Membrum Virile

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majissa

Mitglied
Membrum Virile

Meine Geburt stand unter einem schlechten Stern. Kurz bevor ich zum ersten Mal nach Luft rang, ertränkte sich Mr. Tripps, der Familiensittich, im Badehäuschen und Oma Fine brach sich beim Versuch, ihn davon abzuhalten, den Hals. Es gab keine Abschiedsbriefe, die mich entlastet hätten. Überzeugt davon, mit meiner Geburt den Sturz seiner Mutter forciert zu haben, bestritt Vater a priori jede Beteiligung an meinem Dasein. Er hielt mich für das teuflische Produkt eines wollüstigen Elementargeistes, der es Nacht für Nacht meiner Mutter besorgte, während er in fremden Städten Konzerte gab, um die Familie zu ernähren. Ein nach Schwefel stinkender Succubus, der mich in seine Frau pflanzte, um später mit meiner Hilfe die Weltherrschaft an sich zu reißen. Dabei lag die nach Überzeugung meiner Mutter schon in Oma Fines Händen. Sie war der "Don" der Familie und führte auch häufig vom Keller aus Ferngespräche nach Saudiarabien.

Die Nachricht von den Todesfällen ereilte meinen Vater, noch bevor sich die Tür zum Kreißsaal öffnete. Eine waschmaschinengroße Hebamme mit Pianistenhänden trat in den Warteraum und rief:
"Wer ist der Glückliche?"
"Ein Succubus!", schluchzte mein Vater und rannte nach Hause.

Um ihn in seinem albernen Dämonenglauben nicht zu bestärken, verschwiegen wir ihm die näheren Umstände meiner Geburt. Ich kam völlig schweigsam zur Welt und auch meine Mutter machte keinen Mucks. Sie war stinksauer, weil ich ihr in eine Doppelfolge des Denver Clans geplatzt war. Und wenn sie stinksauer war, schwieg sie oder rauchte Kette. Sie hätte auch während der Entbindung gern geraucht, um nicht schweigen zu müssen, erklärte sie später. Besonders während der Presswehen. So aber ging ich als die stillste Geburt in die Geschichte des Severinsklösterchens ein.

Als Tante Luise "Der Don ist tot!", in den Hörer brüllte, war die Sache mit dem Denver Clan vergessen und ich verließ mit einer euphorischen Mutter das Krankenhaus.

Eine handtellergroße Beule im Grammophondeckel, ein tiefgefrorener Hüftknochen und zwei Zähne in einem Samtkästchen erinnern noch heute an den Todestag von Oma Fine. Das Grammophon ist aus Mooreiche und der Gedanke, dass Fines Kopf den schweren Deckel so eindellen konnte, half meinem Vater schließlich über den Verlust hinweg.
"Sie hatte die härteste Hirnschale der Welt", verkündete er jedes Mal stolz beim Entstauben und Polieren der Beule.
"Ja, sie heizte dem Ding so richtig ein!", versicherten wir ihm, hielten den Daumen hoch und tauschten im Keller den ekligen Hüftknochen des "Don" gegen ein Modell aus Ton aus.

Trotz des schlechten Starts fehlte es mir nicht an elterlicher Zuwendung. Schon früh wälzte ich mit meiner Mutter medizinische Schmöker durch, die sich mit seltenen, dermatologischen Beschwerden befaßten. Die Faszination am Greuel hielt uns bis in die Nachtstunden wach. Warzenübersäte Gesichter, eitrige Flechten, chronische Ausschläge und interessante Beulenbildungen an den undenkbarsten Stellen des menschlichen Körpers waren meine bevorzugten, nächtlichen Begleiter. Es gab da die dreibrüstige Tibetanerin. Sie war mein Favorit. Frau Holle und Peter Pan kamen einfach nicht gegen den wohlgeformten dritten Busen an, der da aus ihrer Stirn wuchs und das rechte Auge überdeckte. Bei Vollmond schwoll er angeblich an. Über den Busen bei Neumond gab die tibetanische Frau keine Auskunft. Das machte mich fertig. Meine Mutter quälte sich mit der Frage nach der Körbchengröße.
"Sie hat dort oben doch mindestens 50 D?!“
„Nein, sie hat Cup C, aber der 50er-Umfang dürfte hinhauen.“, behauptete ich.

Dank Madame Camille kannte ich mich mit BH-Größen bestens aus. So oft ich konnte, lungerte ich in ihrem Dessous-Lädchen herum und ließ mir alles Wissenswerte über den weiblichen Busen erklären. Madame Camille erkannte sehr schnell meine Leidenschaft und nannte mich ihre „petite élève“. Ich lernte spielerisch mit Früchten. Cup A stand für Mandarinen, Cup B für mittelgroße Äpfelchen, Cup C für Pampelmusen und Cup D für Honigmelonen. Weiter ging’s mit Wassermelonen und Kürbissen. Die Früchte für Cup G – Z mussten noch erfunden werden. Die weibliche Bevölkerung meiner Stadt war für mich ein einziges großes Obstsortiment.

Mein Vater versuchte, mir die schönen Künste näherzubringen. Er lehrte mich das Komponieren und Singen, steckte mich in einen Malkurs und nahm mich wutschnaubend wieder heraus, als ich ihm die "Warzenschulter eines sumatranischen Jünglings" in Öl präsentierte. Es war ein schönes Gemälde. Meine Mutter hing es in den Keller zu den anderen Bildern. Es gab da das "Dorf jungfräulicher Elefantenfrauen", die "Tibetanische Brust bei Neumond", "Herbstflechten" und "Membrum Virile", das einen überglücklichen Mexikaner mit 2 Schwänzen zeigte. "Membrum Virile" bekam mein Vater auf dem Kopf stehend zu sehen. "Das nenn ich doch mal Kunst!" rief er begeistert aus. "Aber warum spielt der Flötist auf zwei Instrumenten gleichzeitig? Ausserdem könnte er sich mal den Bart schneiden. Wer ist denn das überhaupt?" Es war stets ein schlechtes Zeichen, wenn mein Vater anfing, die Gemälde hin- und herzudrehen. Meine Kindheit führte mich allzu oft in den Keller mit dem Hinweis So läuft das nicht!

Meine Neigung zum Experimentieren zeigte sich früh. Im zarten Alter von vier begann ich, die ersten Pflanzen anzunagen und auf die Nebenwirkungen zu warten. Die leicht säuerlichen, durchaus bekömmlichen Butterblumen in unserem Garten bildeten den Anfang. Der Löwenzahn auf dem Nachbargrundstück verursachte leichte Atembeschwerden. Aber die köstliche Milch der meisten Pflanzenstengel berauschte mich. Ich erweiterte mein Territorium, fraß mich durch wilde Gärten, weidete an grasbewachsenen Hügeln und machte selbst vor den den Fußballplatz umgebenden, saftigen Wiesen nicht Halt.

"Dein Kind grast die ganze, verdammte Stadt ab!", schrie mein Vater meine Mutter an.
"Ach ja? Wer sagt das?"
Gerade lief ein Double-Feature von Reich und Schön.
"Unser Nachbar möchte sie zum Heckenstutzen mieten!"
"Frag ihn, was dabei herausspringt und vergiss‘ auf dem Rückweg meine Zigaretten nicht!", schnitt meine Mutter ihm und Stefanie Forrester das Wort ab.

Meine Tage verbrachte ich hauptsächlich damit, das Fassungsvermögen meiner Blase auf natürliche Weise zu erweitern. Ich ging nicht mehr auf Toilette. Das führte neben einem verkniffenen Gesichtsausdruck zu übersteigerten Aggressionen.

Als ich von der Existenz des Sandmanns erfuhr, bekam ich panische Angst.
"Er streut dir doch nur Traumkörnchen in die Augen, damit du einschläfst", sagte meine Mutter.
"Ach ja? Nenn’ mir einen, der schmerzlos einschläft, wenn er die Augen voller Sand hat!"
Ich fand das krank. Was waren die Beweggründe dieses Mannes? Und warum hatte er nichts Besseres zu tun, als mit Sack und Schaufel bewaffnet in die Schlafzimmer fremder Menschen einzudringen? Für mich war die Sache klar: Der Sandmann war gefährlich und stand dem geistig debilen Hasen, der die Haushalte in nur einer Nacht ungefragt mit Eiern überschwemmte, in nichts nach. Ich ließ meine Eltern auf "Die Haut und ihre Anhangsgebilde" von Georg Deutschmann schwören, daß es keinen Streichholzmann gab, der in Vollmondnächten die Fußsohlen junger Mädchen ansengte, damit sie besser laufen konnten.

