Püttmanns ehrliche Grabreden - Folge 12

Fröstepitter

Dat Skaten war heute schon um 22.00 Uhr beendet. Aber wie dat so iss, Emil Köttelbeck hatte vor zwei Tagen Geburtstag, und Pitter Kowallek ließ seinen ersten Enkelsohn pinkeln.

Son Kampfsaufen hatten wir schon lange nich mehr erlebt. Korn, Bier, Korn, Bier …, bis um zwei Uhr ging dat, dann schmiss uns die Wirtin raus.
Der Pitter flog vor der Kneipe voll auf dat Gesicht, der Köttelbeck lief vor ein geparktet Auto, und ich wankte mit einem unheimlichen Rechtsdrall zu meinem Bertamäusken. Et war ne saukalte Aprilnacht.
Ich fand den Haustürschlüssel nich sofort. Als ich ihn schließlich ausse hinteren Hosentasche gewühlt hatte, flog er mir ausse Hand und landete inne Rabatten. Ich kroch auf allen Vieren im Vorgarten herum, fand dat Scheißdingen und versuchte, immer noch auf Knien, dat verdammte Schlüsselloch zu finden.

Durch meine verdächtigen Kratzgeräusche wurde mein Zuckermäulchen wach, riss die Tür auf und sah mich mit dem Schlüssel inne Hand vor ihr knien.
„Beeerta, Sch … Schlllü … Schlüssel verloreeen, hick, gesuucht un gefunnen, darf ich einkriechen?“
„Alter Saufkopp! Sieh zu, wo du pofen kannz, int Schlafzimmer kommze mir nich.“
Sie schloss sich im Schlafzimmer ein und machte mir vorher nich ma dat Licht an! Ich kroch langsam anne Wand hoch, schleuderte rechts in dat dunkle Bad und kippte seitwärts inne Badewanne. Jetz gingen Plötzlich alle Lichter an.

„Willi, wat iss passiert, du biss ja stockbesoffen! Biss ja ganz blass, musse göbeln? Soll ich den Krankenwagen rufen?“
„Bertalei … lein, nur mein Rückgrat, mein einziget Rückgrat iss gebrochen, hick, ich steeerbe auffe Stelle, lass mich in meinem Sarg liegen und von hinnen gehn, hick.“

Berta hievte mich besorgt ausse Wanne und legte mich vorsichtig ins Bettchen. Ich lebte morgens noch, aber mein Schädel wollte zerspringen.
Ich musste wohl die ganze Nacht so fürchterlich geschnarcht haben, dat Berta ins Wohnzimmer auswanderte.
Um sieben Uhr schellte jemand fünfmal Sturm. Ich hätte ihn umbringen können.
Berta öffnete im Bademantel die Tür, da fiel ihr Erna Kowallek heulend inne Arme. Ich hörte nur: „Der Pitter iss tot, der Pitter iss tot!“
Sofort war ich hellwach, sprang mit einem Satz aussem Bett und lief im Nachthemd inne Küche.
„Erna, wat iss los? Spinnze jetz total? Mach den Mund auf! Wir saßen vor n paar Stunden doch noch nett zusammen! Wat iss passiert?“
„Ihr verdammten Trunkenbolde habt meinen Pitter auffem Gewissen. Der lag ne Stunde inne kalten Wiese und kam völlig besoffen und unterkühlt nach Hause! Weil er sich wie ein Eisklumpen anfühlte, rollte ich mich auf ihn und wärmte ihn mit meinem Körper. So schliefen wir auch ein, und als ich vorhin aufwachte, war der Pitter unter mir noch kälter als sonst. Ich rüttelte ihn, der Pitter wachte gar nich mehr auf, sachte auch nix mehr, er war blau angelaufen, er war völlig leblos.“

Ich schüttelte den Kopp. Nee, dat konnte ich nich begreifen. Gestern feierte der Pitter als stolzer Großvater noch mit uns, und jetz dat!
Berta lief wie ne aufgescheuchte Henne hin und her und fragte: „Erna, hasse schon den Hausarzt und die Polizei verständigt?“
„Wieso, muss man dat? Wat haben die denn damit zu tun? Ich kann jetz mit keinem sprechen. Ruft alle an, macht, wat ihr wollt.“

