Es kam als ziehender Schmerz im Unterleib: hartnäckig, unablässig, dumpf. Das Mädchen wurde noch nicht aufgeklärt und wußte von ihrer strengen Mutter nur, dass sich „da unten“ Unanständiges befindet, ein Makel und Ekel des menschlichen Körpers. Als gerade Dieses plötzlich so laut wurde, konnte Anna darüber mit niemandem reden. Sie biss die Zähne zusammen, zog die Knie an und lag so stundenlang im Dunklen. Sie bildete sich ein, dass sie „da unten“ Krebs habe und bald sterben müsse. Unsägliche Angst hatte sie, aber reden konnte sie mit niemandem darüber. Die Zeit verging, der Tod kam nicht, aber auch keine Erleichterung. Langsam verstand sie, dass dieser Schmerz eine Art Verlangen, ein Hunger war, den man zwar nicht stillen konnte, aber ihm nachgeben, - tun, was er verlangte.
Indes war Anna dem behüteten Alter und dem elterlichen Haus entwachsen und es fanden sich überaus schnell Männer, die Aufklärung und Hilfe boten. Seltsam kam ihr nur vor, dass sie es „Lust“ nannten, was sie als Leid und Ekel empfand. Doch es spielte keine Rolle. Die Männer redeten - sie hörte kaum zu - und machten dann genau das, was Anna für ihren Hunger brauchte, irgendwie schienen sie es zu wissen.
Sie war jung und hübsch, also fanden sich viele Helfer, bald wurde sie durch Swinger Clubs und Gang Bang Partys gereicht und machte sich den Ruf einer Unersättlichen. Unersättlich war sie auch, denn zur Gänze verging der Hunger nie. Sie hat sich mit dem Schicksal abgefunden, ließ die Männerherden über sich her und wartete darauf, sich irgendwann endlich totzufressen, ohne einmal satt geworden zu sein.
Eine zufällige Entdeckung machte Anna Hoffnung: auf einer Party, die etwas außer Fugen geriet, wurde sie ganz wund und empfand heftigen Schmerz. Und siehe, dieser Schmerz verdrängte den Hunger, er deckte ihn ab und verschaffte ihr einige Stunden Erleichterung, wie sie unsere Anna so intensiv und wohltuend noch nicht kannte. Nun jagte sie dem Schmerz nach. Schwer war es nicht, denn zwischen der Szene, in der sie bereits heimisch war, und BDSMlern bestanden mehrfache Querverbindungen. Ein leise geäußerter Wunsch und prompt wurde sie an ebenso hilfsbereite dominante Herren weitergegeben. Deren Schaden sollte es nicht sein, denn auch als Masochistin machte sie ihrem Ruf alle Ehre.
Angstlos und skrupellos wie eine Ratte auf Futtersuche ging Anna durch Reihen. Mancher Sadist durfte an ihrer Unersättlichkeit satt werden. – Sie selber niemals. – Gierig fing sie den Schmerz auf: er ging durch die Haut, umzingelte den Hunger, drängte ihn in die Körpermitte, immer enger und enger bis nur noch ein leise glimmender Rest unter der Asche war. Da fasste sie Hoffnung, spürte es, wie nahe – wie nahe die Erlösung ist, nur noch ein Schritt – ein Schlag – ein Quantum Schmerz und der Hunger wird gelöscht! Doch es geschah nie. Niemals! Stattdessen kamen im besten Fall eine kurze Bewusstlosigkeit, sonst einfach Erbrechen und Krämpfe, welche nun auch die härtesten Jungs zum Aufhören zwangen. Und so war der ganze Kampf, die ganze ausgestandene Qual beinahe umsonst. Nach wenigen Stunden erholte sich ihr Hunger: er erholte sich immer als erster, als ihr Körper noch erschöpft und zu Boden gestreckt dalag, und brannte mit neuer Kraft und trieb sie wieder auf die Suche.