Alles, was es im Überfluß gab, machte mich mißtrauisch. So übte ich mich kurz vor der Einschulung in exzessivem Atmen. Schuld daran war mein Vater. "Es gibt nichts umsonst, merk’ dir das! Wenn es was umsonst gibt, hat es einen Haken. Spare in der Zeit, so hast du in der Not!", predigte er bei jeder Gelegenheit. Ich sparte Sauerstoff. Für schlechte Zeiten hortete ich frische Luft in Tüten und Dosen und eignete mir die Atemtechnik unseres Hundes an. "Warum hechelt das Kind so?" fragte Tante Luise, die als Schwester meiner Mutter, Geschiedene meines Onkels und in der gesamten Nachbarschaft als "die Besoffene aus dem Bushäuschen" bekannt war. Volltrunken zog es Tante Luise in die Ferne. Meist schaffte sie es bis zum Bushäuschen, wo wir sie oft aus einem Bierflaschenteppich herausschälen mussten.
"Na, sie sammelt Sauerstoff", brummte mein Vater unwillig.
"Ja weißt du denn auch, Kleines", hob Luise an, "daß die Haut mitatmet?" Dabei beugte sie sich so weit vor, daß sie mir mit der rotfarbenen Spitze ihrer Haarpyramide ins Auge stach. "Nein!" rief ich erstaunt aus, entledigte mich aber augenblicklich all meiner Kleidung. Lange Zeit war ich ein nacktes, sauerstoffdurchtränktes Kind.

Mit der Einschulung begannen die ersten zwanghaften Verhaltensweisen. "Halt’ bloß die Augen offen. Dann verpaßt du nichts!", rief mir meine Mutter am ersten Schultag zu, nachdem man mich gewaltsam, Finger für Finger, von ihr losgerissen hatte. Ich hielt die Augen offen. Nach ein paar Tagen gelang es mir, das Zwinkern völlig einzustellen. Meine Augen lagen auf dem Trockendock, doch dafür nahm ich täglich wesentlich mehr Eindrücke in mich auf als meine zwinkernden Mitschüler, denen ich bald meine nutzlosen Lider zum Verkauf anbot.
"Ihr Kind starrt", sagte man meiner Mutter beim ersten Elternsprechtag. "Es starrt?" "Nun, es bewegt seine Lider nicht.", erklärte mein Klassenlehrer mit einem raschen Seitenblick auf mich. Er mied mich. Mein Glotzen hatte ihn mit der Zeit nervös gemacht.

Ich wurde zu einem guten Therapeuten geschickt, der mich von der Notwendigkeit des Zwinkerns zu überzeugen suchte. Stundenlang saß ich in einem abgedunkeltem Zimmer und schaute mir an, wie Herr Hänse demonstrativ seine Augen vor mir auf- und zuschlug. Als mir die Sache zu albern wurde, blinzelte ich einmal heftig mit dem rechten Augenlid. Es quietschte dankbar. Hänse knuffte mich wie verrückt und entließ mich als geheilt in die Welt der Zwinkernden. Mein Tick war damit nicht etwa verschwunden. Ich verfeinerte ihn, indem ich drei Tage mit dem rechten, drei Tage mit dem linken Auge zwinkerte. Sonntags guckte ich gar nicht. Das glotzende Auge richtete ich nach wie vor auf meinen Klassenlehrer, der seinerseits ein nervöses Zucken entwickelte.

Mein Schulweg war langweilig. Da begann ich, meine Schritte bis nach Hause zu zählen. Ich kam auf 1216. Mal versuchte ich, die Zahl zu halbieren, mal zu verdoppeln, mal schritt ich aus wie ein Soldat, mal wie eine Spitzentänzerin. Die Langeweile blieb. Der Heimweg wurde zum Hindernisparcours, als ich ihn in drei Etappen einteilte, die jeweils mit einer streng vorgegebenen Anzahl an Bodenberührungen zu bewältigen waren. Der erste Streckenabschnitt begann vor dem Schultor und endete unmittelbar dahinter, mußte aber mit 35 Bodenberührungen zurückgelegt werden. Auf der Stelle laufen war nicht erlaubt. Die zweite Etappe war die gefährlichste. Sie führte über eine große Kreuzung, die mit geschlossenen Augen zu bewältigen war. Der letzte Abschnitt begann am Stamm einer Eiche aus Tante Luises Garten und endete vor der elterlichen Türschwelle. Mit 16 Schritten und vier Flugrollen war er zu schaffen. Versagte ich auf einer Etappe, gab es zwei Möglichkeiten: Entweder ich begann wieder am Schultor oder ich erteilte mir Absolution durch die Abbüßung sorgfältig erdachter Strafen. Unterlief mir ein Fehler beim letzten Abschnitt, konnte ich ihn durch eine innige Umarmung mit Tante Luises Jägerzaun ausmerzen. Öffnete ich versehentlich auf Etappe drei ein Auge, mußte ich den Rest der Strecke ohne T-Shirt zurücklegen. Das entband mich nicht etwa von den Flugrollen.

"Das ist nicht unser leibliches Kind!" riefen meine Eltern oft wie aus einem Munde zu den gaffenden Nachbarn, wenn ich mit entblößtem Oberkörper zum Mittagessen auf der Türschwelle aufschlug.
Tante Luise war es peinlich, wenn sie mich dabei erwischte, wie ich ihren Jägerzaun umarmte. "Was machst du da nur?" fragte sie und zerrte mich ins Haus. "Du solltest dich was schämen!" "Wenn du mich ihn jetzt nicht umarmen läßt, komme ich vielleicht in einer halben Stunde ohne Shirt vorbei und knuddel ihn trotzdem", entgegnete ich trotzig.

"Dein Kind ist gänzlich aus der Art geschlagen!" ereiferte sich mein Vater.
"Ach ja? Und was meinst du, woher es seine Macken hat? Na?", schrie meine Mutter aufgebracht.
"Vom Succubus?!"

Auch ich dachte über diese Angelegenheit nach, während ich oben in meinem Zimmer saß, mit dem linken Auge zuckte und versuchte, Bleistifte mit meinen Lippen zu spitzen.

Auf dem erzbischöflichen Gymnasium für Mädchen entdeckte ich schnell, daß Schwester Leoni soff wie ein Loch. Sie gab Kunstunterricht. Ich brachte ihr hochprozentigen Stoff von zu Hause mit. Dafür ließ sie mich in Ruhe. Ich hatte keine Zeit, stundenlang auf Bildkompositionen verstorbener Künstler zu starren. Das wollte ich mir für die Zeit auf dem Sterbebett aufheben. Als 14jähriger Teenager interessierte mich der Umgang mit Ton und was sich aus ihm formen ließ. Es entstanden einige Kunstwerke, die mein Vater zu den Gemälden in den Keller verbannte:

Das blutende Ohr Van Goghs
Vagina einer Übergewichtigen
Rabelais bei der Sezierung an einem Gehängten
Komplettes Werkzeug des Rippers
Ein Jungfrauenopfer zu Ehren der Göttin Bali

Die "Zeugung Mose" stieß auf großes Interesse. "Schön, wirklich schön. Ein religiöses Motiv, sagtest du? Was stellt es dar?", fragte mein Vater und betrachtete ehrfürchtig das tönerne Gebilde in seinen Händen. "Na, einen hebräischen Bauern und ein Pharaonenflittchen beim Akt."
Wortlos und mit hängenden Schultern trug er die Zeugung in den Keller. Er sprach zwei Wochen nicht mit mir. Zur Besänftigung töpferte ich ihm die "Papagena" aus Mozarts "Zauberflöte". Mein Vater weinte vor Rührung. Als er sich beruhigt hatte, fragte er, was es mit dem seltsamen Hubbel auf Papagenas Stirn auf sich habe. „Schau, das ist eine Pampel...“, hob ich an, wurde aber von einem kräftigen Tritt meiner Mutter zum Schweigen gebracht.

