Margarethe

3,00 Stern(e) 2 Bewertungen

eva held

Mitglied
Margarethe.


Und wieder bleibst Du zurück, und wieder kann ich Dich nicht als Zurückbleibende begreifen, als würdest Du Dich samt Haus und Hof und Tor mit der Erde wegdrehen unter den scheinbar Verreisenden, die eigentlich zurückbleiben in ihrem Stillstand.

Ich kann mir Dein Leben nicht vorstellen, weiß nicht ob bescheiden selbstlos selbstaufgegeben duldsam kleinlaut Worte sind um Dich zu beschreiben. Vielleicht religiös.

Immer waren die anderen wichtig. Und am Ende bist Du gestorben wo Du niemals sein wolltest wo Du nicht einmal wirklich angekommen warst wo deine Tochter Dir noch das bisschen Raum das Du hattest streitig gemacht hat. Und Du? Hast dich zurückgezogen.
Ist das Kraft oder Feigheit?

Habe nie gute Worte gehört von Ihr über Dich. Aber Deinen Tod hat sie uns vorgehalten wie eine Waffe.

Handschuhe hast Du gerne getragen, große Hüte und Tücher aus Chiffon. Nicht viele gab es mehr in deinem schlichten Nachkriegsschrank. Ein paar Bücher, wenig Porzellan. Und Spott.

Dein Geruch: Geruch der Chiffonseide, eine bisschen müde, ein bisschen staubig, verträumt.
Welche Träume hast Du geträumt? – Ich kannte nur die grausigen, die kaum ausgesprochenen, die nicht geträumt werden konnten weil sie wahr waren, damals.

Aus deinem Leben nur kleine Augenblicke, die rauchigen Kneipen, Du dort am Tisch, verpackt in Dein Lächeln, verschanzt gegen die Lebenslust Deines Mannes. Heirate nie.

Ein Stückchen Film: Picknick, auf eine Liege gekauert, trotzdem noch ein bisschen mondän, behauptest Dich tapfer gegen dicke Biertrinker. War das nötig?

Eine andere Geschichte: Du. Immer wieder die Retterin/ Gerettete.
Kind auf dem Arm. Damals, in der alten Heimat, das Kind Deiner Schwester, die mit der unstillbaren Lust auf Leben, gestorben an der eigenen Gier?

Ein Geschenk an Dich. Dankbar solltest Du sein, in Deiner Kinderlosigkeit, die Kleine aufziehen zu dürfen, die das kleine bisschen zuviel war.

Heute, in der Neuen Welt, Deine Enkelin/ Großnichte. Du, die, alleine zurückgeblieben in dem neuen Altersleben ohne den treibenden Mann, eine Aufgabe braucht.

Eine Zugfahrt nach Norden, zur Großtante, die vielleicht eine letzte Geschichte erzählen kann über Dich. Die damals dabei war, im Nebenzimmer, bei der Geburt, weil sie beim Menschen erleben wollte was sie so oft im Kuhstall und bei den Schafen gesehen hatte. Bilder, die nicht zusammenfinden konnten mit den Menschen in ihren Kleidern, mit Besteck in den Händen und auch nicht mit den Strumpfhaltern auf dem Nachttisch.

Am Bahnhof bin ich umgekehrt, wieder in den Zug gestiegen.
Vier Wochen später war sie tot, meine letzte Zeugin.

Dieses seltsame Hemmung, den Menschen die Andere zu sein.
Die fragt, die meint, die ist.
Die nicht nur zuhört, anpasst, erfüllt.

Einmal mehr bin ich zu spät, um Dir zu begegnen.
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo eva,
und ein herzliches willkommen in der ll.

ein stück prosa soll es sein, dein erstlingswerk.

mir scheint da ist sehr viel persönliches hineingewoben.
autor und erzähler sind m.e. dieselbe person.
wenn dem so ist gehörte dieses stück eher ins tagebuch.
nun gut:

zu erst das offensichtliche
du hats eine eigenwillige rechtschreibung und orthographie.
vor allem das großgeschriebene " du", wie man es nur in briefen tut, kommt sehr eigenwillig daher.

inhaltlich:
der erzähler kommt mir so vor als würde er/sie ein photoalbum betrachten und ihm kämen beim herumstöbern gedanken-bruchstücke
zu der person "margarete", die womöglich mutter oder oma sein könnte.

dieses bruchstückhafte erschert mir den zugang. kaum erhasche ich ein bild, zieht es auch schon wieder vorbei.

nichtsdetsotrotz sind da auch kleinode hineingewoben:

z.b.
"Aus deinem Leben nur kleine Augenblicke, die rauchigen Kneipen, Du dort am Tisch, verpackt in Dein Lächeln, verschanzt gegen die Lebenslust Deines Mannes. Heirate nie."

"Habe nie gute Worte gehört von Ihr über Dich. Aber Deinen Tod hat sie uns vorgehalten wie eine Waffe."

das gefällt mir schon


lg
ralf
 

eva held

Mitglied
Hallo Ralf,

danke für die Reaktion auf meine "Erstling", macht Mut, macht Spaß. Tagebuch ist es nicht - freut mich aber dass es so authentisch daherkommt.

Orthografie - das "Du" war mir wichtig, um die Distanz - mehr noch die Überhöhung der Angesprochenen durch die Erzählerin zu betonen. Satzbau und Interpunktion - da steh ich jetzt mal dazu, denke aber darüber nach.

Photoalbum - vielleich ist der Text sogar eher eine Schachtel mit alten Fotos, das hat Du sehr gut getroffen. Es ist ein Ausschnitt aus einem Text an dem ich aktuell arbeite, denn ich habe mich entschieden mit etwas frischem, dafür vielleicht auch ein wenig unreifen zu starten auf diesem großartigen Portal.

Mal sehen ob ein Photoalbum und irgendwann mehr daraus wird...

Gruß,

eva
 



 
Oben Unten