Pitter Kowallek war n kleinet Männeken, Mitte fünfzig, höchstens eins fünfundfünfzig groß und spindeldürre. Wenn son magerer Hering mit uns soff, war der natürlich nach drei Doppelrunden voll wie ne Haubitze.
Ständig hatte er blaue Lippen, und wenn er dir die Hand gab, fühlteste Eiszappen. Wir nannten ihn deshalb „Fröste-Pitter“.
Vor ein paar Jahren hab ich ihn ma gefragt: „Ey, Pitter, bisse krank? Du hass ja ständig blaue Lippen.“
„Krank nich“, sachte er, „nur die Durchblutung iss im Arsch.“
„Pitter, ich sprech nich von deinem Arsch, sondern vonne Lippen und die kalten Flossen.“
„Willi, ich frier schon mein ganzet Leben. Wat meinze wohl, warum ich meine Erna geheiratet hab?“
Ich wurde neugierig: „Pitter, ma ganz ehrlich, wir können doch ehrlich miteinander sprechen, oder?“
„Natürlich, Willi, wir sind doch Skatbrüder.“
„Pitter, wir konnten dat nie begreifen, dat du damals sonne hässliche, schwere Kuh geheiratet hass. Dat Erna iss viermal dicker als du und zwei Köppe größer, die iss die schlampigste Olle hier inne Gegend, läuft barfuß inne Bude rum und trägt selbst im Winter nur n dünnet Hemdchen ohne Möppeshalter. Ihre überdimensionalen Mollis hängen ihr am Bauch, und ewig und drei Tage hat deine Alte Lockenwickler inne Haare und enge, abgescheuerte Leggins an ihrem fetten Hintern.“
Ich glaubte, der Pitter hätte mir eine gescheuert oder wär wenigstens beleidigt gewesen. Nein, nix von dem. Er erklärte ganz ruhig seine eingegangene Zweckehe. Ich hab damals nur den Kopp geschüttelt.

Der Pitter hatte seine schwere Erna nur geheiratet, weil die ständig 37,5 Grad Celsius Körpertemperatur im Balg hatte. Der Pitter brauchte die Frau, um seine Wärmebatterien nachts an ihr aufzuladen. Bei diesem
Ladevorgang hatte sie ihren armen Pitter erdrückt, besser gesagt, z e r q u e t s c h t .

„Hömma, Erna, so einfach, wie du dir dat vorstellen tus, iss die Angelegenheit nich. Du hass deinen Pitter zweimal getötet, weisse dat?
Du hass ihm mit deinen 140 Kilo zuerst erstickt und dann erdrückt.“

Erna schrie mich mit aufgerissenen Augen an:
„Ich hab meinem Pitter dat Leben gerettet, weil ihr Scheißkerle meinen Mann nich nach Hause gebracht habt. Er wär ohne mich an Unterkühlung gestorben!“
„Erna, reg dich nich auf, die Todesursache werden die Kripo und der Arzt genau ermitteln. Wenn die keine Würgemale und Giftspuren finden, hasse Schwein gehabt, dann krisse als Nichtmörderin mildernde Umstände. Trotzdem, ich glaub, du hattes Wut auf ihn, weil er besoffen war, und hass ihn eiskalt umme Ecke gebracht.“
„Willi, so wat denksse von mir? Dat kommt doch auch bei Müttern mit ihren Babys vor. Willi, du muss mir helfen, ich hab dat wirklich nich mit Absicht getan, glaub mir dat doch endlich, verdammt noch ma! Ich kann nich mehr, Menschenskind, mir wird schwatt vor die Augen.“
Erna fiel um. Mann, oh Mann, da lag die schwere Erna bei uns auffem Küchenboden. Hoffentlich war die nich auch hinüber!
„Berta, hol wacker die Pulle Salmiakgeist aussem Geräteschuppen!“
Ich haute der Erna mindestens zehnmal wat vorn Kopp und schüttete ihr wat vom Salmiakgeist unter die Nase, da schlug sie endlich die Augen auf und fragte mich: „Willi, bin ich tot oder schon im Zuchthaus?“
„Wach auf, Erna, ich ruf jetz die Bullen und den Arzt.“