Als ich erfuhr, daß Gehirnzellen absterben, traf ich den Entschluß, all die nutzlosen Lehren und Eindrücke, die täglich auf mich eindrangen, abzublocken. Ich teilte mein Gehirn in Sektoren ein und führte meinen geistigen Beeten fest entschlossen nur das zu, was ich als erachtenswert betrachtete. Albert Camus Erkenntnis der Sinnlosigkeit aller Dinge kam mir bei dem Versuch zupaß, bereits gespeicherte, jedoch hartnäckig auf ihren Platz beharrende, Daten zu löschen.
Die tibetanische Brust erhielt einen Ehrenplatz neben der Erinnerung an eine Feuersbrunst, während der Sandmann und die Knallgasprobe rausflogen. Die chronologische Abfolge der Ereignisse während der französischen Revolution ließ mich kalt. Doch die freizügige Oberbekleidungsmode des weiblichen französischen Pöbels speicherte ich gleich unter der naturgetreuen Abbildung einer blutverschmierten Guillotine.

Aus Angst, meine grauen Zellen versehentlich mit Schrott zu füllen, schwänzte ich den Lateinunterricht. Unter der Doppelbelastung einer toten Sprache und eines nervtötenden Sprachfehlers der Lateinlehrerin, Frau Schopp, befürchtete ich einen totalen Absturz meiner sorgfältig angelegten Sektoren. Frau Schopp begann ihren Unterricht mit einer Drohung: "Sie alle werden, mäh, das große mäh, Latinum unter meiner mäh, Leitung schaffen. Mäh?" Ihr Latein hörte sich nicht besser an: "Ego occidi mäh, unum porcum et mäh ego habet bon mäh vino. Mäh?" (Ich habe geschlachtet mäh ein Schwein und mäh ich habe guten mäh Wein. Mäh?)
Ich schaffte weder das kleine, noch das große Latinum, gewann aber dafür einen großen, freien Sektor für zukünftigen Drogenmißbrauch.

Während einer Klausur zu Stefan Zweigs "Schachnovelle" entdeckte ich Kira, eine Gleichgesinnte. Ausdruckslos saß sie vor ihren leeren Blättern und sinnierte. Gelegentlich ging ein Ruck durch ihren Körper, woraufhin sie erschrocken zur "Schachnovelle" griff und heftig darin herumblätterte. Sie tat das mit einem Ausdruck ungläubigen Erstaunens. Wie ein junger Welpe, der seine tapsige Pfote zum ersten Mal in tiefen Schnee taucht. Dann – womöglich zur Beruhigung – wandte sie sich einem Haufen bunter Radiergummis zu, den sie vor sich ausgebreitet hatte. Sie radierte mit einer Inbrunst, daß es eine Lust war, ihr dabei zuzuschauen. Die Schnipsel sortierte sie nach Farben und deponierte sie in einem eigens dafür vorgesehenen Kästchen.
Wir wurden Freunde.

Kira brachte mir bei, Joints zu drehen und die Muskulatur der Oberschenkel so weit anzuspannen, daß sie nahezu jedes Gewicht aushielt. Als uns das Stemmen kleinerer Krafträder zu langweilig wurde, legten wir unsere Beine unter das Auto ihres Bruders, der dann zwei-, dreimal über uns hinweg fuhr. Als mein Vater davon erfuhr, war er außer sich. Meine Mutter war begeistert und ließ sich zusammen mit uns überfahren.

Kira soff mit der gleichen Inbrunst wie sie radierte. Wir verbrachten viel Zeit in zwielichtigen Bars, in denen man schon breit war, wenn man nur einmal tief durchatmete. Als entschiedene Gegner der Mittelmäßigkeit kifften und soffen wir uns durch die gesamte Stadt bis in die Notaufnahme des Krankenhauses. Wir kamen ins gleiche Zimmer und erhielten die gleiche, knappe Genesungskarte:
"In vino mäh veritas. Ibi jacet mäh lepus. Mäh?"
(Im Wein mäh liegt die Wahrheit. Da liegt mäh der Hase [im Pfeffer]. Mäh?)
Selbst von meinem Vater erhielt ich einen Genesungswunsch. Er schickte mir den Holzschnitt eines gefallenen Engels und unterschrieb mit "Succubus".

Die Zeit kurz vor den Abiturprüfungen verbrachte ich vor dem Fernseher. Mit halbgeschlossenen Augen und verzücktem Gesichtsausdruck erforschte ich die Welt der Seifenopern. Meine ungeteilte Aufmerksamkeit galt dem Modehaus Forrester aus Reich und Schön. Die Dialoge waren von simpler Schönheit:

Ein Büro in LA
Ridge Forrester: "Mutter, wo haben wir noch gleich die Stoffe für die Frühjahrskollektion?"
Stefanie Forrester: "Na, die hat sich Brooke, dein kleines Flittchen, unter den Nagel gerissen!"
Brooke Logan: "Stefanie! Ich werde deinen Sohn heiraten. Du kannst es nicht verhindern.

Ein anderes Büro in LA
Thorn Forrester: "Vater, wo haben wir noch gleich die Mappe für die Winterkollektion?"
Eric Forrester: "Na, die hat Clarke, der kleine Emporkömmling, gestohlen!"
Clarke: "Eric! Ich werde deinen Sohn heiraten. Du wirst mich nicht daran hindern können.

Strandhaus in LA
Taylor Hayse: [blickt versonnen auf den Wehenschreiber] Oh Ridge! Wie wirst du reagieren, wenn du erfährst, daß ich dein Kind unter meinem Herzen trage?"

Das Problem war, daß Taylor nie mit der Sprache herausrückte. Bis heute warte ich darauf, wie Ridge reagieren wird. Taylor war verdammt nah dran, es ihm zu beichten. Doch immer kam Brooke dazwischen. Ich lernte den Satz auswendig. Bald konnte ich ihn schnurren wie die Hayse und trug den gleichen sehnsuchtsvollen Ausdruck in den Augen.
"Oh, Ridge! Wie wirst du reagieren, wenn du erfährst, daß ich dein Kind unter meinem Herzen trage?" sagte ich beim Frühstück zu meiner Mutter. Als ich meinen Vater mit der Stimme von Thorn Forrester fragte, wo er noch gleich die Mappe für die Winterkollektion habe, zertrümmerte er den Fernseher und trug ihn in den Keller zu den Bildern und der Zeugung Mose.

Aus mir ist etwas geworden.

Ich studierte Medizin und habe heute mein Auskommen als glückliche Besitzerin einer kleinen Praxis im Süden der Stadt. Die Kunstwerke aus dem Keller meines Vaters schmücken nun die Wände meines Behandlungszimmers. "Sie ist völlig aus der Art geschlagen", behauptet einer meiner Kollegen, der mich zufällig bei der Bewältigung meines langweiligen Heimweges beobachtete.
 

aboreas

Mitglied
hallo majissa,

eigentlich ist alles ganz normal: ein musisches, wohl auch ein dem Intellektuellen hingeneigtes Elternhaus, von dem das Kind (wie auch immer) wahrgenommen wird, was es auf kindliche anarchische Weise „freundlichst“ zurückgibt. Eine gute Schulausbildung, eine wenn auch nicht näher beschriebene Berufsausbildung und ein Mindestmaß an Willenskraft. Das ist eigentlich schon so ungefähr gutes Bürgertum pur!!!! Es führt meistens zu etablierten Lebensverhältnissen.

Amüsant, wie erst die Mutter die „Kunstwerke“ in den Keller bringt, später der Vater und wie das Kind sie am Ende in seiner Praxis aufhängt. Ja, das ist Familie... Wie auch, dass der Vater sich schließlich zu seinem Kind bekennt, indem er mit Succubus unterschreibt.

Auch das trägt zur Glaubwürdigkeit, zur Lust weiter zu lesen, zum Interesse am Fortgang der Geschichte bei. Und dann: Im Kontrast zu diesem versteckt liegenden Gerüst, eingebettet in die Familienverhältnisse entwickelst du diese skurrilen Verhaltensmuster, die individuellen Wesenszüge, die kindlichen Verrücktheiten - aber es passt alles so wunderbar. Und es bringt dem Leser (mir jedenfalls!) einen höllischen Spaß, um nicht zu sagen: eine succubussische Lust. ;-)

Eine rhythmische, abwechslungsreiche Schreibe; alles sehr dicht, kompakt, reif; daher auch sehr atmosphärisch, schön...

