Pfadfinder

Ein kleiner Bub aus Wien kommt herum in der Welt und beschreibt, was ihm dabei so auffällt. Gemeinsam mit seiner kleinen Freundin Natasha, die aus Russland stammt und scheinbar alles weiss, versucht er die Situationen und Widersprüchlichkeiten zu verstehen. Dabei bleibt zuerst Mal der Ernst auf der Strecke...

Die Natasha hat uns wieder mal was Schönes eingebrockt. Ohne Ihr wäre ich heute zuhause geblieben und hätte meinen neuesten Trick mit den brennenden Fackeln ausprobieren können. Aber so...

Begonnen hat alles damit, daß meine Freundin, die Natasha, aus Rußland ist und sie dort einmal bei den Pionieren war. Sie ist ihrer Mama damit so lange auf den Wecker gefallen, bis die ganz entnervt zugestimmt hat und Natasha hier in Amerika zu den Pfadfindern gehen durfte. Und weil ihr dort sonst langweilig wird, hat sie mich so lange vollgequasselt, bis auch ich mit ihr hingegangen bin.

Meine Mama und mein Papa waren davon ganz begeistert. Man kann bei den Pfadfindern so viele interessante Sachen lernen, wie Zelte bauen, Spurenlesen und Singen. Und überhaupt fahren die mit uns weit weit von zuhause weg zum Zelten. Da haben Mama und Papa besonders gestrahlt. Manchmal sind sie wirklich kindisch, sonst hätten sie bemerkt, daß sie da nicht mitdürfen, sondern nur ich.

Papa hat mir noch ins Ohr geflüstert, daß man da auch so tolle Dinge lernt, wie beispielsweise den Mädchen einen Frosch ins Zelt zu setzen oder sie beim Rudern ins Wasser zu schubsen. Wie aber Mama urplötzlich den Kampfschrei der Pfadfinderinnen ausgestoßen hat, ist Papa sofort kerzengerade gestanden und hat salutiert.

Jedenfalls hat sich herausgestellt, daß das alles entstunken und belogen ist. Ich weiß nicht, wo Papa und Mama bei den Pfadfindern waren, aber heute lernt man bei denen geheime Codes am Computer knacken, sucht mit Sternenteleskopen nach gefährlichen Außerirdischen und schleppt Kisten voll mit Pfadfinderkeksen und Popcorn herum.

Diese müssen verkauft werden - also die Popcorn und Kekse, nicht die Außerirdischen – damit wir die teuren Computer und Sternenlaserkanonen bezahlen können. Zuerst haben Mama und Papa dumm dreingeschaut, als ich ihnen gesagt habe, daß wir am nächsten Samstag vor dem Supermarkt herumstehen müssen und die Kekse verkaufen, aber dann haben sie wieder gestrahlt und gesagt, daß sie uns Pfadfinder beim Backen der Kekse helfen werden. Natasha hat ihnen aber gleich gesagt, daß die Kekse in einem Dorf namens Ohio gemacht werden und die Pfadfinder sie von dort kaufen.

Mama und Papa haben ganz enttäuscht geschaut und gesagt, daß da ja der ganze Spaß verloren geht. Sie haben immer mit den anderen Pfadfindern in der Küche Unsinn gemacht und die lustigsten Kekse gebacken. Natasha hat ihnen dann aber vorgerechnet, wieviel mit dem Keks- und Popcornverkauf eingenommen werden muß, um die Clusterservercomputer und die Raketenabwehrteleskope zu finanzieren, und daß für solchen Unfug keine Zeit bleibt. Mama und Papa waren daraufhin ganz stumm.

Misses Brown, die Mama von Neil, einem unserer Pfadfinder, hat uns dann am Samstag begleitet. Es gab einen Stand der Pfadfinderinnen und einen Stand der Pfadfinder. Unser Stand war aber viel hübscher, als der von den Mädchen. Es hatte sich ausgezahlt, daß Neil und ich vorher noch ein paar tote Käfer und Mäuse als Anschauungsmaterial gesammelt haben.

Hin und wieder kam jemand und kaufte eine Schachtel Kekse oder Popcorn. Eine Schachtel kostete drei Dollar und fünfzig Cent und als das erste Opfer zwei Schachteln verlangte, begann ich im Kopf auszurechnen, wieviel das ist. Aber Misses Brown hat mich angestubst und gesagt, daß sie genau deshalb einen Taschenrechner mitgebracht hat. Ich wollte ihn aber nicht verwenden, sondern Kopfrechnen üben. Sie wurde aber böse und hat gesagt, daß sie meiner Mama und meinem Papa sagen wird, wie ungezogen ich bin und ich solle gefälligst den Taschenrechner nehmen und mit dem Kopfrechnen aufhören, sonst werden wir ja nie fertig. Weil sie aber den Einschaltknopf nicht gefunden hat, habe ich trotzdem gekopfrechnet und zwei Schachteln um siebzehn Dollar verkauft. Es geht eben nichts über gute Mathematikkenntnisse.

Eine alte Frau hat uns gefragt, ob wir denn die Kekse auch selber gebacken habe. Wie sie aber auf meine schmutzigen Finger und die toten Mäuse geschaut hat, schluckte sie nur und ist eilig mit den Keksschachteln davongestolpert.

Alles wäre ganz gut gelaufen, wenn nicht dann plötzlich die kreischenden Mädchen von den Cheerleadern gekommen wären und Geld für eine neue Ausrüstung gesammelt hätten. Als dann aber auch noch die Kriegsveteranen und Samariter sich mit Sammelbüchsen neben das Rote Kreuz vor dem Supermarkt aufstellten, sind wir gegangen.

Meinem Cousin Christian, der daheim in Wien wohnt, habe ich das alles erzählt. Er hat nur gemeint, daß man bei den Pfadfindern bei ihm viel bessere Sachen lernt. Zum Beispiel hat er das letzte Mal rauchen gelernt. Das ist aber auch blöd. Die Zigaretten kann man nämlich nicht so gut wie die brennenden Fackeln herumjonglieren.
 



 
Oben Unten