst schrei ich! Tu endlich wat!“

„Berta, ruhig, ganz ruhig, sach mir erst ma, wie die Brüder in unsere Wohnung gekommen sind? Und dat hier im ersten Stock! Ich kapier dat nich.“
Berta fing sich überraschend schnell und checkte allet wie ne ausgebuffte Detektivin.
„Willi, die sind beim Nachbarn über die Brüstung geklettert, auf unsere Terrasse gesprungen und durch die offene Schiebetür spaziert!
Willi, du kuckst jetzt ma schnell, wat sonst noch allet geklaut wurde. Ich weck die Nachbarn.“

Im Nu war im Block der Teufel los! In vier Wohnungen war dat Gesockse eingestiegen und hatte alle Wertsachen geklaut.
Nach dem ersten Schock, stellten wir uns die spannende Frage: „Wer von die Insel-Wachtmeisterorganen iss denn überhaupt für die Klauerei zuständig? Guardia Civil? Policia Nacional? Policia Local?“
Erst nach 9.00 Uhr ging jemand vonne Policia Local an dat Telefon! Dann fing dat Sprachentheater an.
Vor Wut kannze da ja auße Haut fahren! Ohne Dolmetscher bisse hier aufe Insel total aufgeschmissen. Die machen nen Affen aus dir. Kein Englisch, kein Deutsch, nich ma richtig Spanisch sprachen die Schutzleute. Die sprachen extra Katalan, damit du die Nerven verliers und eingehängs. So ersparen sich hier die Kameraden die lästige Schreiberei.

Dat Spiel war ich satt! „Berta“, sachte ich, „ich fahr zu Esperanza und Antonio, die werden gerne dat Protokoll dolmetschen.“ Sie müssen wissen: Die beiden sind unsere spanischen Inselfreunde.
„Berta“, rief ich noch vom Hausflur, „lass auch dat Konto sperren und informier T-Mobile. Lauf wacker zum Telefonhäusken und informier auch dat Konsulat und den Außenminister. Die Telefonnummern stehen hinten im ‚Ibiza Heute’-Magazin.
Kuck auch ma, ob der Autoschlüssel noch am Reck hängt, vielleicht iss dat Auto auch geklaut.“ Gott sei Dank, die Karre stand noch vor der Tür!
Endlich erreichten wir dat Polizeirevier.
Zwei Stunden Wartezeit bei die Polente! Fünfzehn beklaute Personen vor uns! Dat nervt!

Nachmittags erschienen in unserem Apartheidsblock zivile Beamte, die nahmen Fingerabdrücke und sicherten Spuren. Sie erklärten uns, dat sich rumänische Banden aufe Insel rumtrieben, die Betäubungsgas durch offene Türen und Fenster sprühten und dann ihre Kinder in Wohnungen und Hotelzimmer zum Stehlen einschleichen ließen. Die Kinder seien noch nicht deliktfähig und dürften nach spanischem Recht nicht festgenommen werden.
Ich tobte: „So ein Saupack! Warum lässt man sowat überhaupt aufe Insel drauf?“
Jetz war dat auch mit der dicken Birne klar, dat war die Wirkung von dem Betäubungsgift! Au, ich war schwer geladen, ich hättse am liebsten alle gewürgt!
„Berta, wat iss dat bloß für ne schreckliche Welt? Selbst im Paradies wiersse noch beklaut! Du muss dir dat ganze Verbrechen noch ma als geistigen Film im Kopp ablaufen lassen.
Du liegst da unschuldig im Bett und träums von mir. Auf einma kommen so Banausen, sprühen ne Dröhnung Gift in dat Schlafzimmer rein und beklauen dich in aller Ruhe! Dat darf doch nich wahr sein! Noch heute bestell ich Handwerker, die alle Türen und Fenster vor dem Drecksgesindel sichern!“

