Sinnlos

3,00 Stern(e) 1 Stimme

Nicki

Mitglied
Heute, nimmt sie sich vor, würde sie ihren freien Tag nicht sinnlos verstreichen lassen. Heute, würde sie ihn ausnützen, und all das tun, was sie schon so lange nicht mehr getan hat. Heute, würde sie nicht erst mittags lustlos ins Badezimmer schlurfen, sich anschließend auf die Couch vors Fernsehgerät platzieren und alle zehn Minuten gelangweilt auf die Uhr sehen, ehe der Tag auch wieder um ist. Heute will sie nicht ihren depressiven Gedanken nachhängen, solange bis sich wieder traurig geweinte Tränen den Weg über ihre Wange suchen. Heute, beschließt sie, würde sie sich einen schönen Tag im Einkaufszentrum machen. Sie liebt es an den zahlreichen Geschäften vorbei zu gehen und lange an den großen Schaufenstern stehen zu bleiben. Jedes Detail prägt sie sich gut ein, selbst die Dekoration hinter den breiten Scheiben bewundert sie fasziniert. Gehetzte und gestresste Menschen laufen ihr entgegen, neben ihr, überholen sie und rempeln sie auch manchmal ziemlich heftig an. Ihre guten Vorsätze, sich heute fröhlich auf zu erstehende Waren zu konzentrieren, sinken langsam wieder nach unten. Wie ihre Laune. Diese rempelnden Menschen haben scheinbar ganz gezielte Vorstellungen welche Besorgungen sie noch zu erledigen haben, oder laufen schnellen Schrittes in die Richtung wo sich jenes Cafe befindet, dass sie als Treffpunkt mit der Freundin ausgemacht haben. Sie irrt ziellos umher, hat nichts zu besorgen und keine Freundin wartet auf sie, in welchem Cafe auch immer. Auf einer dieser futuristisch aussehenden Ruhebänke aus löchrigem Metall lässt sie sich nieder und beobachtet die vorbeilaufende Menschenmasse. Manchmal bekommt sie Gesprächsfetzen eines Paares mit, oder einige Worte des neuesten Klatsches untergehakten, kichernden Freundinnen. Schulschwänzende Jugendliche in Gruppen, ziehen rauchend und sich gegenseitig schubsend, scheinbar ohne schlechtes Gewissen an ihr vorbei. Menschen die lachen, reden, es eilig haben, Mütter mit ihren Kindern an der Hand oder im Kinderwagen vor sich her schiebend. Hunderte Menschen, doch sie sitzt auf der harten Bank wie unter einer Dunstglocke und fühlt nichts als tiefe, taube Einsamkeit. Dieselbe Einsamkeit, vor der sie auf der Couch vor dem Fernseher flüchten wollte.

Eine junge Mutter gesellt sich zu ihr auf die Bank. Sie schiebt ihren Pullover hoch, nimmt das Baby in den Arm, legt eine Stoffwindel zwischen sich und das Kind und beginnt es zu stillen. „Das hat mir gerade noch gefehlt“, denkt sie, und schielt so unauffällig wie möglich, immer wieder zu dem nun saugenden Kind. Schmatzende und vor Zufriedenheit raunende Laute drängen sich in ihren Gehörgang. Die Mutter sieht ihr Kind liebevoll an, küsst es zwischendurch auf Stirn oder Nase und hält die kleine, zur Faust geballte Hand in ihrer großen, schützenden. Neid, aber auch tiefe Traurigkeit vermischt mit Glücksgefühlen und einem warmen Gefühl in ihrem Herzen breiten sich im ganzen Körper aus. Sie ist angefüllt mit Emotionen, bis obenhin und fühlt sich dennoch so leer. Leer und einsam. Im nächsten Moment scheinen all die vorbeilaufenden hundert Menschen, sich in Müttern mit Kindern an der Hand oder in vor sich schiebende Kinderwägen, oder schwangere Frauen mit dicken Bäuchen zu verwandeln. Sie vernimmt ein lautes ticken, dass so unangenehm stark wird und sie beinahe zur Verzweiflung treibt. Das unaufhaltsame Ticken ihrer biologischen Uhr. Immerhin wird sie bald dreißig. Ihr eigenes Ultimatum läuft bald ab, und ihr wird wieder einmal klar, dass sich ihr Wunsch niemals erfüllen wird. Nicht in diesem Leben. Sie stellt sich vor, wie es sein muss Leben in sich zu spüren. Fußtritten eines Ungeborenen Kindes ausgesetzt zu sein. Ein kleines pochendes Herz unter ihrem eigenen schlagen zu hören. Wie gerne würde sie Geburtsschmerzen aushalten, und ein kleines Bündel Mensch, Blutverschmiert und neugeboren auf ihrem nackten Bauch erfühlen. Wie einzigartig es sein muss, sein eigen Fleisch und Blut durch Muttermilch zu nähren und dabei die enge Verbundenheit zu seinem Kind zu fühlen. Sinnlosigkeit macht sich in ihrem Kopf breit. Sinnlos, hier auf dieser Bank zu sitzen, Sinnlos, in diesem Einkaufszentrum schmerzende unerfüllten Träume umherlaufen zu sehen, Sinnlos überhaupt morgens auf zu stehen. Sinnlos. Kinderlos.
 