Anna siebte die Szene durch wie einer, der Gold am Fluß wäscht. Sie wurde wählerisch: viele sanftmütige lüsterne „Herren“, die wie Schmeißfliegen über ihre Inserate fielen und sich in dominanten Zuschriften ereiferten, ignorierte sie einfach. Wo sie aber einen echten Sadisten vermutete, gab sie sich unterwürfig und zudringlich zugleich: sie schmeichelte, bettelte, pries ihren bedingungslosen Schmerzwillen an und verzichtete leicht auf ein Stopwort. Was sollte sie mit einem Stopwort auch anfangen, die sie niemals genug bekam?
Freundschaften wollten ihr nicht gelingen. Anna litt unter Einsamkeit und sehnte sich durchaus nach einer Art persönlicher Beziehung, doch sobald ein Mensch in ihrer greifbaren Nähe war, sah sie ihn nur noch als Funktion seines Nutzens, - als brauchbarer Sadist und eine taugliche Schmerzquelle. In ihrem täglichen Kampf um die Portion Schmerz und Betäubung konnte sie sich keine Sentimentalitäten leisten.
Auch zu sich selbst erlernte sie ein distanziertes und nüchternes Verhältnis. „Bloß kein Selbstmitleid! Bloß keine Müdigkeit vortäuschen!“ Munterte sie sich auf, „bloß keine Angst, kein Ekel und keine Scham.“ Irgendwann begann Anna in dritter Person von sich zu reden. Es fühlte sich gut an. „Diese Schmerzhure“, schrieb sie in ihrem neuen Inserat, „ist für die Folter freigegeben.“ Aus ihren Dates entstanden Fotos von abscheulicher Grausamkeit und Obszönität. Mit einer Art Genugtuung und Schadenfreude über sich selbst betrachtete sie diese Bilder und stellte sie gerne auf Foren und Porno-Seiten frei.
Nun machte Anna wieder ein Rendezvous aus, - wie üblich mit einem Unbekannten aus dem einschlägigen Chat, mit dem üblichen klargestellten Ziel: Folter. Es fing gut an. Der Fremde sprach wenig, belästigte sie weder mit seiner Einfühlsamkeit noch mit dem zaghaften Vorspiel. Vom ersten Schlag an schloss der Schmerz einen festen engen Kreis in Annas Körper. Oh, der Mann war echt gut und er meinte es ernst! Reichlich erfahren, ging Anna die Sache an wie sie es gewohnt war: sich auf den Schmerz und seinen Rhythmus einzulassen, sich zu öffnen, sich zu ergeben. Doch die Qual, die dieser Fremde ihr gab, war anders als alles, was sie vorhin erlebte. Wie eine heillose Querlage war sie, aus der die Kreisende und ihr Ungeborenes keinen Ausweg haben.
Da schöpfte Anna wieder Hoffnung: vielleicht kann dieser andere, trostlose, zermürbende Schmerz das Wunder vollbringen, auf das sie wartet! Der Hunger verschanzte sich tief in ihrem Unterleib. Noch glimmt er, noch ist er da. Doch jetzt… Sie empfand eine Leichtigkeit, die über alle Schmerzen hinweg reichte, - eine Ruhe, einen Frieden… Der verfluchte Hunger war weg! Erloschen, spurlos verschwunden war er. Geheilt, erfüllt von fassungslosem Glück erhob sie sich über das körperliche Leid. Sie empfand Dank und Zärtlichkeit zu ihrem Erlöser und wollte ihn umarmen. Jetzt war sie frei für Menschliches, für eine Nähe, vielleicht gar für eine Liebe! Sie sah sich um: der Mann war nicht mehr da, er schien sich davongemacht zu haben.
