Morgenrot

Das ist mal eins meiner "frühen" Werke. Solle aber vielleicht nochmal überarbeitet werden...


Morgenrot

Schwarzer, klebriger Qualm zog in Schlieren über das stille Schlachteld, um sich an jedem toten Baum, jeder Erhebung festzukrallen. Der Gestank des Todes, durchzogen mit Blut und dem Geruch der Verwesung, hing unvertreiblich über der Erde. Durch die gewaltigen Wolkenberge kämpfte sich vereinzelt der ein oder andere Lichtstrahl der aufgehenden Morgensonne. Ihre sonst so wärmende Kraft wirkte fahl und kraftlos. Nichts schien diesen Morgen positiv stimmen zu können.
Einige Aasgeier hatten sich eingefunden, um sich an den toten Körpern der Gefallen gütlich zu tun. Ihr Krächzen hallte erschreckend deutlich über die leblose Ebene. Schwer atmend, den Kopf vor Erschöpfung zum blutigen Boden gesenkt, sich auf das vor ihm in den Boden gerammte, riesige Bihänder-Schwert stützend, kämpfte der Ritter gegen die Resignation. Sein Knie war gebeugt, als ob er sich vor einem unsichtbaren Herrn verneigen wollte. Er klammerte sich haltsuchend an seiner Standarte fest. Das zerfetzte Tuch zeigte einen die Zähne bleckenden Wolf, eingeschlossen in einem vollen, bleichen Mond. Das Zeichen des Widerstandes.
Der Ritter blutete aus unzähligen Wunden. Selbst alte Verletzungen waren bei der vorangegangenen heftigen Schlacht wieder aufgebrochen und bereiteten ihm unerträgliche Schmerzen. Seine ehemals blitzende, kunstvoll gearbeitete Rüstung wirkte stumpf und abgenutzt, übersät mit unzähligen Beulen und Schrammen, überzogen mit getrocknetem Blut und Schmutz. Sein Schwert war durch die vielen Hiebe und Paraden alles andere als scharf geblieben. Grau und schartig stak es vor ihm in der feuchten Erde. Um ihn herum lagen die im letzten Kampf gefallenen Leichen tausender Krieger, wie in einem bizarren Tanz mit dem Gegner verwoben. Tod und Schmerz unterschieden nicht zwischen Freund und Feind.
Die Erinnerung an die schreckliche, nicht enden wollende Schlacht ließ den Ritter erschauern und überzog seinen schmerzenden Rücken mit einer Gänsehaut. Schon unzählige Male hatte er Schlachten wie diese schlagen müssen, obwohl ihm der Sinn nie klar gewesen war. Immer war er der einzige Überlebende auf seiner Seite gewesen. Niemand sonst überlebte dieses grausige Gemetzel. Manchmal schien es ihm, als ob die Mächte des Schicksals ein übles Spiel mit ihm spielen würden, dessen Regeln er nicht kannte oder durchschauen konnte. Kaum war eine Schlacht vorbei, der kurze Moment des unwirklichen Friedens wie eine Sekunde der Ewigkeit in der Luft verharrend, zerplatzte die Illusion in einem berstenden Hagel von scharfkantigen Scherben, während die nächste Welle des Feindes am Horizont erschien. Brüllend wogte der Feind jedesmal über die ehemals grünen Hügel der Ebenen auf ihn zu und wie ein unfassbares Wunder erhoben sich zu seinen Seite unzählige Kameraden, um ihm zur Seite zu stehen, nur um in der bevorstehenden Schlacht wieder erschlagen und vernichtet zu werden.
Zwischen den Schlachten verblieb meist nicht ein mal die Zeit, aus dem kleinen Bach in der Nähe einen Schluck des klaren Wassers zu nehmen, um sich zu erfrischen. In dem sich kräuselnden Wasser spiegelte sich unter seinem Helm jedesmal die Fratze des Todes, anstatt seines eigenen Gesichts, und jedesmal blinzelte es ihm wissend und verhöhnend zu. Nichts konnte scheinbar diesen ewigen Zyklus, den Fluß des Kreises, durchbrechen. Immer suchte er in den kurzen Momenten der Ruhe nach dem letzten Quentchen Kraft, welches irgendwo in seinem Körper verborgen war. Es überraschte ihn immer wieder, dass er es noch schaffte, sich aufzuraffen, erneut aufzustehen, das Schwert zu heben und seine Wut dem Feind entgegen zu brüllen.
Nichts schien schwerer, als sich der Resignation zu ergeben, die Niederlage hinzunehmen und den Tod mit offenen Armen zu empfangen. Diese so erhoffte und verdiente Erlösung war ihm noch nicht vergönnt. Er freute sich förmlich darauf, den letzten Weg Seite an Seite mit Gevatter Tod zu beschreiten, aber jedesmal, wenn er kurz davor war hindurch zu schreiten, schlug das Tor der Gnade krachend vor seinen müden Augen zu.
Bei diesen Gedanken war er fast eingeschlummert, hatte fast dem Schlaf nachgegeben. Der nahe Schrei eines Aasgeiers ließ ihn aufschrecken. Er hob den Kopf und sah den Weggefährten des Todes über sich kreisen. Beinahe hatte er wertvolle Momente vergeudet. Apathisch begann er, seine vielen Wunden notdürftig zu verbinden. Eigentlich war auch das überflüssig, da ihm bald wieder neue Wunden zugefügt und die alten Wunden übedecken würden. Er wußte, dass ihm nicht viel Zeit verblieb, bis die nächste Schlacht über ihn hinwegschwemmen würde. Gerade das war die Ironie bei der ganzen Sache. Egal was er tat, der Tag und damit diese widersinnige Schlacht würde sich immer und immer wieder wiederholen. Er hatte schon nacheinander die Götter der Ordung, des Chaos und des Schicksals angerufen und beschworen, ihn aus diesem Käfig zu befreien, ihm die Ruhe und den Frieden zu gönnen, nach dem er sich so sehnte, jedoch verhallte sein Flehn anscheinend jedesmal ungehört in den Weiten der Ewigkeit. Er sehnte sich nach dem Frieden, von dem er schon so oft geträumt hatte. Was vor der Zeit der Schlachten gewesen war, was er offensichtlich so Schändliches getan hatte, um diese grausame Strafe zu verdienen, war aus seinem Kopf wie verbannt. Immer wenn er nach den schemenhaften Gedankenfetzen griff, legte sich das Vergessen wie ein undurchdringlicher Schleier über seine Augen. Irgend etwas wollte wohl verhindern, dass er sich erinnerte.