Evchen13

Mitglied
Hallo Nicki,


ich habe mir deine Geschichte durchgelesen. Das Thema ist gut und sehr interessant.. Nur liest sich deine Geschichte für meinen Geschmack zu monoton.

Deinen ersten Absatz würde ich deutlich straffen. Hier sind viele Wiederholungen eingebaut. Ihre Emotionen, ihre Empfindungen kommen nicht richtig rüber. Der Satzbau ist auch manchmal unglücklich gewählt, wie z.B.

- Sie liebt es an den zahlreichen Geschäften vorbei zu gehen und lange an den großen Schaufenstern stehen zu bleiben.

- Jedes Detail prägt sie sich gut ein, selbst die Dekoration hinter den breiten Scheiben bewundert sie fasziniert. Gehetzte und gestresste Menschen laufen ihr entgegen, neben ihr, überholen sie und rempeln sie auch manchmal ziemlich heftig an.

Du schilderst eine Selbstdarstellung einer Frau, die sich selber sehr stark bemitleidet. Aus dem Text kann der Leser nicht entnehmen, warum. Hier sind für mich zu viele offene Fragen!

Warum kann sie keine Kinder bekommen? Warum ist das Leben ohne Kinder so sinnlos? Warum hat sie keine Freunde? ....


Ist nur so meine Meinung!

Ev
 

Nicki

Mitglied
Hallo Ev..

Danke für Deine Antwort. Jetzt merke ich selbst, dass ich wohl den völlig falschen Anfang gemacht habe bei der Geschichte. Ich wollte damit sagen, dass auch wenn man unter vielen Menschen ist, sich sehr einsam und allein fühlen kann und sich nach etwas sehnt das Liebe gibt. Ein Kind etwa. Die Protagonistin ist deprimiert, einsamm, leer.. aber bemitleidet sich nicht selbst, auch wenn Du das interpretiert hast. Danke für Deine Antwort :)
 

Zefira

Mitglied
Liebe Nicki,

mir geht es wohl gerade umgekehrt wie Evchen. Ich finde den ersten Absatz des Textes sehr ausdrucksstark, er gibt genau die Gefühlslage einer tief deprimierten Person wieder, die naiverweise glaubt, sie könne sich da selbst heraushelfen, indem sie die Rituale eines "schönen Tages im Einkaufszentrum" befolgt. Das Hochgefühl des guten Vorsatzes schwindet, und zum Schluß sitzt sie einsamer denn je mitten in der Masse auf einer Parkbank. Das kommt ausgezeichnet heraus.

Der zweite Absatz gefiel mir dann schon weit weniger, weil Du ein neues, ganz anderes Problem hineinarbeitest. Am Schluß hat man den Eindruck, nicht die Einsamkeit sei das Problem, sondern die Kinderlosigkeit - die letzten Sätze weisen eindeutig in diese Richtung. Damit nimmst Du dem einleitenden Absatz, in dem sich womöglich viele Leser wiederfinden (z.B. auch ich in bestimmten Phasen meines Lebens) viel von seinem Effekt.

Ich bin der Meinung, der Anfang stimmt - ändere den zweiten Absatz. Oder arbeite ihn in eine ganz neue Geschichte um, denn der erste Absatz kann sehr gut für sich alleine stehen bleiben.

Liebe Grüße,
Zefira
 

Andrea

Mitglied
Obwohl ich Zefira darin zustimme, daß der erste Absatz sehr gut allein stehen könnte (ohne den unseligen letzten Satz, siehe dort), auch, weil er der stärkere von beiden ist, finde ich die Zusammensetzung reizvoll. Allerdings kommt am Ende doch recht viel „Mutterherz-Klischee“ auf den Leser zu: die biologische Uhr, die „Horrorvision“ der Mütter-Invasion, die Babysehnsucht.. das Bild müßte abgeschwächt werden. Bleib also bei der EINEN Mutter, streiche eventuell die biologische Uhr (dadurch würde die Protagonistin auch zeitloser, weil nicht mehr durch ein Alter definiert) und konzentrier dich mehr darauf, daß sie allein ist und eben kein Kind hat, als auf die Vorstellung, wie sie eines kriegen könnte. Ach ja: und Fehler korrigieren!