Der Arzt stellte n astreinen Herztod durch Erfrieren fest, die Kripo untersuchte einige Körperstellen und gab den Pitter zur Beisetzung frei.
„Willi, bitte regel die Formitäten für mich, dat bisse deinem Sauf- und Skatbruder schuldig. Ich bin dazu nich inne Lage, ich hab leider noch keine Erfahrung mit so wat.“
„Erna, du weiss doch hoffentlich, wat der Pitter für ne Beerdigung wünschte, wenn er ma sterben tät?“
„Ja, inne Erde kommt der, wie andere Leute auch, da kann ich ihn auch regelmäßig am Grab besuchen.“
„Nee, Erna“, sachte ich, „dat war nich sein Herzenswunsch, der Pitter wollte verbrannt werden. Dat hat er beim Skat mehrfach unter Zeugen gesacht. Verstehsse dat ? Außerdem sparsse ne Menge Kohle, der Flammenritt iss viel preiswerter als die Erdbestattung.“

„Willi, dat kommt überhaupt nich in Frage. Mein Schnuffigen soll zu nem Häufken Asche werden, wat ich dann besuchen soll? Nee, Willi, auf keinen Fall lass ich dat zu. Außerdem hab ich früher ma von unserem alten Pastor gehört, dat sonne Feuertaufe ne ganz schwere Todsünde sein soll.“
„Erna, ihr seid schon lange nich mehr inne Kirche, da kann dir auch kein Pfaffe mehr reinreden.“
Erna muckste.
„Erna, gut, du willz also den Wunsch von deinem lieben Mann nich akzeptieren? Ich sach dir ma, wat du biss, du biss ne egoistische Ignoratorin! Wenne unbedingt deinen Dickkopp durchsetzen willz, gut, kannze machen, dann ruf ich die Kripo und den Arzt, die sollen den Pitter ma genauer unter die Lupe nehmen und obdufizieren. Den Kerlen erzähl ich auch, wat du mit dem Pitter angestellt hass, du hass den armen Kerl nämlich mit deinem schweren Balg vorsätzlich zerquetscht. Du gehss in den Bau, dat schwör ich dir!
Ich sach dir noch wat: Wenne den Pitter nich in dat Feuer übergeben tus, dann könnte et gut passieren, dat ma irgendeiner aus deiner kriminellen Mischpoke an seinem natürlichen Tod zweifeln tut und lässt den Pitter noch nach Jahrzehnten exhumanzieren. Du wirss keine Ruhe mehr kriegen. Der Pitter muss zu Asche werden, wie dat inne Bibel stehen tut. ‚Asche zu Asche’, Erna, dann finden die Experten vom Bundeskriminalamt bestimmt auch keine innerlichen Blutergüsse und Rippenbrüche. Also mach dat Maul auf, ich höre.“

Oh, ich war geladen. Versuchte die blöde Kuh doch tatsächlich, den Willen ihres Ehegattengemahls zu missachten!
„Ja, Willi“, sachte se auf einmal, „wenne meinen tus, dat wär dat Beste für mich, dann regel dat nach dem Wunsche meines lieben Pitters. Willi, wenn ich mir dat so vorstellen tu, muss der Pitter ja jetz noch kälter sein. Wie furchtbar, den könnte ich ja überhaupt nich mehr warm kriegen.“
„Gut, Erna, jetz hasse dat endlich kapiert. Also, ich empfehle die Firma Feuer & Flamme inne Bahnhofstraße, die soll fünfhundert Grad mehr im Brenner haben.“
Erna kuckte mich wie entgeistert an und fragte nachdenklich:
„Willi, du biss sein Freund und kanntest den Pitter doch schon als Blag. Kannze nich n paar nette Worte bei der Trauerfeier sprechen, ohne den Unfall zu erwähnen? Ich geb dir auch fünfhundert Mark Schweigegeld.“
Dat war ja wohl die größte Unverschämtheit, die ich je gehört hatte.
„Erna, bisse eigentlich total behämmert? Du biss nich nur saublöd, du hass auch keinen Charakter. Meinze, ich nehm für den Pitter auch nur einen Pfennig? So wat iss ne schwere Beleidigung! Ehrensache iss dat für mich, da anne Urne wat für meinen Freund zu sprechen, aber so wat wie Ehre kennze ja nich! Ich versteh nich, wie dein Pitter dat mit dir so lange ausgehalten hat!“

Der Termin für die Feuerbestattung war erst vierzehn Tage später. Am 4. Mai, an St. Florian, im Krematorium Bochum.

Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie sonne Feuerbestattung ablief, also machte ich mich aufe Socken und bin zum Bestattungsunternehmer Flamme marschiert. Ein großet Schild hing im Fenster: „Sterben ist mein Gewinn“.

Der olle Flamme klärte mich auf: Son Feuerchen wäre viel hygienischer und sauberer, man hätte verschiedene Sargtypen für sonne Verbrennung. Er erklärte die Vorteile der Verbrennungsbehälter. Da gab et Kisten, die waren schwer entflammbar, extra aus getränktem Bauholz, die kosteten son bissken mehr, weil man darin länger lag und der Gasverbrauch höher war. Dann standen da welche, da krisse durch abgelagertet Fichtenholz noch ma richtig Zunder unter den Hintern geblasen. Der Aspirant für den Feuerritt muss sich allerdings vorher dat Gebiss und alle Fremdstoffe ausm Körper entfernen, weil er ja sonst die Umwelt verpesten tät.

Dann bestünde in Deutschland auch noch der dämliche Friedhofzwang. Dat hieß: Du darfst die Asche von deinen Lieben nich zu Hause neben den Fernsehapparat stellen oder mit in den Schrebergarten nehmen, um den Humus damit anzureichern, nee, du muss die Überreste schön inne Urne hauen und in sonne Urnenkammer zwischenlagern.
Er beschrieb auch andere Möglichkeiten der Ascheverstreuung: inne Blumenwiese vonne Alm, im rauschenden Bergbach oder bei som Gemeinschaftsfelsen ging et auch – aber leider nur im Ausland.
Jedenfalls waren die Ausführungen von dem ollen Flamme so überzeugend, dat et mir plötzlich ganz warm wurde. Meine innere Stimme begann zu flehen:
„Willi, ich will auch ma geröstet werden!“ Ja, stellen Sie sich dat ma vor, ich verspürte den heißen Wunsch, nich lebendig, wie son Ketzer ohne Narkose, nee, ich wünschte mir, nich vonne Würmer aufgefressen zu werden, sondern fein sauber als Aschen-Willi inne Urne zu wandern!

„Hörn Se ma, Herr Flamme, Sie haben sicherlich ne Vormerkkladde inne Schublade, tragen Se mich da schon ma ein. Ich komm sofort auf Sie zurück, wenn ich ma gestorben bin.“
Der Mann kuckte mich erst ganz dösig an, dann grinste er, als wittere er bereits n Geschäft inne nahen Zukunft.
Sachte der Kerl doch tatsächlich: „Herr Püttmann, wenn Se bitte ma schauen wolln, wir haben hier Särge in mehreren Ausführungen. Sie haben heute schon mal die Gelegenheit des Probeliegens, später könnte die Möglichkeit vertan sein, wenn Sie verstehen. Man will es ja schließlich auch schön bequem haben, wenn man den Flammen anvertraut wird, nicht wahr, Herr Püttmann?“

Im Stillen dachte ich: Der Beerdigungsheini hat einen anne Waffel, dann aber musste ich bekennen, der Mann hatte völlig Recht. Denn wenne erst ma richtig alle biss, kannze ja keine Wünsche mehr äußern.
Dat Probeliegen sollte ich mir zu Lebzeiten ruhig gönnen. Son Luxus iss vielleicht dat Letzte, wat man sich noch antun kann.

Ich lag in fünf Kisten. Die erste war aus Pappe, die gefiel mir am besten. Da hing n Preiszettel dran: 40,50 DM.
„Herr Flamme, schreiben Se bitte auf: Willi Püttmann, Herne-Baukau, Pappkiste, Marke ‚Fegefeuer’, Typ ‚Röstfrisch’, die für 40,50 DM. Die nehm ich, dat iss gebongt, dat Dingen iss schön bequem und besonders atmungsaktiv. Haben Se dat notiert?“

„Sehr wohl, Herr Püttmann, wie Sie belieben. Sie sind ein sehr weitsichtiger Mann.“
„Leider nich, ich bin kurzsichtig. Also dann, auf ein späteret Wiedersehen, Herr Flamme.“
Als ich den Sargladen verließ, war ich richtig glücklich.