Na ja, eine klitzekleine Verständnis-Frage habe ich allerdings... das Modehaus Forrester! Die Passagen hierzu erscheinen mir in der Relation zur gesamten Geschichte leicht übergewichtig. Oder habe ich da etwas nicht verstanden? Sollten die Szenen einen Entwicklungsschritt des Kindes darstellen?

Ach ja. Ich bewerte mit Bestnote (obwohl ich von diesen Benotungen eigentlich nicht allzu viel halte)

Einen dicken Gruß und einen schönen Wochenbeginn.

aboreas
 

majissa

Mitglied
Lieber Aboreas,

du siehst mich succubussisch erfreut. ;)

Danke für deine schnelle Reaktion. Dein Kommentar ist mir sehr hilfreich, weil du bereits der Dritte mit einem gutem Textgefühl bist, der das Soap-Fragment zu lang findet. Also muss ja irgendwas dran sein. Annabelle, der ich hiermit für ihr prima Lektorat danke, meinte, die Protagonistin gehe dem Leser dort einfach über mehrere Absätze hinweg verloren.

Und nein, die Szene sollte keinen Entwicklungsschritt im Leben des Kindes darstellen. Eher einen vorübergehenden Rückzug in die stumpfsinnige Welt der Seifenopern, um vielleicht auf diese Art und Weise die durch die anstehende Abiprüfung mit Lehrstoff überfüllten Hirnsektoren einer Zwangsformatierung zu unterziehen. ;)
Wie auch immer - wahrscheinlich werde ich die Szene radikal kürzen oder ein paar erklärende Zeilen zwischenfügen müssen.

Bemerkenswert an deinem Kommentar finde ich, dass du Dinge erkannt hast, an die ich beim Schreiben überhaupt nicht dachte. Beispielsweise, dass der Vater sich mit seiner Succubus-Unterschrift doch noch zu seinem Kind bekennt. Erstaunlich, was man da unbewußt so alles einbaut. Womöglich liegt's auch daran, dass die Geschichte teilweise authentisch ist. Wo genau, wird aber nicht verraten...

Liebe Grüsse, Dank für's Lob und eine schöne Woche
Majissa
 
E

ElsaLaska

Gast
Disclaimer

Dies ist ein von der Autorin gewünschtes Lektorat und stellt keinen wie auch immer gearteten Übergriff auf einen mir völlig fremden Text dar.
Elsa Laska :D

Meine Geburt stand unter einem schlechten Stern. Kurz bevor ich zum ersten Mal nach Luft rang, ertränkte sich Mr. Tripps, der Familiensittich, im Badehäuschen und Oma Fine brach sich beim Versuch, ihn davon abzuhalten, den Hals.
Unschöne Trennung von Akkusativobjekt und Prädikat. Vorschlag:
und Oma Fine brach sich den Hals beim Versuch, ihn davon abzuhalten.


Es gab keine Abschiedsbriefe, die mich entlastet hätten. Überzeugt davon, mit meiner Geburt den Sturz
nun, es war ja wohl eher DAS ABLEBEN, weniger der STURZ, also lieber auf Tod oder ABLEBEN referieren, damit das BESTREITEN des Vaters besser motiviert dargestellt werden kann

seiner Mutter forciert zu haben, bestritt Vater a priori jede Beteiligung an meinem Dasein. Er hielt mich für das teuflische Produkt eines wollüstigen Elementargeistes, der es Nacht für Nacht meiner Mutter besorgte HATTE , hier ist vorvorvergangenheit gefordert
, während er in fremden Städten Konzerte gab, um die Familie zu ernähren. Ein nach Schwefel stinkender Succubus, der mich in seine Frau pflanzte, um später mit meiner Hilfe die Weltherrschaft an sich zu reißen. Dabei lag die nach Überzeugung meiner Mutter schon in Oma Fines Händen. Sie war der "Don" der Familie und führte [strike] auch[/strike] häufig vom Keller aus Ferngespräche nach Saudiarabien.
Saudi-Arabien

Die Nachricht von den Todesfällen ereilte meinen Vater, noch bevor sich die Tür zum Kreißsaal öffnete. Eine waschmaschinengroße Hebamme mit Pianistenhänden trat in den Warteraum
gelungene Zeichnung;-)
und rief:
"Wer ist der Glückliche?"
"Ein Succubus!", schluchzte mein Vater und rannte nach Hause.

Um ihn in seinem albernen Dämonenglauben nicht zu bestärken, verschwiegen wir ihm die näheren Umstände meiner Geburt. Ich kam völlig schweigsam zur Welt und auch meine Mutter machte keinen Mucks. Sie war stinksauer, weil ich ihr in eine Doppelfolge des Denver Clans geplatzt war. Und wenn sie stinksauer war, schwieg sie oder rauchte Kette. Sie hätte auch während der Entbindung gern geraucht, um nicht schweigen zu müssen, erklärte sie später. Besonders während der Presswehen. So aber ging ich als die stillste Geburt in die Geschichte des Severinsklösterchens ein.

Als Tante Luise "Der Don ist tot!", in den Hörer brüllte, war die Sache mit dem Denver Clan vergessen und ich verließ mit einer euphorischen Mutter das Krankenhaus.

Eine handtellergroße [blue] Beule[/blue] im Grammophondeckel, ein tiefgefrorener Hüftknochen und zwei Zähne in einem Samtkästchen erinnern noch heute an den Todestag von Oma Fine. Das Grammophon ist aus Mooreiche und der Gedanke, dass Fines Kopf den schweren Deckel so eindellen konnte, half meinem Vater schließlich über den Verlust hinweg.
"Sie hatte die härteste Hirnschale der Welt", verkündete er jedes Mal stolz beim Entstauben und Polieren der [blue] Beule.[/blue]
ähm, ja , Du meinst aber eine Delle. Eine Beule wölbt sich nach oben und die Oma ist doch mit dem Kopf auf das Ding gefallen, also muss sich der Deckel ja nach innen wölben= Delle


"Ja, sie heizte dem Ding so richtig ein!", tschuldigung, hier ist wieder vorvergangenheit angesagt: sie hat dem ding richtig eingeheizt

versicherten wir ihm, hielten den Daumen hoch und tauschten im Keller den ekligen Hüftknochen des "Don" gegen ein Modell aus Ton aus.

Trotz des schlechten Starts fehlte es mir nicht an elterlicher Zuwendung.
[blue] das ist unlogisch, weil doch der Vater total gegen den Sohn/die Tochter ist, also vielleicht eher „mütterlicher Zuwendung“
[/blue]
Schon früh wälzte ich mit meiner Mutter medizinische Schmöker [strike] durch[/strike], die sich mit seltenen, dermatologischen Beschwerden befaßten.
[red] befaSSten , je nach rs[/red],

Die Faszination am Greuel [blue] (ok alte RS)[/blue]hielt uns bis in die Nachtstunden wach. Warzenübersäte Gesichter, eitrige Flechten, chronische Ausschläge und interessante Beulenbildungen (hier ist BEULE KORREKT;-) ) an den undenkbarsten Stellen des menschlichen Körpers waren meine bevorzugten, nächtlichen Begleiter. Es gab da die dreibrüstige Tibetanerin. Sie war mein Favorit. Frau Holle und Peter Pan kamen einfach nicht gegen den wohlgeformten dritten Busen an, der da aus ihrer Stirn wuchs und das rechte Auge überdeckte. Bei Vollmond schwoll er angeblich an. Über den Busen bei Neumond gab die tibetanische Frau keine Auskunft. (schludrig formuliert) Das machte mich fertig. [das auch)

Meine Mutter quälte sich mit der Frage nach der Körbchengröße.
"Sie hat dort oben doch mindestens 50 D?!“
„Nein, sie hat Cup C, aber der 50er-Umfang dürfte hinhauen.“, behauptete ich. ANFÜHRUNGSSTRICH, ohne Punkt, KOMMA nach ANFÜHRUNGSSTRICH

Dank Madame Camille kannte ich mich mit BH-Größen bestens aus. So oft ich konnte, lungerte ich in ihrem Dessous-Lädchen herum und ließ mir alles Wissenswerte über den weiblichen Busen erklären. Madame Camille erkannte sehr schnell meine Leidenschaft und nannte mich ihre „petite élève“. Ich lernte spielerisch mit Früchten. Cup A stand für Mandarinen, Cup B für mittelgroße Äpfelchen, Cup C für Pampelmusen und Cup D für Honigmelonen. (Danke für die Eselsbrücke, endlich kann ich mir diesen Körbchenscheiss auch mal merken;-) )Weiter ging’s mit Wassermelonen und Kürbissen. Die Früchte für Cup G – Z mussten noch erfunden werden. Die weibliche Bevölkerung meiner Stadt war für mich ein einziges großes Obstsortiment.

