Für einen, der (nur) einmal zu Besuch war.
Kalt ist es noch einmal geworden zum Frühlingsbeginn. Mein Atem vermischt sich silbern mit der Dämmerung, der Weg strengt mich heute mehr an als gewöhnlich, die Grippe steckt mir noch in den Knochen.
Ich habe deshalb, obwohl es schon dunkel wird, den Weg durch den Park gewählt, mir Eintritt verschafft mit dieser entschlossenen, raschen, klitzekleinen Hin- und Herbewegung, die das große Drehtor doch noch in Bewegung setzt, obwohl es für alle, die diesen Trick nicht kennen, schon seit über einer Stunde verschlossen ist.
Schnell die Allee entlang zum Hauptausgang unterhalb des Schloss Favorite, das Herz klopft mir im Hals; ich liebe dieses gerade noch beherrschbare Grausen, das mich angesichts der geheimnisvollen Laute aus der herabsinkenden Nacht, der schimmernden Augen halbwilder Tiere, der Silhouetten der noch kahlen, mächtigen, alten Bäume anfliegt und sich erst im Licht der breiten Auffahrt wieder legen wird; fast zu schnell kann ich die Laternen sehen und muss im gleichen Augenblick lachen über ein keckerndes Eichhörnchen, das noch viel schneller als ich zum Ausgang stürmt. Hinaus lassen sie einen immer, das Tor aufzudrücken bringt mich allerdings noch mehr ins Schwitzen. Schwer atmend erreiche ich die B27, die sechsspurig die Stadt in zwei Hälften zerschneidet.
Hinter mir liegen sie, die kleinen, hell erleuchteten Häuser am Hang, zwischen ihnen und mir nun der Park, vor mir am Horizont die schlimmste Bausünde der Stadt, himmelhoch ragend und scheußlich, unser allseits gehasstes Marstall-Center. In seine Richtung zieht es mich, nur ein Glas Wein in einer der Kneipen, danach vielleicht noch ein Spätfilm im Programmkino nach all der erzwungenen Ruhe und Fürsorge, dem Nichtstun und Elendsein der letzten Tage. Ich bin früher so oft ins Kino gegangen, inzwischen sagen mir die in den Programmzeitungen besprochenen Filme nichts mehr, meine Rippen schmerzen noch vom Husten, aber es wird schon gehen. Die Scheinwerfer der Autos blenden mich, zumal sie sich im nassen Asphalt spiegeln; ich könnte diesen breiten, ruhelosen Strom von Lichtern mit einem Knopfdruck an der Fußgängerampel zum Stillstand zwingen, aber mir ist nicht danach. Unangenehm ist er mir vielmehr, der Gedanke an Augenpaare im Dunkeln, die mich beobachten, wie ich im Schneeregen vor ihnen die Straße überquere, eilig und bemüht, trotzdem elegant zu wirken - nein, ich nehme lieber die Unterführung.
Eigentlich nehme ich jedes Mal die Unterführung, trotz der unwirklichen Beleuchtung und des allgegenwärtigen Geruchs von Urin und Hundekot. Ich vermeide es wie immer, mich am verrosteten Geländer festzuhalten, obwohl die Stufen glatt zu sein scheinen. Vorsichtig, unsicher mache ich einen Schritt nach dem anderen. Hier unten sind wir zusammen gewesen, aber weiter in Richtung Park gingen wir nicht, vielmehr kehrten wir an dieser Stelle um und nahmen den steilen Weg unterhalb des Einkaufszentrums zurück in die Stadt, ich erinnere mich noch an den vielen Schnee, der in dieser Nacht fiel, an deine langen Beine und deine großen, schnellen Schritte, es war gar nicht so einfach, mit dir mitzuhalten, bis du endlich deinen Arm um mich gelegt hast.
Der einzige, vorsichtige Kuss auf dem Marktplatz, am Brunnen, ja – das war kitschig, aber das störte mich nicht. Im Übrigen habe ich auf diesem Marktplatz vor und nach deinem Besuch andere Männer geküsst, danach allerdings nur noch meinen Mann, der mir damals gerade half, die Umzugskartons zu packen. Vielleicht bist du einfach einige Wochen zu spät vorbei gekommen, vielleicht war unser gemeinsamer Abend und vor allem der trunkene Spaziergang nur ein letztes Aufbäumen angesichts einer längst getroffenen Entscheidung.
Und doch sehe ich dich noch immer hier, dein jungenhaftes Gesicht mit der kleinen Brille, deinen schmalen, erstaunlich weichen Mund; und ich spüre sie noch, die Wärme dieser an sich eiskalten Nacht. In dieser Unterführung ist sie noch, diese Ahnung um das, was wir hätten sein können, und trotz allen Lärms von der großen Straße oben wird es hier unten in mir still.