„Ach, was tut es schon“, dachte sie, „ich bin geheilt und voller Kraft. Ich werde noch die ganze Welt umarmen.“ Dann bemerkte sie aber ihren Körper, der nicht mehr sie selbst war, sondern abgetrennt wie eine leere Hülle lag. Ein Arm stand im unnatürlichen Winkel aus dem Ellbogen gedreht und das aufgedunsene bläuliche Gesicht war voll mit Blut. Der Fremde hat ein paar Äste darüber geworfen, doch für einen Versteck reichte es lange nicht. „Es wird also nichts aus der Umarmung“, dachte Anna traurig, „aber vielleicht war für mich die Heilung nicht anders möglich. Ich darf nicht undankbar sein. Man kann halt nicht alles haben.“
Indes war Anna dem behüteten Alter und dem elterlichen Haus entwachsen und es fanden sich überaus schnell Männer, die Aufklärung und Hilfe boten. Seltsam kam ihr nur vor, dass sie es „Lust“ nannten, was sie als Leid und Ekel empfand. Doch es spielte keine Rolle. Die Männer redeten - sie hörte kaum zu - und machten dann genau das, was Anna für ihren Hunger brauchte, irgendwie schienen sie es zu wissen.
Sie war jung und hübsch, also fanden sich viele Helfer, bald wurde sie durch Swinger Clubs und Gang Bang Partys gereicht und machte sich den Ruf einer Unersättlichen. Unersättlich war sie auch, denn zur Gänze verging der Hunger nie. Sie hat sich mit dem Schicksal abgefunden, ließ die Männerherden über sich her und wartete darauf, sich irgendwann endlich totzufressen, ohne einmal satt geworden zu sein.
Eine zufällige Entdeckung machte Anna Hoffnung: auf einer Party, die etwas außer Fugen geriet, wurde sie ganz wund und empfand heftigen Schmerz. Und siehe, dieser Schmerz verdrängte den Hunger, er deckte ihn ab und verschaffte ihr einige Stunden Erleichterung, wie sie unsere Anna so intensiv und wohltuend noch nicht kannte. Nun jagte sie dem Schmerz nach. Schwer war es nicht, denn zwischen der Szene, in der sie bereits heimisch war, und BDSMlern bestanden mehrfache Querverbindungen. Ein leise geäußerter Wunsch und prompt wurde sie an ebenso hilfsbereite dominante Herren weitergegeben. Deren Schaden sollte es nicht sein, denn auch als Masochistin machte sie ihrem Ruf alle Ehre.
Angstlos und skrupellos wie eine Ratte auf Futtersuche ging Anna durch Reihen. Mancher Sadist durfte an ihrer Unersättlichkeit satt werden. – Sie selber niemals. – Gierig fing sie den Schmerz auf: er ging durch die Haut, umzingelte den Hunger, drängte ihn in die Körpermitte, immer enger und enger bis nur noch ein leise glimmender Rest unter der Asche war. Da fasste sie Hoffnung, spürte es, wie nahe – wie nahe die Erlösung ist, nur noch ein Schritt – ein Schlag – ein Quantum Schmerz und der Hunger wird gelöscht! Doch es geschah nie. Niemals! Stattdessen kamen im besten Fall eine kurze Bewusstlosigkeit, sonst einfach Erbrechen und Krämpfe, welche nun auch die härtesten Jungs zum Aufhören zwangen. Und so war der ganze Kampf, die ganze ausgestandene Qual beinahe umsonst. Nach wenigen Stunden erholte sich ihr Hunger: er erholte sich immer als erster, als ihr Körper noch erschöpft und zu Boden gestreckt dalag, und brannte mit neuer Kraft und trieb sie wieder auf die Suche.
Anna siebte die Szene durch wie einer, der Gold am Fluß wäscht. Sie wurde wählerisch: viele sanftmütige lüsterne „Herren“, die wie Schmeißfliegen über ihre Inserate fielen und sich in dominanten Zuschriften ereiferten, ignorierte sie einfach. Wo sie aber einen echten Sadisten vermutete, gab sie sich unterwürfig und zudringlich zugleich: sie schmeichelte, bettelte, pries ihren bedingungslosen Schmerzwillen an und verzichtete leicht auf ein Stopwort. Was sollte sie mit einem Stopwort auch anfangen, die sie niemals genug bekam?
