Sicht und Bruch

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R. Herder

Mitglied
Sicht und Bruch



In den Straßen dieser Nacht
erfährt das Kind die Langsamkeit
durch zig verschiedene Objektive
mit zig verschiedenen
Brennweiten. Jede Abbildung ein
Nichtentkommen. In jeder slowmo
untragbare Nonchalance die scheinbar
keinen Ursprung hat. Der Mund
geöffnet für die Spinnen dieser Nacht.
Und die Füße stehen noch ein Weilchen
dort im Schnee.
Darstellung um Darstellung verweilt
das Kind im Schlaf im Stand.
Jedes Bild ein Text und jeder Text
ein Horizont. In der Ferne
bleiben kaum Bewegung oder Raum
noch Stimme. Reduziert auf drei vier
frames per second wird der Schnitt
durchs Auge einer toten Kuh
zum Lächeln animieren.
Es ist so kalt.
 
B

bluefin

Gast
ich hör schon wieder, dass hier kein gedicht und keine lyrik vorlägen und dass das kind herumgeschoben müsste, zwischen prosa, experimentell und klinikaufenthalt.

egal. der text ist großartig, lieber @herder. großes kleines kino. früher hätte man sich einen frustrierten regissör nach dem fünften whisky so vorgestellt. heute, wo hinz und kunz camcordern wie wild, könnz jeder sein. nur spürt von denen keiner, wie kalt es ist.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo bluefin,

hier muss man (Frau) nicht diskutieren, nicht über Lyrik oder Prosa nachdenken, zu mal wir zum Glück auch über lyr. Prosa und Prosalyrik verfügen. Für mich ist das Werk hier richtig eingeordnet. Außerdem bin ich froh, wieder ein Werk von Rene zu lesen. Er macht es seinen Lesern nie einfach, "zwingt" ihn zum Denken auch zwischen den Zeilen und auch, wenn mich die tote Kuh stört, ist es wieder ein starkes Stück Prosalyrik.

LG Franka
 
B

bluefin

Gast
vielleicht sagt's uns meister @herder noch - bis dahin geh ich davon aus, dass er mit der kuh auf bunuels "andalusischen hund" anspielt. der kriegt auch das auge zerschnitten, allerdings nicht im zeitraffer-modus.

lg

bluefin
 

Walther

Mitglied
So isses, Franka. Der René kann verdichten. Das ist das, was ihn auszeichnet. Da ist es dann nicht relevant, ob das Lyrik ist oder nicht. Es ist in jedem Fall lyrische Prosa und im wahrsten Sinne des Worts ein "starkes Stück" davon.

Andere könnten von diesem Text was lernen.

Bester Gruß W.
 

R. Herder

Mitglied
Dankeschön für euren Zuspruch. Das erste Gedicht seit zwei Monaten oder so. Erst 21, und der Saft ist schon raus. Und Hinz und Kunz camcordern wie wild.

Das Auge ist ausm andalusischen Hund, ja. Fast unvermeidlich. Mich freuen eure Gedanken.


Grüße,
René.
 



 
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