Pfingstmond

Beattimm

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Pfingstmond

Es war kein Vollmond in einer Sturm durchtobten Nacht, auch hing kein zierlicher Sichelmond am nachtblauen Firmament. Der Mond glich vielmehr einer Geleezitrone schräg oben aufgehängt an einem fast noch hellen Frühsommerhimmel.

Marei und Jannnis hatten die Pfingstkirmes im Nachbarort besucht; zurück wollten sie den Bus nehmen, der alle Stunde hinüber in die Kreisstadt fuhr, der letzte um kurz vor Mitternacht. Aber in einer solchen Nacht zusammengequetscht mit all den anderen im überfüllten Bus?

Der Weg zu Fuß war nicht zu weit, vielleicht würden sie eine Stunde brauchen. Zunächst ging es durch den Wald, dann noch ein Stück entlang der Straße.
Marei und Jannis machten sich auf den Weg. Zuerst trug Marei den großen pfirsichgelben Teddy mit der grünen Schleife, den sie an der Losbude gewonnen hatte. Später nahm Jannis ihn. Der Weg war immer gut zu sehen, beleuchtet von einem hellen Mond, in dessen Licht die Blätter der Bäume silbern schimmerten.
Von Zeit zu Zeit blieben die beiden stehen. Es war ihr erstes Wochenende zu zweit. An einen hellen Buchenstamm gelehnt, den Teddy am Arm, schmeckten ihre Küsse sehr jung.

Als sie die Brücke über die Autobahn erreichten, die seit einigen Jahren das waldige Tal durchschnitt, fuhr der Bus voll johlender Jugendlicher an ihnen vorbei. Minuten später klingelte Jannis’ Telefon. „Okay, Dad, ist schon klar, dauert nicht mehr lange.“ Jannis steckte den Apparat wieder in die Jackentasche. „Sorry, Marei, das war mein Alter, hat sich aufgeregt, weil ich nicht im Bus war. dachte, mir wär irgendwas passiert. Kannst du das letzte Stück alleine gehen, sonst hab ich zuhause Stress, und wir können uns morgen nicht sehen!“ „Kein Problem, ich muss ja nur noch die Straße runter. Und ich hab den Teddy, der passt schon auf.“

Vor Jannis Haus verabschiedeten sie sich. Marei klemmte den Bären unter den Arm und lief zügig bergab. Auch diese Straße war neu, links der Waldrand, rechts Einfamilienhäusern, in denen noch einzelne Lampen brannten, von deren Terrassen noch die Geräusche abebbender Grillparties klangen.

Nach einer sanften Rechtskurve erreichte Marei die nächste Bushaltestelle. Zwei Frauen standen dort im Schein der Laterne: Eine mit langem schwarzem Rock die dunklen Haare sorgfältig hochgesteckt, die anderen in knallroten Hosen mit rotem Shirt, auf das wilde rote Haare lockig hinunterfielen. Im Vorrübergehen schnappte Marei Fetzen ihres Gespräches auf. „Eine Frau,“ sagte die Dunkle. „Ein Mädchen, fast noch ein Kind,“ die Rothaarige.

Marei bog in die Straße zum Haus ihrer Eltern ein.
Als sie den Teddy auf ihr Bett setzte, verdunkelten Wolkenfetzen die Mondscheibe.

Der Montag mit Jannis war großartig. Auch am Dienstag hatte Marei noch schulfrei, deshalb las sie bei ihrem gemütlichen Frühstück die Zeitung.
„ In der Nacht zum Pfingstsonntag kam es auf der Kreisstraße erneut zu einem tödlichen Unfall. Der Wagen kam ohne ersichtlichen Grund in einer Rechtskurve von der Fahrbahn ab, geriet in das angrenzende Waldstück und prallte gegen einen Baum Es ist der 5. Unfall dieser Art seit Erbauung der Autobahn im Jahr 1998. In allen Fällen handelte es sich bei den Opfern um Männer, die nachts allein in ihrem Fahrzeug unterwegs waren.“

BEATI 06/03
 

Zefira

Mitglied
Hallo Beati (Beat? Beate? ),

das ist eine ungemein spannende Geschichte, in der Du den Leser erstklassig an der Nase herumziehst. Ich war nämlich bis kurz vor Schluß überzeugt, der Marei werde gleich etwas passieren, wie sie da so jung und verletzlich mit dem pfirsichfarbenen Teddy durch die Nacht läuft. Das ist einfach phantastisch aufgebaut. Und dann dieser schlichte Satz

>>Als sie den Teddy auf ihr Bett setzte, verdunkelten Wolkenfetzen die Mondscheibe.<<

Puh! Hat sie es also doch geschafft. Ich mußte richtig schnaufen.

Und am Ende ist dann doch wieder alles anders.

Nur eine Kritik: der Anfang gefällt mir nicht. Ich bin etwas verstimmt, wenn ich in einer Geschichte als erstes erzählt bekomme, wie der Mond (oder überhaupt etwas) NICHT aussah. Überdies nimmst Du, finde ich, dem originellen Vergleich Mond=Geleezitrone :D mit dem Vorhergehenden ein wenig die Kraft.

Auch, fast vergessen: willkommen in der Lupe und viel Spaß auf diesem Board.

Lieben Gruß,
Zefira
 

Beattimm

Mitglied
Dank an Zefira

Hallo, danke für das Willkommen, das Lob und die Kritik.

Der Anfang also:
Der Mond hing am Himmel wie eine Geleezitrone... (war übrigens meine erste Fassung,soll man halt bei bleiben!)

Ich freu mich auf mehr von dir, vielen anderen und mir in der Leselupe.
Herzlichst
beati (Mischung aus Vor- und Nachnahmen und wie du ja sicher aus der Geschichte erlesen hast: weiblich)
 



 
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