Mensch gegen Maschine

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RobertRescue

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Im Laufe der Zeit lernt man seine Waschmaschine kennen. Man weiß, wie sie sich anhört, wenn sie Wasser zieht, wieder abpumpt und wenn sie schleudert. Als ich meine neue Waschmaschine geliefert bekam und die erste Wäsche startete, blieb ich ein paar Minuten vor der Maschine stehen und beobachtete, was neu war. Sie klang leiser und der Waschgang dauert kürzer als bei meiner alten, was ich an dem Display ablesen konnte. Nach zehn Minuten setzte ich mich rüber in mein Arbeitszimmer und warf gelegentlich einen Seitenblick in die Küche und zur Maschine. Etwa eine Stunde später, die Maschine brauchte nur noch 8 Minuten, eine Zeitspanne, die in den nächsten Wochen meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, wann immer ich Wäsche wusch, begann das, was anders als bei der alten Waschmaschine war. Die neue ging über in einen letzten Schleudergang und der ohrenbetäubende Lärm ließ mich misstrauisch aufhorchen. Ich saß da und überlegte, ob das normal war. Mit einem Mal begann die Maschine zu stampfen, der Lärm wurde noch unerträglicher und dann begann sich die Waschmaschine zu bewegen. Ich schaute ungläubig und für einen Moment reglos rüber in die Küche. Neben der Waschmaschine befand sich der Regalturm, in dem ich allerlei Soßen, Reis, Spaghetti, Tee und andere Dinge aufbewahrte. Dann sah ich, wie vom obersten Brett eine Packung Tee auf die Waschmaschine herunterfiel. In diesem Moment wurde mir klar, was in Kürze geschehen würde. Ich sprang auf, lief in die Küche und hielt die Maschine an den Seiten fest. Die Vibrationen übertrugen sich über den Holzboden auf den Regalturm und die Maschine bewegte sich auf den Turm zu. Aus einem Fach fiel eine der beiden Packungen Reis und es war dummerweise die, die schon geöffnet war. Ihr folgte eine Packung Spaghetti, die beim Auftreffen auseinanderflog. Ich stemmte mich nun von links gegen die Maschine und konnte beobachten, wie der Reis und die Spaghetti auf der Waschmaschine einen wilden Tanz aufführten. Dann kam ein Glas Tomatensoße hinzu und meine Sicht wurde durch einen roten Fleck auf der Brille eingeschränkt. Mein Blick fiel auf das Display. Sieben Minuten sollte die Maschine noch laufen, aber dauerte so lange auch der Schleudergang? Eine Packung Brillenputztücher fiel vom Regal, landete auf der Maschine und verteilte ihren Inhalt. Die Päckchen reihten sich in den bunten Reigen ein und trübten das, in entfernter Weise, schmackhafte Bild vom vibrierenden Reis und dem Spaghetti, angereichert mit der Tomatensoße.
Betrüblich fand ich den Umstand, dass ich den Regalturm einen Tag zuvor aufgeräumt hatte. Ein Kampf Mensch gegen Maschine, ging es mir durch den Kopf, den die Maschine aber verlieren musste, denn sie folgte einem Programm. Ich versuchte, die Maschine nach rechts vom Regal wegzubewegen. Wäre sie im Ruhezustand, wäre mir das bestimmt gelungen, aber so hatte ich keine Chance. Jetzt kam ich mir vor wie ein Rodeoreiter. Es fehlten nur noch wenige Zentimeter und die Maschine würde den Turm erreichen. Dann war alles zu spät. Was war nur mit der Maschine los? Laut Anleitung war sie unterbaufähig. So wie sie sich gebärdete, hätte sie jede Arbeitsplatte zerfetzt. Minute vier war erreicht und ich mutmaßte, dass die Maschine eher noch einen Gang zulegen würde. Sollte ich sie loslassen und stattdessen versuchen, die Küchenutensilien zu retten? Zu spät, den Teller, der schon einen leichten Riss hatte, konnte ich nun wegschmeißen. Die thailändische Currysoße, die ich irgendwann mal probieren wollte, lief an den Seiten der Maschine herunter und verteilte sich auf der Matte, die ich mal im Baumarkt gekauft hatte und die angeblich dazu diente, die Vibrationen von Waschmaschinen zu verringern. Immerhin war auf die Konservendosen Verlass, die musste ich nur wieder einräumen. Ich schrie auf, weil mir eine auf den Fuß fiel. Ich hätte auch nicht gedacht, dass Olivenölflaschen so widerstandsfähig sind. Ich schwitzte und schnaufte wegen der Anstrengung, die Maschine im Zaum zu halten und kam mir reichlich dämlich vor. Einen Moment lang dachte ich, wäre jetzt jemand da, der mich mit einer Kamera filmen würde, dann wäre ich für ein paar Tage auf YouTube ein Star. Ich dachte weiter darüber nach, während sich die Maschine allmählich beruhigte und war dann froh, dass ich alleine war.
 



 
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