Freundschaften wollten ihr nicht gelingen. Anna litt unter Einsamkeit und sehnte sich durchaus nach einer Art persönlicher Beziehung, doch sobald ein Mensch in ihrer greifbaren Nähe war, sah sie ihn nur noch als Funktion seines Nutzens, - als brauchbarer Sadist und eine taugliche Schmerzquelle. In ihrem täglichen Kampf um die Portion Schmerz und Betäubung konnte sie sich keine Sentimentalitäten leisten.
Auch zu sich selbst erlernte sie ein distanziertes und nüchternes Verhältnis. „Bloß kein Selbstmitleid! Bloß keine Müdigkeit vortäuschen!“ Munterte sie sich auf, „bloß keine Angst, kein Ekel und keine Scham.“ Irgendwann begann Anna in dritter Person von sich zu reden. Es fühlte sich gut an. „Diese Schmerzhure“, schrieb sie in ihrem neuen Inserat, „ist für die Folter freigegeben.“ Aus ihren Dates entstanden Fotos von abscheulicher Grausamkeit und Obszönität. Mit einer Art Genugtuung und Schadenfreude über sich selbst betrachtete sie diese Bilder und stellte sie gerne auf Foren und Porno-Seiten frei.
Nun machte Anna wieder ein Rendezvous aus, - wie üblich mit einem Unbekannten aus dem einschlägigen Chat, mit dem üblichen klargestellten Ziel: Folter. Es fing gut an. Der Fremde sprach wenig, belästigte sie weder mit seiner Einfühlsamkeit noch mit dem zaghaften Vorspiel. Vom ersten Schlag an schloss der Schmerz einen festen engen Kreis in Annas Körper. Oh, der Mann war echt gut und er meinte es ernst! Reichlich erfahren, ging Anna die Sache an wie sie es gewohnt war: sich auf den Schmerz und seinen Rhythmus einzulassen, sich zu öffnen, sich zu ergeben. Doch die Qual, die dieser Fremde ihr gab, war anders als alles, was sie vorhin erlebte. Wie eine heillose Querlage war sie, aus der die Kreisende und ihr Ungeborenes keinen Ausweg haben.
Da schöpfte Anna wieder Hoffnung: vielleicht kann dieser andere, trostlose, zermürbende Schmerz das Wunder vollbringen, auf das sie wartet! Der Hunger verschanzte sich tief in ihrem Unterleib. Noch glimmt er, noch ist er da. Doch jetzt… Sie empfand eine Leichtigkeit, die über alle Schmerzen hinweg reichte, - eine Ruhe, einen Frieden… Der verfluchte Hunger war weg! Erloschen, spurlos verschwunden war er. Geheilt, erfüllt von fassungslosem Glück erhob sie sich über das körperliche Leid. Sie empfand Dank und Zärtlichkeit zu ihrem Erlöser und wollte ihn umarmen. Jetzt war sie frei für Menschliches, für eine Nähe, vielleicht gar für eine Liebe! Sie sah sich um: der Mann war nicht mehr da, er schien sich davongemacht zu haben.
„Ach, was tut es schon“, dachte sie, „ich bin geheilt und voller Kraft. Ich werde noch die ganze Welt umarmen.“ Dann bemerkte sie aber ihren Körper, der nicht mehr sie selbst war, sondern abgetrennt wie eine leere Hülle lag. Ein Arm stand im unnatürlichen Winkel aus dem Ellbogen gedreht und das aufgedunsene bläuliche Gesicht war voll mit Blut. Der Fremde hat ein paar Äste darüber geworfen, doch für einen Versteck reichte es lange nicht. „Es wird also nichts aus der Umarmung“, dachte Anna traurig, „aber vielleicht war für mich die Heilung nicht anders möglich. Ich darf nicht undankbar sein. Man kann halt nicht alles haben.“