Liegende Acht

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Arezoo

Mitglied
Was ist das mit uns beiden?
Mein Kopf liegt auf seiner Brust.
Und noch während die Worte laut werden, wird mir klar, wie unwiederbringlich die Stille davor ist. Sie ist gewichen. Im Tausch gegen das Schweigen.
Ich habe eine Grenze überschritten, die ich nicht gesteckt habe.
Seine Hand fühle ich auf meinem Kopf. Bemerke, wie sie in der steten Bewegung seiner Finger auf meiner Haut inne hält und mir ihr plötzliches Fehlen jede Wärme nimmt.
Die Kälte des Raumes kriecht aus den Ecken, bis unter die leichte Decke an meinen Körper.
Ich kann sein Gesicht nicht sehen, starre stattdessen an die Risse im Putz an der Wand. Aber ich weiß, dass er lächelt. Amüsiert.
Ein Luftzug bewegt einige meiner Haare. Ich frage mich, ob es sein Atem ist, der die Strähne mit den tanzenden Staubkörnern im Lichtstrahl vermischt.
Vorsichtig gleiten seine Hände unter meine Schultern. Seine Berührung ist mir fast unangenehm. Sanft hebt er meinen Oberkörper an, macht sich frei von mir. Richtet sich auf.
Ich bleibe liegen und verfolge mit meinen Augen die Krümmung seiner Wirbelsäule, betrachte die zarte olivfarbene Haut auf seinen Schulterblättern.
Er sieht mich nicht an, als er spricht. Dreht sich nicht um. Sitzt gerade aufgerichtet auf der Bettkante.
Muss es einen Namen haben?
Ich zucke die Achseln. In meiner Sprache gäbe es viele Namen dafür.
Auf persisch weiß ich keinen einzigen.
Er steht auf, langsam, ein wenig mühsam vielleicht und greift nach seinem Hemd, das über der Stuhllehne bereit liegt.
Ich drehe mich auf den Bauch. Ich war dran und habe nichts gesagt.
Er tritt noch einmal an das Bett. Vorsichtig nimmt er mir die Bettdecke aus der Hand und schlägt sie zur Seite. Seine Augen gleiten über meinen nackten Körper und er beugt sich über mein Gesicht, berührt mit seinem Mund meine Lippen.
Mit dem Finger malt er eine Acht auf meinen Rücken, während ich so liege und mein Herz alle Gedanken beschwert.
Sein Atem ist nur ein Hauch auf meiner Wange. Er streift mich und geht vorüber.
Am Ende bleibe ich allein gegen Unendlich.
Ich bin eine liegende Acht. Namenlos.
 
H

Henry Lehmann

Gast
Komischer Text. Ich weiß noch nicht mal, ob ich ihn gut oder schlecht finden soll. Ist da eine Botschaft? Der Perser würde sagen: "Weleshkon"

Und das sage ich in diesem Falle auch.

LG
Henry
 

Arezoo

Mitglied
Salam Henry,

hmm... tja, nett, dass du was geschrieben hast.
Auch wenn mir dein Komm nicht so wirklich weiterhilft.

Der Afghane würde sagen ma'zerat.
Dafür, dass es deine Zeit verschwendet hat.

Das sage ich aber in dem Falle nicht...
;)

khoda hafez,
Arezoo


Danke Gabi, für die 8 und für's Lesen!
Dito an den anonymen Werter.
 

vicell

Mitglied
Hi Arezoo,

Ein schöner Text, fließend und farbig erzählt.

Der letzte Satz allerdings hebt sich m.E. etwas vom bisherigen Erzählstil ab - ich meine nicht, dass er mir formuliertechnisch mißfällt, im Gegenteil, die Aussage ist auch klar - aber du erzählst bis zum Ende hin sehr bündig und präzise und da fällt eben diese letzte Formulierung etwas raus und verwischt die Aussage ... ich glaube, mit dem Ende "... Namenlos" würde der Text wesentlich stärker in seiner Wirkung zurückbleiben.

Nur so ein Eindruck von mir.
:)

Liebe Grüße,
die vic
 

Arezoo

Mitglied
Hi Vic!

Vielen Dank für's Lesen!
Ja, du hast recht, der letzte Satz fällt etwas raus. Ich hab ihn jetzt einfach getauscht.
Ganz rausnehmen möchte ich ihn nicht. Dafür hänge ich zu sehr daran, dafür ist er mir zu wichtig, weil vielleicht nicht jeder weiß, was die liegende Acht für ein Symbol ist.
So gefällt es mir allerdings auch besser!
Danke für den Hinweis,

ganz liebe Grüße,
Arezoo
 
Lemniskate

Die liegende Acht ist doch auch die Lemniskate, das Zeichen für Unendlichkeit.

Vielleicht lässt sich das noch in deinen Text einbauen.

Schöne Grüße von HansenFlensburg
 



 
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