Lustige Sängerinnen ohne Cellulitis

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Frederik

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Lustige Sängerinnen ohne Cellulitis
Stellen sie abends ihren Fernseher in Erwartung auf einen spannenden Krimi an, schon sind sie mitten in einer Castingshow. Ihnen gefällt das Popstarformat nicht? Schalten sie um, schon sind sie bei Deutschland sucht den Superstar. Auch nichts für sie? Drücken sie noch einmal die Fernbedienung, sie werden bei Starsearch, Bohlen sucht Copilot für Schlauchboot oder Kattenvenne sucht das Schützenpaar landen.
Tatsächlich, der unentdeckte Popstar braucht nicht mehr durch verrauchte Diskotheken zu tingeln, um die Buhrufe mit der Freitrunken-Gage auszublenden. Sex, Drugs werden heute weggelassen, im Allgemeinen allerdings auch der Rock´n Roll. Jeder, der eine Gesangskarriere anstrebt geht zu einem fernsehübertragenen Casting, ob er singen kann oder nicht. Kann er nicht, wird ihm in Anbetracht seiner Talentfreiheit, Fritten verkaufen empfohlen. Trifft er halbwegs die Töne darf er zu einem sogenannten Recall kommen. Zu diesem Termin gibt es natürlich noch einige gutgemeinte Ratschläge: „Du hast Potential, sing aber nächstes Mal lauter. An dem Outfit musst du vorher noch arbeiten. Die Haare brauchen ein neues Styling. Wachse noch einen halben Meter. Ansonsten, sei einfach Du selbst.“
Der intelligente Kandidat folgt den Anweisungen. Er übt lauter singen und bringt die Anzeige wegen Ruhestörung als Beweis. Er wechselt die Cordhose gegen eine zerrissene Jeans. Das Haar bekommt fünfhundert Gramm Haarspray aus der FCKW-Sprühdose, obwohl die Auswirkungen auf das Klima auch hinter dem letzten Busch erkannt wurden. In zehn Jahren wird sie sogar der letzte Bush erkannt haben. Der wirklich engagierte Barde wird auch noch einen halben Meter wachsen und er selbst sein.
Das Finale gewinnt ein Kurzhaariger mit künstlichem Langhaar, der seine eigene Interpretation eines bekannten Liedes trällert, ohne von dem Original abzuweichen. Und tatsächlich, er hat sich während der Castingzeit entwickelt. Er ist gestylt, gewachsen, lauter, frecher, umoperiert und Er selbst. So entsteht ein Popstar.
Das ist noch nicht alles. Auch Models werden auf diese Weise gecastet. Eine kompetente Jury, aus Sänger, Humoristen und vielleicht sogar einem Model entscheidet, ob die Kandidatin cellulitisfrei laufen kann. Es werden schon einmal die Arme angesprochen, „schön lang, wie ein Affe!“, oder Ermutigungen ausgesprochen „du bist ein wunderschönes Gesichtsmodel für die Kosmetikindustrie, leider suchen wir kein Gesichtsmodel. Aber du wirst deinen Weg in diesem Bereich machen.“ Klar, bekannte Kosmetikfirmen, die in der Vergangenheit mit Schiffer, Crawford oder Klum gearbeitet haben, reißen sich um die Verliererin der Castingvorrunde. Direkte Aussagen wie „du bist aber Wopper“ finden auch Anwendung, soweit ein Mädchen Figur hat. Teenies wollen schließlich motiviert sein, ihre Wattediät durchzuhalten. Erstaunen in der Jury, wenn dann das Publikum das „woppere“ Mädchen dem favorisierten Hautständer vorzieht.
Selbst Comedians werden nach diesem Schema selektiert. Von der selben kompetenten Jury, versteht sich. Wer Models von Affen unterscheiden kann, wird auch kein Problem bei der Auswahl eines guten Comedian haben. „Fünf Witze, zwei kannte ich schon. Summa summarum, wunderbare drei Punkte!!!“
Vielleicht werden als Nächstes Autoren gecastet. „Für die Kategorie Sachbuch, musst du dir unbedingt noch eine tiefsitzende Brille anschaffen.“ „Die Kategorie Lehrbuch-Physik ist glaube nicht ganz deine Richtung. Du machst aber zweifellos deinen Weg in der Trashliteratur, Prof. Dr. Müller. Oder in der Comicbranche. Du hattest doch so viele Bilder in deinem Buch.“
Sogar Politiker ließen sich auf diese Art produzieren ohne sie lange aufbauen zu müssen. „Jetzt erzähl uns noch so eine richtige Münchhausengeschichte. Wirkst du dabei noch glaubwürdig, könnten wir uns dich, als Landesminister, vorstellen. Leider warst du in der Ich-wechsele-unauffällig-fünfmal-meine-Meinung-Kategorie nicht so überzeugend, sonst hätten wir uns auch einen höheren Posten vorstellen können. Im Zweifelfall bekommst du immer noch einen Oppositionsposten. In der Kategorie Kritik-ohne-Verbesserungsvorschläge hast du uns schließlich alle überzeugt.“
Allen Unkrufen zum Trotz geschieht am Schluss der Sendungen etwas Paradoxes. Am Schluss steht in der Regel ein Sänger, der singen kann; ein Comedian, der lustig ist; ein Model, dass hübsch ist. Manchmal allerdings auch ein Sänger, der Lustig ist.
 



 
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