Berta schluchzte: „Willi, die Wohnung iss entweiht, et wird nie, nie wieder die Wohnung sein, die sie vorher einmal war! Und mein schöner Schmuck, noch vonne Mama und Oma Elsbeth iss für immer verlorn!“
Mein Bertaken weinte bitterlich.
Ich versuchte sie zu trösten: „Berta, wir können doch froh sein, dat die Klauböcke uns nich abgemurkst haben. Dat wär doch wirklich viel schlimmer gewesen und du wärs dann verdammt lange tot.“
„Willi, mach dich nur lustig, dat iss überhaupt nich zum Lachen! Sach ma, haben wir hier nich damals ne Hausrat- und Reisegepäckversicherung abgeschlossen?“
„Jau, Berta, du hass Recht, dat haben wir. Wieso bin ich da nich selbst drauf gekommen? Schreib allet Geklaute auf en großen Zettel, die Anschaffungspreise schön inne Extraspalte. Aber allet großzügig nach oben aufrunden, weil die Versicherungskerle sowieso wat streichen tun!
Ich ruf gleich vom Telefonhäusken unsere Versicherung in Deutschland an und frag, wie wir uns hier verhalten solln.“
Ich hab dat dann allet abgecheckt und berichtete: „Also, Berta, bei die Reisegepäckversicherung machen die Brüder dicke Abzüge, wir sollten dat unbedingt der spanischen Hausratversicherung melden. Die regulieren zum Neuwert.“
Ich ab zu dem „Herrn Kaiser“ vonne spanischen „Seguro-Pfefferminzia“.
Ich berichtete ihm brühwarm den Schadenhergang, also allet so, wie sich dat wirklich abgespielt hat. Da sachte der bescheuerte Kerl: „Herr Püttmann, wenn Sie die Tür zum Balkon nachts öffnen, dann locken Sie doch die Diebe an, Sie laden die Verbrecher geradezu ein. Das ist Beihilfe, ja Verleitung zum Diebstahl, Sie haben grob fahrlässig gehandelt! Ich lehne es deshalb ab, eine Schadenanzeige aufzunehmen!“
Dat war zu viel!
„Wat?“, sachte ich für den Tünnes, „du willz mir Beihilfe inne Schuhe schieben? Du hass doch wat am Hörnchen!“
Den kleinen Schreibtisch hab ich samt dem Computer ma kurz angehoben und leicht schnacken lassen.
„Männeken, wenne nich sofort deine Griffel nimms und den Schaden inne Maschine tipps, geschieht hier en Unglück! Grob fahrlässig iss dat nur für deine Gesundheit, wenne nich sofort inne Pötte komms. Und sachse zu mir noch ma, ich hätte die Klauböcke zum Diebstahl eingeladen, dann vermöbel ich dich hier nach Strich und Faden!“
Dat wirkte! Nur diese Sprache verstehen die Kerle! Er lenkte ein.
„Aber Señor Püttmann, beruhigen Sie sich doch bitte, ich will alles versuchen, damit Sie voll entschädigt werden. Ich besorg gleich das Protokoll von der Policia und schick die Schadenanzeige noch heute per Fax an die Hauptverwaltung.“
„So“, sachte ich, „jetz bisse wieder "Herr Kaiser", warum erst Theater machen? In spätestens einer Woche will ich Kohle sehn, sonst rappelt et wirklich in Deiner Bude. Adios!“
Allet klappte!
Die entweihte Wohnung renovierten wir von oben bis unten. Damit wurde rein äußerlich und symbolisch die ursprüngliche Unschuld wieder hergestellt.
Jeden Abend werden neuerdings die minimalsten Sicherheitsvorkehrungen getroffen: Die Alarmanlage mit Sirenen- und Lichtblitz-Blendeffekt wird scharf geschaltet, die Achtfachverriegelung der Wohnungstür mit zusätzlicher schwerer Stahlkette geschlossen, die Selbstschussanlage aktiviert, der elektrische Stolperdraht an dat Stromnetz angeschlossen, Tretminen und Fangeisen getarnt und höchst raffiniert ausgelegt! Auf dem Nachtkonsölchen liegen für einen herzlichen Empfang ein 9-mm-Revolver und ein Elektroschockgerät.

So ganz aussem Kopp geht dir son hinterhältiger Einbruch nie.
Ich schrecke noch heute nachts auf, bin vor Angst schweißgebadet, schiele automatisch zum Schiebefenster und peile klammheimlich auch auf die rechte Betthälfte, ob nich irgendjemand mein Bertalein versehentlich geklaut hat.
 



 
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