Mein Vater versuchte, mir die schönen Künste näherzubringen. Er lehrte mich das Komponieren und Singen, steckte mich in einen Malkurs und nahm mich wutschnaubend wieder heraus, als ich ihm die "Warzenschulter eines sumatranischen Jünglings" in Öl präsentierte. Es war ein schönes Gemälde. Meine Mutter hing es in den Keller zu den anderen Bildern. Es gab da das "Dorf jungfräulicher Elefantenfrauen", die "Tibetanische Brust bei Neumond", "Herbstflechten" und "Membrum Virile", das einen überglücklichen Mexikaner mit 2 Schwänzen zeigte. "Membrum Virile" bekam mein Vater auf dem Kopf stehend zu sehen. "Das nenn ich doch mal Kunst!" KOMMA nach neuer RS, aber du bist irgendwie nicht ganz konsequent was alte-neue RS betrifft rief er begeistert aus. "Aber warum spielt der Flötist auf zwei Instrumenten gleichzeitig? Ausserdem könnte er sich mal den Bart schneiden. Wer ist denn das überhaupt?" Es war stets ein schlechtes Zeichen, wenn mein Vater anfing, die Gemälde hin- und herzudrehen. Meine Kindheit führte mich allzu oft in den Keller mit dem Hinweis So läuft das nicht!
(versteh ich nicht. was läuft nicht. und Außerdem könne er sich mal den Bart schneiden mit scharf s, auch nach neuer RS)

Meine Neigung zum Experimentieren zeigte sich früh. Im zarten Alter von vier begann ich, die ersten Pflanzen anzunagen und auf die Nebenwirkungen zu warten. Die leicht säuerlichen, durchaus bekömmlichen Butterblumen in unserem Garten bildeten den Anfang. Der Löwenzahn auf dem Nachbargrundstück verursachte leichte Atembeschwerden. Aber die köstliche Milch der meisten Pflanzenstengel berauschte mich. Ich erweiterte mein Territorium, fraß mich durch wilde Gärten, weidete an grasbewachsenen Hügeln und machte selbst [red] vor den den[/red] Fußballplatz umgebenden, saftigen Wiesen nicht Halt. hüstel: vor den saftigen Wiesen, die den Fußballplatz umgaben, nicht Halt.

"Dein Kind grast die ganze, verdammte Stadt ab!", schrie mein Vater meine Mutter an.
"Ach ja? Wer sagt das?"
Gerade lief ein Double-Feature von Reich und Schön.
"Unser Nachbar möchte sie zum Heckenstutzen mieten!"
"Frag ihn, was dabei herausspringt und vergiss‘ auf dem Rückweg meine Zigaretten nicht!", schnitt meine Mutter ihm und Stefanie Forrester das Wort ab.

Meine Tage verbrachte ich hauptsächlich damit, das Fassungsvermögen meiner Blase auf natürliche Weise zu erweitern. Ich ging nicht mehr auf DIE Toilette. Das führte neben einem verkniffenen Gesichtsausdruck zu übersteigerten Aggressionen.

Als ich von der Existenz des Sandmanns erfuhr, bekam ich panische Angst.
"Er streut dir doch nur Traumkörnchen in die Augen, damit du einschläfst", sagte meine Mutter.
"Ach ja? Nenn’ mir einen, der schmerzlos einschläft, wenn er die Augen voller Sand hat!"
Ich fand das krank. Was waren die Beweggründe dieses Mannes? Und warum hatte er nichts Besseres zu tun, als mit Sack und Schaufel bewaffnet in die Schlafzimmer fremder Menschen einzudringen? Für mich war die Sache klar: Der Sandmann war gefährlich und stand dem [strike] geistig[/strike] debilen Hasen, der die Haushalte in nur einer Nacht ungefragt mit Eiern überschwemmte, in nichts nach. Ich ließ meine Eltern auf "Die Haut und ihre Anhangsgebilde" von Georg Deutschmann schwören, [red] daß (also doch ALTE RS, dann kannst Du Dir aber die Kommata nach !“ sparen [/red]es keinen Streichholzmann gab, der in Vollmondnächten die Fußsohlen junger Mädchen ansengte, damit sie besser laufen konnten.

Alles, was es im Überfluß gab, machte mich mißtrauisch. So übte ich mich kurz vor der Einschulung in exzessivem Atmen. Schuld daran war mein Vater. "Es gibt nichts umsonst, merk’ dir das! Wenn es was umsonst gibt, hat es einen Haken. Spare in der Zeit, so hast du in der Not!", predigte er bei jeder Gelegenheit. Ich sparte Sauerstoff. Für schlechte Zeiten hortete ich frische Luft in Tüten und Dosen und eignete mir die Atemtechnik unseres Hundes an. "Warum hechelt das Kind so?" fragte Tante Luise, die als Schwester meiner Mutter, Geschiedene meines Onkels und in der gesamten Nachbarschaft als "die Besoffene aus dem Bushäuschen" bekannt war. Volltrunken zog es Tante Luise in die Ferne. Meist schaffte sie es bis zum Bushäuschen, wo wir sie oft aus einem Bierflaschenteppich herausschälen mussten. (schiefes Bild)
"Na, sie sammelt Sauerstoff", brummte mein Vater unwillig.
"Ja weißt du denn auch, Kleines", hob Luise an, "daß die Haut mitatmet?" Dabei beugte sie sich so weit vor, daß sie mir mit der rotfarbenen Spitze ihrer Haarpyramide ins Auge stach. "Nein!" rief ich erstaunt aus, entledigte mich aber augenblicklich all meiner Kleidung. Lange Zeit war ich ein nacktes, sauerstoffdurchtränktes Kind.

Mit der Einschulung begannen die ersten zwanghaften Verhaltensweisen.
ach doch?J

"Halt’ bloß die Augen offen. Dann verpaßt du nichts!", rief mir meine Mutter am ersten Schultag zu, nachdem man mich gewaltsam, Finger für Finger, von ihr losgerissen hatte. Ich hielt die Augen offen. Nach ein paar Tagen gelang es mir, das Zwinkern völlig einzustellen. Meine Augen lagen auf dem Trockendock, doch dafür nahm ich täglich wesentlich mehr Eindrücke in mich auf als meine zwinkernden Mitschüler, denen ich bald meine nutzlosen Lider zum Verkauf anbot.
"Ihr Kind starrt", sagte man meiner Mutter beim ersten Elternsprechtag. "Es starrt?" "Nun, es bewegt seine Lider nicht.", KEIN PUNKT erklärte mein Klassenlehrer mit einem raschen Seitenblick auf mich. Er mied mich. Mein Glotzen hatte ihn mit der Zeit nervös gemacht.

Ich wurde zu einem guten Therapeuten geschickt, der mich von der Notwendigkeit des Zwinkerns zu überzeugen suchte. Stundenlang saß ich in einem abgedunkeltem Zimmer und schaute mir an, wie Herr Hänse demonstrativ seine Augen vor mir auf- und zuschlug. Als mir die Sache zu albern wurde, blinzelte ich einmal heftig mit dem rechten Augenlid. Es quietschte dankbar. Hänse knuffte mich wie verrückt und entließ mich als geheilt in die Welt der Zwinkernden. Mein Tick war damit nicht etwa verschwunden. Ich verfeinerte ihn, indem ich drei Tage mit dem rechten, drei Tage mit dem linken Auge zwinkerte. Sonntags guckte ich gar nicht. Das glotzende Auge richtete ich nach wie vor auf meinen Klassenlehrer, der seinerseits ein nervöses Zucken entwickelte.