War dieser Zustand besser zu ertragen, wenn er sich erinnern würde oder sollte er das Vergessen als eine letzte, ihm gewährte Gnade annehmen?
Manchmal fragte er sich, ob darin die Lösung lag, ein verborgener Ausweg, der sich offenbaren würde, wenn er nur einen klaren Gedanken fassen könnte. Er schaffte es jedoch nie, zielgerichtet danach zu greifen. Die kurzen Momente der Ruhe reichten gerade aus, um neue Kraft zu schöpfen, jedoch selten, um klar zu denken. Immer wenn er nahe an der Lösung war, stieß der Engel der Morgenröte in das Horn der Schlacht und rief die Krieger beider Seiten zum Kampf.
Momente wie Augenblicke verblieben dann, um sich für die eine oder andere Taktik zu entscheiden. Richtig oder falsch stellte sich immer erst zum Schluß heraus. Letztendlich blieb jedoch das Ergebnis immer dasselbe. Er bleib allein zurück, um gegen die Verzweiflung anzukämpfen.
Eines Tages, das wußte er, würde er es schaffen. Er würde den Kreis zerbrechen, dem Käfig entfliehen, seinen Frieden finden.
Aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Damit würde er den Sinn seiner Existenz ad adsurdum führen. Er hatte nie aufgegeben und er würde es nicht. Er war ein Kämpfer und Kämpfer gaben nie auf. Er war froh darüber, auch die nächste Schlacht nicht alleine bestehen zu müssen, jedoch war ihm klar, dass die schrecklichste Schlacht immer in seinem Inneren stattfand. Niemand konnte ihm hier zur Seite stehen, niemand ihm die Wunden verbinden, niemand ihm die Kraft für den nächsten Zusammenstoß geben. Er konnte die Kraft nur aus sich selbst schöpfen.
Aufgeben. Was wäre schwieriger als der Verlockung des Aufgebens nachzugeben.
Die Wut half ihm jedesmal, den Anflug von Resignation hinwegzuschwemmen, welcher ihn zu überwältigen drohte. Er nutze die Wut als Werkzeug für seine Zwecke, genau wie die Demut. Beides waren starke Waffen gegen das Aufgeben, stärker als das Schwert in seiner Hand. Genauso wie der Schmerz in seinem Inneren nicht mit den unzähligen Verletzungen seines Körpers zu vergleichen war. Der wahre Kämpfer zeichnete sich nicht durch das fachmännische Führen eines Schwertes oder dem gekonnten Zufügen von Verletzungen aus. Auch nicht durch das Ertragen körperlicher Wunden. Wer sich der Angst in sich selbst stellt und seine Pein erträgt, weiß, was Kämpfen in Wahrheit bedeutet. Die Narben der Seele wirkten tiefer und schmerzhafter als jeder Schnitt an seinem Körper. Er hatte seine Lektionen gelernt. Dennoch war es noch nicht genug. Es reichte noch nicht aus, die Herren des Schicksals von ihrem seltsamen Spiel abzubringen.
Ein warmer Sonnenstrahl traf sein Gesicht. Es war, als ob man seine Gedanken erhört hatte und ihn gnädig stimmen wollte. Er genoß das Gefühl der Wärme, ein Moment der Geborgenheit. Er nahm alle Kraft zusammen und stand auf. Seine Muskeln schmerzten übel, als er sich streckte. Er zog das Schwert aus der Erde und steckte es zurück in die Scheide auf seinem Rücken. In der Rechten hielt er stolz die Standarte und wandte sein Gesicht in Richtung Horizont. Für eine Sekunde schloß er noch einmal die Augen und atmete tief ein und schmeckte den Geruch der feuchten Erde auf der Zunge.
Und in der Ferne erklang schaurig das Horn und verkündete den Beginn der nächsten Schlacht.
 
das hätt ich glaub ich gerne etwas genauer...
wenn das für dich ok ist
;o)

lohnt nicht weil so schlecht?
oder weil eh zu kurz (inhaltlich?)

ansonsten trotzdem danke schon mal für deinen Kommentar.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
es

liest sich wie der anfang eines werkes ähnlich herr der ringe oder was n historisches monumentalwerk, keineswegs wie ne abgeschlossene geschichte.
lg
 
Hmm...
wollte hier eigentlich kein Epos verfassen, sondern nur die immer wiederkehrende Schlacht beschreiben...

Wie denkst du, sollte denn ein Ende dann besser aussehen, damit man dieses als solches erkennen kann?
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ja,

genau das ende ist es, was mich vermuten ließ, dass es der anfang von etwas großem sei. es liegt so viel kraft und hoffnung darin. lass ihn sterben, sobald er sich erhoben hat.
lg
 



 
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