Nur ein Wort

4,00 Stern(e) 10 Bewertungen

Vera-Lena

Mitglied
Nur ein Wort

Der rote Wein umarmt dein Haus,
weiß sich vor Wachstum nicht zu lassen,
muss dein Gemäuer wild umfassen.
Wann wirfst du einen Blick hinaus?

Fast tänzerisch auf Zehenspitzen
steh ich vor deinem Gartentor.
Dein Riegel liegt betont davor.
Licht schimmert durch die Fensterritzen.

Ich weiß, das Buch in deinen Händen
bleibt ungelesen, leblos, stumm.
Du willst dich selbst als Buch vollenden,

willst, was geschehen neu befragen
und schreibst die Seiten ständig um.
Als Wort will ich mich zu dir tragen.
 
S

Sandra

Gast
ich hätte immer weiterlesen können ...

Liebe Vera-Lena,

mit der sehr schönen Beschreibung des Hauses und dem wildwachsendem Wein nahmst du mich direkt für dein Gedicht ein. In der Prot., die auf Zehenspitzen vor dem verschlossenen Tor steht, erahnte ich zuerst ein Kind, das verschämt hinter dem Tor steht und sich nicht hineintraut. (Die Rubrik in der dein Gedicht steht, hätte mich natürlich stutzig machen können)
Als ich dann merkte, dass die Fährte, die ich verfolgt hatte nicht stimmte las ich dein Gedicht wieder und wieder. Zum Schluss hattest du mich vollends mit deinen Zeilen eingenommen. Ganz klar ist das Bild des Menschen, die Stimmung, die die letzten sechs Zeilen tragen und in einer gewissen Art zieht sich von dem wild verwachsenen Gebäude zu dem Prot. eine Parallele. Es zeigt mir wieder mal, wie genau man lesen und dass man einen Text wirklich nicht nur kurz überfliegen sollte.

Ich möchte den Text nicht laut interpretieren. Er ist mir wirklich sehr nah gegangen und das möchte ich ganz egoistisch, wie ich manchmal sein kann, für mich behalten. ;)

Einen lieben Gruß
Sandra
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Sandra,

danke, dass Du mir Dein Leseerlebnis so eingehend mitteilst. Bei den Zehenspitzen hatte ich mir schon gedacht, dass man an ein Kind denken könnte. Trotzdem gab es da nichts zu ändern, denn es ist nun einmal wie es ist.

Es läßt sich mehrfach interpretieren, und ich denke auch, dass es zu der Sorte von Texten gehört, die man kaputt reden könnte. Es ist mein allererstes Sonett, weil ich immer gedacht hatte, dass ich diese Form nicht erfüllen kann. Aber dann kam es ganz von selbst zu mir.

Ich freue mich sehr, dass dieser Text ganz zu Dir hingelangen konnte.:)

Eine gute Nacht wünsche ich Dir und grüße Dich herzlich.
Vera-Lena
 
B

bonanza

Gast
warum? warum, vera, gehst du nicht einen anderen weg?
du hast die sprachliche kompetenz dazu, vergeudest sie in
reimschemen, welche letzlich der aussage nicht gerecht
werden.
es ist ein mühsal. bitte, glaube mir.

in diesem gedicht vergeudest du dein können.

ralph
 

rosste

Mitglied
Hallo Vera-Lena,
Dein erstes Sonett lässt wirklich mehrere Interpretationen zu. Da ist zuerst der, den Du verehrst, den Du heimlich liebst. Und um etwas von seiner Aura mitzubekommen, stellst Du Dich sogar auf die Zehenspitzen, um aus der Ferne wehnigstens einen Lichtstrahl von ihm abzubekommen.
Und dann bist Du es selbst, die sich beobachtet, bewundert, "sich neu befragt". Und so schreibst Du an Dich selbst ein Gedicht("Als Wort will ich mich zu dir tragen.")
Liebe Grüsse, Stephan
 
I

inken

Gast
Liebe Vera-Lena

Dies ist eins der wenigen Gedichte von dir, das mich
unbefriedigt lässt. Obwohl es stimmig beginnt,
lässt mich doch die letzte Zeile nicht so ganz mit
dir schwingen, ich habe hin und her überlegt und ich
kann es wahrscheinlich auch nur gefühlsmäßig ausdrücken,
sprachlich klingt es natürlich gut, "ich will als Wort
mich zu dir tragen", nur inhaltlich kommt es mir so
"klein" daher, als ob das lyrische Ich auch noch unter
dem Linoleum langlaufen würde, um beim großen Dichter
zu sein, der ja für mich etwas von einer
"Spitzweg-Figur" in seinem trauten Heim, vom Wein um-
rankt, den er nicht wahrnimmt. Bitte sei nicht böse,
es ist wahrscheinlich etwas drastisch formuliert, aber
es ist mein Empfinden.