Mein Schulweg war langweilig. Da begann ich,
ALSO begann ich...


meine Schritte bis nach Hause zu zählen. Ich kam auf 1216. Mal versuchte ich, die Zahl zu halbieren, mal zu verdoppeln, mal schritt ich aus wie ein Soldat, mal wie eine Spitzentänzerin. Die Langeweile blieb. Der Heimweg wurde zum Hindernisparcours, als ich ihn in drei Etappen einteilte, die jeweils mit einer streng vorgegebenen Anzahl an Bodenberührungen zu bewältigen waren. Der erste Streckenabschnitt begann vor dem Schultor und endete unmittelbar dahinter, mußte aber mit 35 Bodenberührungen zurückgelegt werden. Auf der Stelle laufen war nicht erlaubt. Die zweite Etappe war die gefährlichste. Sie führte über eine große Kreuzung, die mit geschlossenen Augen zu bewältigen war. Der letzte Abschnitt begann am Stamm einer Eiche aus Tante Luises Garten und endete vor der elterlichen Türschwelle. Mit 16 Schritten und vier Flugrollen war er zu schaffen. Versagte ich auf einer Etappe, gab es zwei Möglichkeiten: Entweder ich begann wieder am Schultor oder ich erteilte mir Absolution durch die Abbüßung sorgfältig erdachter Strafen. Unterlief mir ein Fehler beim letzten Abschnitt, konnte ich ihn durch eine innige Umarmung mit Tante Luises Jägerzaun ausmerzen. Öffnete ich versehentlich auf Etappe drei ein Auge, mußte ich den Rest der Strecke ohne T-Shirt zurücklegen. Das entband mich nicht etwa von den Flugrollen.
GUT!
"Das ist nicht unser leibliches Kind!" riefen meine Eltern oft wie aus einem Munde zu den gaffenden Nachbarn, wenn ich mit entblößtem Oberkörper zum Mittagessen auf der Türschwelle aufschlug.
Tante Luise war es peinlich, wenn sie mich dabei erwischte, wie ich ihren Jägerzaun umarmte. "Was machst du da nur?" fragte sie und zerrte mich ins Haus. "Du solltest dich was schämen!" "Wenn du mich ihn jetzt nicht umarmen läßt, komme ich vielleicht in einer halben Stunde ohne Shirt vorbei und knuddel ihn trotzdem", entgegnete ich trotzig.

"Dein Kind ist gänzlich aus der Art geschlagen!" ereiferte sich mein Vater.
"Ach ja? Und was meinst du, woher es seine Macken hat? Na?", schrie meine Mutter aufgebracht.
"Vom Succubus?!"

Auch ich dachte über diese Angelegenheit nach, während ich oben in meinem Zimmer saß, mit dem linken Auge zuckte und versuchte, Bleistifte mit meinen Lippen zu spitzen.

Auf dem erzbischöflichen Gymnasium für Mädchen entdeckte ich schnell, daß Schwester Leoni soff wie ein Loch. Sie gab Kunstunterricht. Ich brachte ihr hochprozentigen Stoff von zu Hause mit. Dafür ließ sie mich in Ruhe. Ich hatte keine Zeit, stundenlang auf Bildkompositionen verstorbener Künstler zu starren. Das wollte ich mir für die Zeit auf dem Sterbebett aufheben. Als 14jähriger Teenager interessierte mich der Umgang mit Ton und was sich aus ihm formen ließ. Es entstanden einige Kunstwerke, die mein Vater zu den Gemälden in den Keller verbannte:

Das blutende Ohr Van Goghs
Vagina einer Übergewichtigen
Rabelais bei der Sezierung an einem Gehängten
Komplettes Werkzeug des Rippers
Ein Jungfrauenopfer zu Ehren der Göttin Bali

KALI! KALI!nicht Bali, oder?

Die "Zeugung Mose" stieß auf großes Interesse. "Schön, wirklich schön. Ein religiöses Motiv, sagtest du? Was stellt es dar?", fragte mein Vater und betrachtete ehrfürchtig das tönerne Gebilde in seinen Händen. "Na, einen hebräischen Bauern und ein Pharaonenflittchen beim Akt."
Wortlos und mit hängenden Schultern trug er die Zeugung in den Keller. Er sprach zwei Wochen nicht mit mir. Zur Besänftigung töpferte ich ihm die "Papagena" aus Mozarts "Zauberflöte". Mein Vater weinte vor Rührung. Als er sich beruhigt hatte, fragte er, was es mit dem seltsamen Hubbel auf Papagenas Stirn auf sich habe. „Schau, das ist eine Pampel...“, hob ich an, wurde aber von einem kräftigen Tritt meiner Mutter zum Schweigen gebracht.

Als ich erfuhr, daß Gehirnzellen absterben, traf ich den Entschluß, all die nutzlosen Lehren und Eindrücke, die täglich auf mich eindrangen, abzublocken. Ich teilte mein Gehirn in Sektoren ein und führte meinen geistigen Beeten fest entschlossen nur das zu, was ich als erachtenswert betrachtete. Albert Camus Erkenntnis der Sinnlosigkeit aller Dinge kam mir bei dem Versuch zupaß, bereits gespeicherte, jedoch hartnäckig auf ihren Platz beharrende, Daten zu löschen. zu manieriert

Die tibetanische Brust erhielt einen Ehrenplatz neben der Erinnerung an eine Feuersbrunst, während der Sandmann und die Knallgasprobe rausflogen. Die chronologische Abfolge der Ereignisse während der französischen Revolution ließ mich kalt. Doch die freizügige Oberbekleidungsmode des weiblichen französischen Pöbels speicherte ich gleich unter der naturgetreuen Abbildung einer blutverschmierten Guillotine.

Aus Angst, meine grauen Zellen versehentlich mit Schrott zu füllen, schwänzte ich den Lateinunterricht. Unter der Doppelbelastung einer toten Sprache und eines nervtötenden Sprachfehlers der Lateinlehrerin, Frau Schopp, befürchtete ich einen totalen Absturz meiner sorgfältig angelegten Sektoren.
cool

Frau Schopp begann ihren Unterricht mit einer Drohung: "Sie alle werden, mäh, das große mäh, Latinum unter meiner mäh, Leitung schaffen. Mäh?" Ihr Latein hörte sich nicht besser an: "Ego occidi mäh, unum porcum et mäh ego habet bon mäh vino. Mäh?" (Ich habe geschlachtet mäh ein Schwein und mäh ich habe guten mäh Wein. Mäh?)
Ich schaffte weder das kleine, noch das große Latinum, gewann aber dafür einen großen, freien Sektor für zukünftigen Drogenmißbrauch.

Während einer Klausur zu Stefan Zweigs "Schachnovelle" entdeckte ich Kira, eine Gleichgesinnte. Ausdruckslos saß sie vor ihren leeren Blättern und sinnierte. Gelegentlich ging ein Ruck durch ihren Körper, woraufhin sie erschrocken zur "Schachnovelle" griff und heftig darin herumblätterte. Sie tat das mit einem Ausdruck ungläubigen Erstaunens. Wie ein junger Welpe, der seine tapsige Pfote zum ersten Mal in tiefen Schnee taucht. Dann – womöglich zur Beruhigung – wandte sie sich einem Haufen bunter Radiergummis zu, den sie vor sich ausgebreitet hatte. Sie radierte mit einer Inbrunst, daß es eine Lust war, ihr dabei zuzuschauen. Die Schnipsel sortierte sie nach Farben und deponierte sie in einem eigens dafür vorgesehenen Kästchen.
Wir wurden Freunde.

Kira brachte mir bei, Joints zu drehen und die Muskulatur der Oberschenkel so weit anzuspannen, daß sie nahezu jedes Gewicht aushielt. Als uns das Stemmen kleinerer Krafträder zu langweilig wurde, legten wir unsere Beine unter das Auto ihres Bruders, der dann zwei-, dreimal über uns hinweg fuhr. Als mein Vater davon erfuhr, war er außer sich. Meine Mutter war begeistert und ließ sich zusammen mit uns überfahren.