Kalt ist es noch einmal geworden zum Frühlingsbeginn. Mein Atem vermischt sich silbern mit der Dämmerung, der Weg strengt mich heute mehr an als gewöhnlich, die Grippe steckt mir noch in den Knochen.
Ich habe deshalb, obwohl es schon dunkel wird, den Weg durch den Park gewählt, mir Eintritt verschafft mit dieser entschlossenen, raschen, klitzekleinen Hin- und Herbewegung, die das große Drehtor doch noch in Bewegung setzt, obwohl es für alle, die diesen Trick nicht kennen, schon seit über einer Stunde verschlossen ist.
Schnell die Allee entlang zum Hauptausgang unterhalb des Schloss Favorite, das Herz klopft mir im Hals; ich liebe dieses gerade noch beherrschbare Grausen, das mich angesichts der geheimnisvollen Laute aus der herabsinkenden Nacht, der schimmernden Augen halbwilder Tiere, der Silhouetten der noch kahlen, mächtigen, alten Bäume anfliegt und sich erst im Licht der breiten Auffahrt wieder legen wird; fast zu schnell kann ich die Laternen sehen und muss im gleichen Augenblick lachen über ein keckerndes Eichhörnchen, das noch viel schneller als ich zum Ausgang stürmt. Hinaus lassen sie einen immer, das Tor aufzudrücken bringt mich allerdings noch mehr ins Schwitzen. Schwer atmend erreiche ich die B27, die sechsspurig die Stadt in zwei Hälften zerschneidet.
Hinter mir liegen sie, die kleinen, hell erleuchteten Häuser am Hang, zwischen ihnen und mir nun der Park, vor mir am Horizont die schlimmste Bausünde der Stadt, himmelhoch ragend und scheußlich, unser allseits gehasstes Marstall-Center. In seine Richtung zieht es mich, nur ein Glas Wein in einer der Kneipen, danach vielleicht noch ein Spätfilm im Programmkino nach all der erzwungenen Ruhe und Fürsorge, dem Nichtstun und Elendsein der letzten Tage. Ich bin früher so oft ins Kino gegangen, inzwischen sagen mir die in den Programmzeitungen besprochenen Filme nichts mehr, meine Rippen schmerzen noch vom Husten, aber es wird schon gehen. Die Scheinwerfer der Autos blenden mich, zumal sie sich im nassen Asphalt spiegeln; ich könnte diesen breiten, ruhelosen Strom von Lichtern mit einem Knopfdruck an der Fußgängerampel zum Stillstand zwingen, aber mir ist nicht danach. Unangenehm ist er mir vielmehr, der Gedanke an Augenpaare im Dunkeln, die mich beobachten, wie ich im Schneeregen vor ihnen die Straße überquere, eilig und bemüht, trotzdem elegant zu wirken - nein, ich nehme lieber die Unterführung.
Eigentlich nehme ich jedes Mal die Unterführung, trotz der unwirklichen Beleuchtung und des allgegenwärtigen Geruchs von Urin und Hundekot. Ich vermeide es wie immer, mich am verrosteten Geländer festzuhalten, obwohl die Stufen glatt zu sein scheinen. Vorsichtig, unsicher mache ich einen Schritt nach dem anderen. Hier unten sind wir zusammen gewesen, aber weiter in Richtung Park gingen wir nicht, vielmehr kehrten wir an dieser Stelle um und nahmen den steilen Weg unterhalb des Einkaufszentrums zurück in die Stadt, ich erinnere mich noch an den vielen Schnee, der in dieser Nacht fiel, an deine langen Beine und deine großen, schnellen Schritte, es war gar nicht so einfach, mit dir mitzuhalten, bis du endlich deinen Arm um mich gelegt hast.
Der einzige, vorsichtige Kuss auf dem Marktplatz, am Brunnen, ja – das war kitschig, aber das störte mich nicht. Im Übrigen habe ich auf diesem Marktplatz vor und nach deinem Besuch andere Männer geküsst, danach allerdings nur noch meinen Mann, der mir damals gerade half, die Umzugskartons zu packen. Vielleicht bist du einfach einige Wochen zu spät vorbei gekommen, vielleicht war unser gemeinsamer Abend und vor allem der trunkene Spaziergang nur ein letztes Aufbäumen angesichts einer längst getroffenen Entscheidung.
Und doch sehe ich dich noch immer hier, dein jungenhaftes Gesicht mit der kleinen Brille, deinen schmalen, erstaunlich weichen Mund; und ich spüre sie noch, die Wärme dieser an sich eiskalten Nacht. In dieser Unterführung ist sie noch, diese Ahnung um das, was wir hätten sein können, und trotz allen Lärms von der großen Straße oben wird es hier unten in mir still.