Begeistert erzählte ich meiner Berta von meinem anregenden Besuch in dem Sarglager und meiner weitsichtigen Entscheidung. Berta wurde blass, ihr fiel der Suppenlöffel ausse Hand.
„Willi, bisse noch zu retten? Mit fünfzig trainierst du Blödmann schon dat Sarg-Probeliegen? Du biss verrückt, du gehst morgen zum Nervenarzt!
Mit dir stimmt wat nich im Kopp, die Toten machen dich krank. Du hass ja schon ne Beerdigungsmanie, dat iss ja ekelhaft. Mir schmeckt dat Essen nicht mehr, wenn ich mir dat vorstelle, nee, widerlich.
Hätt ich doch damals auf meine Mutter gehört, die wusste, dat mit dir wat nich stimmen tat, nee, und die armen Kinder, mit so einem Vater!“
Sie aß nix mehr, stand auf und kippte die leckere Suppe in den Lokus.
Etwa fünfzig Trauergäste saßen im Abschiedsraum vom Krematorium Bochum. Brennende Kerzen, bunte Kränze und feierlichet Orgelsgedöns machten in dem Feuersaal schon wat her.
Nur die Erna passte hier absolut nich rein. Da saß die Frau doch tatsächlich mit ihren verschlissenen Leggins inne ersten Reihe und hatte wieder keinen Mollihalter an, schrecklich!
Ich hab die Traueransprache vor der Einäscherung abgehalten, weil erfahrungsgemäß nach der Höllenfahrt bei den meisten Zuhörern die Konzentration merklich nachlässt und die meisten schon gedanklich beim Fellversaufen sind.

Der Pitter lag ganz ruhig in seiner Pappkiste „Vulkan“, Typ „Knisterfein“, die Ausführung für 35,50 DM.

„Glück auf, liebe Trauergäste, leider iss wieder son lieber Nachbar kaltgemacht …, äh …, ich meine natürlich, erkaltet. Unseren lieben Pitter Kowallek erdrückt und bedrückt von nun an nix mehr. Er war ein treuer Skatbruder. Lieber Pitter, mit ohne dich geht dat Spiel nich, wir müssen die Skatrunde einmotten.

Der gute Pitter hat Stunden vor seinem Kältetod mit seinen engsten Freunden noch ma ganz toll einen geballert – als hätte er sein selig Ende erahnt.
Bevor er sein Haus erreichte, legte er sich noch ma kurz inne Wiese. Er wollte in aller Ruhe noch ne Runde pofen. Leider pennte er da etwat zu lange. Ich schätze, er war schon halb erfroren, als er bei seiner Erna bibbernd um Einlass bettelte.

Wir kennen ja alle die Zweckehe, die der Pitter damals eingegangen iss. Er kuschelte sich in Ernas Wärmemassen, um schnell wieder aufzutauen. Leider war et für ihn zu spät. Pitter, du wirss in wenigen Minuten zum ersten Mal im Leben die Wohltat von 1500 Grad genießen, die eiskalten Füße und Hände werden heute richtig durchblutet, du wirss glücklich lächelnd in eine bessere Welt entweichen.
Hömma, Pitter, bevor ich dat vergesse, dat musse unbedingt noch wissen. Die Erna wollte dich nich verbrennen lassen! Ungehorsam wollte sie sein! Ich hab deiner Alten die Meinung gegeigt und ihr dat mit der Feuerbestattung schonend erklärt. Pitter, war doch richtig, oder?“
Ich hörte keine Antwort und kam deshalb zum Schluss.
„Leute, lasst uns alle noch ma dat schöne Liedchen singen, wat wir noch aus Kindertagen und vonne Hitlerjugend kennen: ‚Flamme empor’.“
Ich hatte dat richtige Lied gewählt. Glauben Sie mir, ich habe noch nie son inbrünstigen Gesang gehört wie bei diesem herrlichen deutschen Volkslied.
Dem Oberbrandmeister flüsterte ich int Ohr: „Hömma, Kumpel, während der dritten Strophe – Abmarsch mit dem Pitter! Hasse dat verstanden?“ Der nickte, drückte im richtigen Augenblick auffen Knopp, und der Pitter fuhr mit der Pappkiste schön langsam auf den Grill, mit die Eisbeine zuerst.

Et war nen wirklich würdigen Abschied.
 



 
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