Kira soff mit der gleichen Inbrunst wie sie radierte. Wir verbrachten viel Zeit in zwielichtigen Bars, in denen man schon breit war, wenn man nur einmal tief durchatmete. Als entschiedene Gegner der Mittelmäßigkeit kifften und soffen wir uns durch die gesamte Stadt bis in die Notaufnahme des Krankenhauses. Wir kamen ins gleiche Zimmer und erhielten die gleiche, knappe Genesungskarte:
"In vino mäh veritas. Ibi jacet mäh lepus. Mäh?"
(Im Wein mäh liegt die Wahrheit. Da liegt mäh der Hase [im Pfeffer]. Mäh?)
Selbst von meinem Vater erhielt ich einen Genesungswunsch. Er schickte mir den Holzschnitt eines gefallenen Engels und unterschrieb mit "Succubus".

Die Zeit kurz vor den Abiturprüfungen verbrachte ich vor dem Fernseher. Mit halbgeschlossenen Augen und verzücktem Gesichtsausdruck erforschte ich die Welt der Seifenopern. Meine ungeteilte Aufmerksamkeit galt dem Modehaus Forrester aus Reich und Schön. Die Dialoge waren von simpler Schönheit:

Ein Büro in LA
Ridge Forrester: "Mutter, wo haben wir noch gleich die Stoffe für die Frühjahrskollektion?"
Stefanie Forrester: "Na, die hat sich Brooke, dein kleines Flittchen, unter den Nagel gerissen!"
Brooke Logan: "Stefanie! Ich werde deinen Sohn heiraten. Du kannst es nicht verhindern.

Ein anderes Büro in LA
Thorn Forrester: "Vater, wo haben wir noch gleich die Mappe für die Winterkollektion?"
Eric Forrester: "Na, die hat Clarke, der kleine Emporkömmling, gestohlen!"
Clarke: "Eric! Ich werde deinen Sohn heiraten. Du wirst mich nicht daran hindern können.

Strandhaus in LA
Taylor Hayse: [blickt versonnen auf den Wehenschreiber] Oh Ridge! Wie wirst du reagieren, wenn du erfährst, daß ich dein Kind unter meinem Herzen trage?"

Das Problem war, daß Taylor nie mit der Sprache herausrückte. Bis heute warte ich darauf, wie Ridge reagieren wird. Taylor war verdammt nah dran, es ihm zu beichten. Doch immer kam Brooke dazwischen. Ich lernte den Satz auswendig. Bald konnte ich ihn schnurren wie die Hayse und trug den gleichen sehnsuchtsvollen Ausdruck in den Augen.
"Oh, Ridge! Wie wirst du reagieren, wenn du erfährst, daß ich dein Kind unter meinem Herzen trage?" sagte ich beim Frühstück zu meiner Mutter. Als ich meinen Vater mit der Stimme von Thorn Forrester fragte, wo er noch gleich die Mappe für die Winterkollektion habe, zertrümmerte er den Fernseher und trug ihn in den Keller zu den Bildern und der Zeugung Mose.

Aus mir ist etwas geworden.

Ich studierte Medizin und habe heute mein Auskommen als glückliche Besitzerin einer kleinen Praxis im Süden der Stadt. Die Kunstwerke aus dem Keller meines Vaters schmücken nun die Wände meines Behandlungszimmers. "Sie ist völlig aus der Art geschlagen", behauptet einer meiner Kollegen, der mich zufällig bei der Bewältigung meines langweiligen Heimweges beobachtete.

[blue]- Achtung bei der Zeichensetzung, die entspricht nicht der alten RS
- Du trennst zugerne die Objekte GAAAAANZ weit vom Prädikat weg ab;-)
- Der Schluß gefällt mir nicht. Der Kollege kommt mir zu unvermittelt, kannst Du das nicht anders rüberbringen, dass sie immer noch Flugrollen etc macht?
- Mach es früher deutlich, dass sie ein Mädchen/Frau ist
- Coole BILDTITEL![/blue]
 
E

ElsaLaska

Gast
PS- Aus aktuellem Anlaß

Ich vergass...

ein SUCCUBUS ist ein weiblicher Beischlafdämon, der den Samen eines Menschenmannes aufnimmt

ein INCUBUS ist ein männlicher Beischlafdämon, der seinen Samen in die Menschenfrau pflanzt.

Das ist eine Kleinigkeit, die mich sehr gestört hat.

Demnach müsste also Deine Geschichte eigentlich INCUBUS heißen...

Lieben Gruß
die Walpurgisnacht-Elsa
 

majissa

Mitglied
Majissa dankt...

...für deine Mühe und die hilfreichen Anmerkungen, Elsa. Besonders für die Hinweise zu Kali/Bali...*räusper*...sowie den Incubi und Succubi, die ich mal wieder verwechselt habe. Meine Erfahrung mit Beischlafdämonen hält sich ja auch in Grenzen...;)

Du hast noch einige Ungereimtheiten entdeckt, die mir so nie aufgefallen wären. Obwohl ich den Text nach dem Schreiben noch einige Male korrigiert habe. So ging ich ganz automatisch davon aus, dass der Leser gleich um das Geschlecht des Prot. weiß. Und ich sollte mich wohl langsam mal zwischen alter und neuer RS entscheiden.

Noch mal kurz zu den Flugrollen:

Der Kollege am Ende der Story wundert sich über die eigenartige Bewältung des Heimweges. Ich nahm an, dass sein Ausruf "Sie ist völlig aus der Art geschlagen" als Hinweis darauf, dass die Protagonistin sich auch als Erwachsene immer noch nach Hause turnt, ausreichend ist.

So, nun lass' ich mir das alles mal durch den Kopf gehen und wünsch dir einen schönen 1. Mai.

Liebe Grüsse
Majissa
 
E

ElsaLaska

Gast
Liebe Majissa,

"Ich nahm an, dass sein Ausruf "Sie ist völlig aus der Art geschlagen" als Hinweis darauf, dass die Protagonistin sich auch als Erwachsene immer noch nach Hause turnt, ausreichend ist."

Jaja, das ist total ausreichend, es ist sogar fast schon zuviel des Guten, den jetzt sitzt man zwei Zeilen vor Ende plötzlich vor einem fast willkürlich eingeführten Kollegen, der einfach nur diesen einen Satz sagt und den Hinweis gibt. Verstehst Du? Das ist mir NICHT ELEGANT genug. Die Geschichte hat ein pfiffiger formuliertes Ende verdient.

Versteh mich richtig, das ENDE ist GUT! Nur kannst Du das vielleicht noch ein wenig "schwereloser" setzen, es ist mir einfach zu plump, der Kollege, der das so dahinsagt.
Ich weiß nicht, ob ich rüberkomme, es ist nur so ein Gefühl.

Also dass sie immer noch turnt auf dem Heimweg ist GUT!
Aber es müsste dem Leser irgendwie in einer eleganten Pirouette klargemacht werden, so wie es jetzt ist, ist es ein plumper Dreisprung.

Verzeih den Vergleich:)!

Schönen ersten Mai wünscht Dir

Elsa
PS: Bei Irritationen zu indischen Gottheiten stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung!
Ebenso übrigens auch bei Speisefolgen mit dazu korrespondierenden Getränken;-)
 
E

ElsaLaska

Gast
Eselsbrücke Succubus-Incubus

Als Revanche für die Cup-Brücke...

SSSSSSSuccubus SSSSSSaugt SSSSSAMEN (aus dem Mann)

INNNNNNcubus dringt eIIIIIIIINNNNNNN (in den Schoß)

So hab ich mir das immer gemerkt:)
 

majissa

Mitglied
*lol*

Danke für die Eselsbrücke, Elsa. Ich hab mich ja spontan für “SSSSSSSuccubus SSSSSSaugt SSSSSAMEN“ erwärmt. Gesungen klingt’s hübsch. Fast wie ein stimulierendes Mantra. ;)

Für die obsthaltige Aufklärung in Sachen Körbchengröße hat sich schon gestern ein Freund bei mir bedankt. Jetzt könne er endlich mal Dessous für seine Freundin kaufen, ohne jedesmal auf diese dämlichen Handbewegungen zur Veranschaulichung zurückgreifen zu müssen. Es erstaunt mich aber wirklich, dass es da auch bei Frauen Verständnisschwierigkeiten gibt. Ich dachte immer, dass die Cup-Problematik spätestens nach dem dritten Besuch in einer dieser toilettenhäuschengroßen Dessous-Lädchen mit ihren – im Flüsterton über Korb und Körbchen - dozierenden Verkäuferinnen vom Tisch wäre.