Liebe Grüße inken
hat
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo bonanza,

das ist ja nun sehr schmeichelhaft, dass Du mein Können höher einschätzt, als es in diesem Text zum Ausdruck kommt. Daran glaube ich nun wirklich nicht!!!!
Außerdem habe ich mir nicht gedacht, ich schreibe heute einmal ein Sonett,sondern, wie ich es Sandra gegenüber schon erwähnte, ist dieser Text wie auch alle früheren ungesucht zu mir gekommen, und erst während des Schreibens habe ich gesehen, dass sich der Inhalt in ein Sonett drängt. Umgekehrt funktioniert es nämlich bei mir nicht!!!!

Danke für Deine Antwort!
Einen schönen Tag wünsche ich Dir heute.:)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo rosste,

ich freue mich sehr über Deine Interpretation. So kann man es sicher auch lesen.
Ich hatte aber gar keine so heimlche Liebe andeuten wollen, denn wenn "er" bewusst den Riegel vorgeschoben hat, war das vielleicht mehr eine unheimliche Liebe, so dass er jetzt einmal seine Ruhe brauchte, um über alles nachzudenken.

Das Lyrische "Ich" (abgekürzt Lyri) versucht, das zu verstehen und zu akzeptieren, es begreift, dass da jemand mit sich selbst beschäftigt sein muss, um Erlebtes aufzuarbeiten und Erkenntnisse daraus zu ziehen, um sich wieder weiter zu entwickeln. Das meine ich mit "als Buch willst Du Dich selbst vollenden". Und das Lyri spricht dann den Wunsch aus, der es überhaupt bis vor das Gartentor geführt hat, nämlich, dass es innerhalb dieses Buches einen Platz haben möchte. "als Wort will ich mich zu dir tragen", also dass es in das Leben des "du" ganz selbstverständlich mit hineingehören möchte.

Das ist die Situation, ein einziger Augenblick aus dem Leben dieser Beiden. Was vorher war, erfährt man nicht, und wie es weitergehen wird erfährt man auch nicht.

Ich hoffe das ich mich verständlich machen konnte.

Auch Dir einen guten Tag vor hoffentlich unverschlossenen Toren.:)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 
B

bonanza

Gast
vera, wenn ich noch mal auf die welt kommen sollte, schreibe
ich auch sonette, die zu mir kommen.

bon.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe inken,

ich glaube, das Missverstehen kommt durch "den großen Dichter" den ich ja nicht meine.
"Du willst dich selbst als Buch vollenden" meint einen ganz normalen Menschen, der darum ringt, mit sich selbst in eine Klarheit zu gelangen, sein Erlebtes aufzuarbeiten und zu integrieren. Wenn er da in seiner Innenwelt arbeitet, kann er tatsächlich so lange dieser ernsthafte Prozess andauert, nichts von Außen mehr aufnehmen.

Das Lyri, hätte aber gerne ein erneutes Begegnen mit ihm. Es ist vielleicht schneller als er damir fertig geworden die "Geschichte",die es mit dem "du" zu laufen hat durchzuarbeiten.

Und wie ich es schon eben rosste geschrieben habe, meint "als Wort will ich mich zu dir tragen", dass das Lyri sich einen Platz im Lebensbuch des "du" wünscht. Das will es als ein Minimum. Was dann noch daraus erwächst, wieviele Worte es einmal sein werden, das lässt das Lyri offen.

Liebe inken, ich hoffe, dass es jetzt verständlicher für Dich wird. Vielleicht beschwört schon der Titel eine Unterwürfigkeit herauf, aber so meine ich es nicht. Ich meine eher das ein Weniges für das Lyri ein Vieles bedeutet.
Und das hat ja mit Unterwürfigkeit überhaupt nichts zu tun, sondern da geht es eher um eine reale Einschätzung der Dinge, um ein Wissen darum, dass alles Große und Bedeutende als ein Kleines seinen Anfang nimmt.