Was das Ende angeht, habe ich jetzt verstanden, was du meinst. Es kommt zu abrupt, wirkt deshalb vielleicht auch lieblos. Ich werde es ausbauen, um dem willkürlichen Kollegen Leben einzuhauchen. Danach wird er die Protagonistin zufällig dabei beobachten, wie sie sich in einer eleganten Spagatabfolge durch eine hübsche Allee schiebt. So oder so ähnlich.

Danke nochmal für deine Mühe. :)

Majissa

PS: Da ich eine fatale Neigung zu trockenen Rotweinen habe, sehe ich mich fast immer zum Verzehr von Käse gezwungen. Aber Zigaretten korrespondieren immer mit dem Roten. ;)
 

bassimax

Mitglied
Hallo Majissa

Anfangs fand ich die Geschichte recht witzig. Sie ist gut
geschrieben und hat Tempo. Aber um so länger ich gelesen
habe, desto weniger lustig erschien sie mir. Denn im Prinzip
ist die Protagonistin ein Mädchen, dass mehr und mehr
in eine Welt von Zwangshandlungen flieht und immer stärker
den Kontakt zur Realität verliert. Zudem wird sie auch noch
von den eigenen Eltern abgelehnt und für den Tod ihrer Grossmutter verantwortlich gemacht. "Humorvoll kaschierte
Verzweiflung" fällt mir gerade ein. Naja, vielleicht habe
ich aber auch nur einen ernsten Tag.

Viele Grüsse
Sebastian
 
E

ElsaLaska

Gast
Jaaaaaa bassimax,

majissa wollte aber keine psychotherapeutische oder soziologische Fallstudie schreiben, sondern ein Stückchen Literatur, weißt Du?

Hast Du Pippi Langstrumpf auch unter soziopsychologischen Gesichtspunkten gelesen?
 

bassimax

Mitglied
Tjaaaaa, Elsa Laska

Wer hat denn behauptet, dass sie eine Fallstudie geschrieben
hätte? Ich jedenfalls nicht. Ich habe nur meinen Eindruck
wiedergegeben, weisst Du?
Und nun merke auf: Manchmal ist es ganz gut, hinter
die Fassade von Dingen zu blicken. Es mag ja sein, dass
diese Geschichte einzig und allein amüsant ist. Vielleicht
steckt aber auch mehr dahinter. Vielleicht aber auch nicht.
Lache nur ganz frei wenn du lachen willst. Und wenn andere
nachdenklich werden, so nimm auch dies hin. Ob du wohl so
tolerant bist?
Sebastian
 

majissa

Mitglied
Urps!

Gucke da! Der Sebastian...;)

Also, mein Lieber, die Protagonistin ist nicht verzweifelt. Sie sieht die Welt nur aus einer anderen Sicht, ist womöglich einen Tick exzentrischer als ihre Altersgenossinnen. So sind die "zwanghaften Verhaltensweisen" nicht etwa das Resultat einer der Protagonistin im Kindesalter auferlegten Schuldzuweisung, sondern spiegeln nur die Experimentierfreude wider, die wohl jedes Kind mehr oder weniger ausgeprägt in sich trägt.

Hast du nie Schritte gezählt oder die Muster in einer dieser unsäglichen 70er-Jahre-Tapeten? ;)

Was wird aus einem experimentierfreudigen Kind in einer exzentrischen Familie? Das - natürlich überspitzt - darzustellen war meine Intention. Sonst wärs ja auch langweilig, oder?

Danke fürs Lesen.

Majissa
 
Bravo, Majissa!

Nun bin ich endlich, von meinem Tchaikovsky Konzert befreit, wieder in die Leselupe gefallen (schlechte Metapher…, unter die Lupe geschlichen…?) und gleich in Deine fantastisch skurrile Satire, die ich ja schon als Büttenrede kenne, und die nun fast explodiert von witzigen und aberwitzigen (virilen und abervirilen) Einfällen. Ich bin erstaunt, nein, fast schockiert über Deine in-, bzw. succubische Feilwut, denn ich habe beide Versionen nebeneinander gelesen.

Ein paar Einzelheiten: "Eine waschmaschinengroße Hebamme mit Pianistenhänden…" Na warte!!! Du wirst der Rache der Pianistenhände nicht entgehen!!!

"Dank Madame Camille kannte ich mich mit BH-Größen bestens aus." Das erinnert mich leider nur an SARS Masken. Die taiwanesischen BH Fabrikanten sind alle auf die Produktion von SARS Masken umgestiegen (wahr!) und machen ein Schweinegeschäft. Apropo Cup Größen und Obstsortiment fällt mir auch noch ein taiwanesischer Witz ein, den ich Dir aber wohl lieber privat mitteile, damit ich nicht aus der Lupe fliege (entlupt werde).

"Aber warum spielt der Flötist auf zwei Instrumenten gleichzeitig?" Es gibt tatsächlich solche Doppel-Flöten (ich meine die Musikinstrumente). Hier klicken


"Modehaus Forrester aus Reich und Schön." Was ist das?

Vielleicht später noch mehr. Zunächst einen wunderschönen Mai. Laß ein paar Maiglöckchen stehen für mich beim Abgrasen des Waldbodens!

Rolf-Peter
 

majissa

Mitglied
Lieber Rolf-Peter,

bin ich froh, dich wieder in (unter?) der Lupe zu lesen! Ich sah dich nämlich schon in Quarantäne. Nein, nicht wegen Tchaikovsky (obwohl man ja nie weiß!), sondern wegen eines versehentlichen Niesens am Flughafen. Aber fein, du bist wohlauf und meine ehemalige Büttenrede hat dir Spaß gemacht. Was will ich mehr? Das Ding war aber auch zäh wie Juchtenleder, sprich, ich hab weniger dran gefeilt denn dran gesägt.

Ja ja, die Pianistenhände. Du darfst mich da nicht falsch verstehen. Pianistenhände sind für mich der Inbegriff von Geschmeidigkeit, Eleganz und Anmut. Eine andere Variante wäre die „pianogroße Hebamme mit Kloschüsselpranken“ gewesen. Das „Pian...“ aber musste unbedingt rein, weil ich dich ja neuerdings (unbewußt!) immer in meinen Geschichten „verbrate“. Auch diesmal fiel mir das erst nach deinem Post auf.
Weil ich jetzt auf die Rache der Pianistenhände gespannt bin, belasse ich sie natürlich in meinem Text. Erwartet uns da vielleicht eine neue Wille-Story?

Die taiwanesischen BH Fabrikanten scheinen mir ja gewitzt zu sein. Ich geh‘ jetzt mal ganz frech davon aus, dass die Damen aus Taiwan sich die SARS Masken ganz nach Belieben entweder auf’s Gesicht oder auf’s Äpfelchen setzen können. Nun ja...

Und da wäre noch das Modehaus Forrester aus Reich und Schön. Reich und Schön oder „Bold and Beautiful“ ist eine dieser unsäglichen – ich glaube sogar weltweit ausgestrahlten - Seifenopern, während deren Genuß sich der IQ unaufhaltsam gegen Null bewegt. Darum dauert eine Folge wohl auch höchstens 20 Minuten.

Um einer eventuellen Entlupung zu entgehen, schlage ich vor, dass du mir deinen Witz mit der nächsten Mail schickst. Das dazugehörende Erdbeben nehmen wir dann gern in Kauf, hm? Man muß halt Prioritäten setzen und ich glaube, der Witz ist da einfach wichtiger.

Herzlichen Dank für den heiteren Kommentar und den virilen Link. Die Maiglöckchen überlasse ich dir gerne, weil ich mich momentan sowieso lieber am Knöterich labe. Auch dir einen wunderschönen Mai...

Liebe Grüße
Majissa
 



 
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