Ich hoffe, Du hast heute einen schönen Tag, und es regnet nicht unbedingt Bindfäden in Berlin.
Alles Liebe:)
Vera-Lena
 
I

inken

Gast
Liebe Vera-Lena

Danke, für deine Interpretation, ich habe es schon
an den anderen Kommentaren gesehen, dass ich wahr-
scheinlich falsch gelegen habe mit meinem Empfinden,
das heißt, nicht unbedingt falsch, denn was ich
empfinde, hat ja mich auch seine Berechtigung, wahr-
scheinlich hat es in anderen Lesern einfach anderes
geweckt, vor allem das, was du mir dann erklärt hast.
Ich verstehe deine Intention im Nachhinein sehr gut,
eigentlich gefällt mir ja auch die letzte Zeile, sie
klingt irgendwie, nur will mir immer noch scheinen,
daß das "Lyri" sich selbst nicht richtig rüberbringt,
bitte verzeih, liebe Vera-Lena, aber ich kann es nicht
anders sagen. Ich sehe da dieses Bild vor mir auf Zehen-
spitzen vor dem Haus...lach...und das andere, was du
mir erklärt hast, sehe ich nicht.
Aber das macht ja wohl nichts, oder? Man kann eben
nicht immer so schreiben, dass es für jeden passt und
die meisten haben es ja so annehmen können, wie du es
gemeint hast.

Hier in Berlin nieselt es unangenehm vor sich hin und
ich trauere dem Tessin nach, da kann man jetzt noch
baden gehen und in Sommersandalen laufen und es wird
auch viel später dunkel.

Einen schönen Abend dir und liebe Grüße - inken
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe inken,

ich verstehe schon, was Du meinst. Auch Sandra dachte bei den Zehenspitzen zuerst an ein Kind.. Über das Lyri werden nur zwei Aussagen gemacht, eimal dass es sehnsuchtsvoll über dieses hohe Gartentor zu schauen versucht, um vielleicht doch einen Blick auf das "Du" werfen zu können und als zweites, dass es sich zu dem "Du" hinbegeben möchte, sich in sein Buch, sein Leben integrieren möchte.

Nur zwei Dinge, und diese beiden Sachen werfen einen sehr großen Spannungsbogen aus. Da geht es von der puren Sehnsucht bis zu einer Verschmelzung der Beiden.

Vielleicht kommt Dir das so seltsam vor, dass das Lyri doch mit scheinbar ganz leeren Händen etwas Großes erwartet.

Naja, ich weiß es auch nicht. Jeder liest Dinge wieder ganz anders und zu anderen Zeiten auch wieder ganz anders.

Ich danke Dir, dass Du mir noch einmal geantwortet hast. Wir Beide müssen ja nicht auf einen Nenner kommen mit unseren Vorstellungen über einen Text. Beim nächsten Mal ist es dann vielleicht wieder ganz einfach.

Einen schönen Sonntag wünsche ich Dir trotz des Nieselregens.:)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 
I

inken

Gast
ja, liebe Vera-Lena, so sehe ich auch, wir verstehen
gut genug, um auch einen Widerspruch zu ertragen,
nicht wahr? Ich lese es ja jetzt auch anders, dein
Gedicht, aber egal, ich verstehe dich auch so :)

schönen Sonntag wünsche ich dir auch
und liebe Grüße trotz Nieselregen - inken
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Vera-Lena,

was mir an Deinem Gedicht fehlt, ist eine Öffnung zum Leser hin.
Das Sonett ist solide. Mit nur einem Wort in die Aufmerksamkeit des ignoranten Nichtlesers einzudringen, ist der Wunsch, aber noch lange nicht zwingt er mich, daran teilzuhaben.
Letztendlich gelange ich assoziativ zu jenem Traum, den die Guten in Steven Kings "The Stand" haben.
Nur wer der alten Frau auf der Veranda ansichtig wird, zählt dazu.

cu
lap
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber lapsi,

danke für Deine Antwort! Da ich "The Stand" nicht kenne, weiß ich nicht genau, was Du meinst.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
An Alle,

Ihr lieben Leser, nun habe ich auf Anraten von gareth eine kleine Änderung vorgenommen.

Ertse Zeile, zweite Strophe hieß vormsls:
"Auf hochgestellten Zehenspitzen"

Jetzt steht da:
"Fast tänzerisch auf Zehenspitzen"

Liebe Grüße von Vera-Lena
 



 
Oben Unten