Heute, nimmt sie sich vor, [blue]wird[/blue] sie ihren freien Tag nicht sinnlos verstreichen lassen. Heute [red]kein Komma[/red] [blue]wird[/blue] sie ihn ausnützen [red]kein Komma[/red] und all das tun, was sie schon so lange nicht mehr getan hat. Heute [red]kein Komma[/red] [blue]wird[/blue] sie nicht erst mittags lustlos ins Badezimmer schlurfen, sich anschließend auf die Couch vors Fernsehgerät platzieren[blue]/anschließend vor dem Fernseher auf der Couch herumlümmeln[/blue] (abgesehen von der furchtbaren neuen Schreibweise finde ich „platzieren“ hier nicht sehr treffend) und alle zehn Minuten gelangweilt auf die Uhr sehen, [red]bis[/red] der Tag auch wieder um ist. Heute [blue]wird[/blue] sie nicht ihren depressiven Gedanken nachhängen, [strike]solange[/strike] bis sich wieder traurig geweinte Tränen den Weg über ihre Wange suchen. (im Vergleich zum restlichen Text ist die letzte Formulierung zu gewollt-poetisch) Heute, beschließt sie, [blue]wird[/blue] sie sich einen schönen Tag im Einkaufszentrum machen. [blue]ABSATZ[/blue]
Sie liebt es an den zahlreichen Geschäften vorbei zu gehen und lange [blue]vor[/blue]den großen Schaufenstern stehen zu bleiben. Jedes Detail prägt sie sich gut ein, selbst die Dekoration hinter den breiten Scheiben bewundert sie fasziniert. Gehetzte und gestresste Menschen laufen ihr entgegen, neben ihr, überholen sie[blue], [strike]und[/strike] rempeln sie [strike]auch manchmal ziemlich heftig[/strike][/blue] an. Ihre guten Vorsätze, sich heute fröhlich auf zu erstehende Waren zu konzentrieren, sinken langsam wieder nach unten. Wie ihre Laune. Während Laune sinken kann, können Vorsätze das nicht. Die Formulierung ist krumm.) Diese rempelnden Menschen haben scheinbar ganz gezielte Vorstellungen[red],[/red] welche Besorgungen sie noch zu erledigen haben, oder laufen schnellen Schrittes [blue]zu jenem Café[/blue], [red]das[/red] sie als Treffpunkt mit der Freundin ausgemacht haben. Sie irrt ziellos umher, hat nichts zu besorgen und keine Freundin[blue], die auf sie wartet[/blue], in welchem Café auch immer. Auf einer dieser futuristisch aussehenden Ruhebänke aus löchrigem Metall lässt sie sich nieder und beobachtet die vorbeilaufende Menschenmasse. Manchmal bekommt sie Gesprächsfetzen eines Paares mit, oder einige Worte des neuesten Klatsches untergehakte[red]r[/red], kichernde[red]r[/red] Freundinnen. Schulschwänzende Jugendliche in Gruppen [red]kein Komma[/red] ziehen rauchend und sich gegenseitig schubsend [red]kein Komma[/red] scheinbar ohne schlechtes Gewissen an ihr vorbei. Menschen[red],[/red] die lachen, reden, es eilig haben, Mütter mit ihren Kindern an der Hand oder im Kinderwagen [blue][strike]vor sich her schiebend[/strike][/blue]. Hunderte Menschen, doch sie sitzt auf der harten Bank wie unter einer Dunstglocke und fühlt nichts als tiefe, taube Einsamkeit. [strike]Dieselbe Einsamkeit, vor der sie auf der Couch vor dem Fernseher flüchten wollte.[/strike] (Präsentiere nie die Interpretation, wenn deine Sprache stark genug ist, sie auch ohne Holzhammer und Jägerzaun nahezulegen!)

Eine junge Mutter gesellt sich zu ihr auf die Bank. Sie schiebt ihren Pullover hoch, nimmt das Baby in den Arm, legt eine Stoffwindel zwischen sich und das Kind und beginnt es zu stillen. „Das hat mir gerade noch gefehlt“, denkt sie, und schielt so unauffällig wie möglich [red]kein Komma[/red] immer wieder zu dem nun saugenden Kind. Schmatzende und vor Zufriedenheit raunende Laute drängen sich in ihren Gehörgang. Die Mutter sieht ihr Kind liebevoll an, küsst es zwischendurch auf Stirn oder Nase (die ist aber sehr gelenkig – auf den Kopf halte ich für machbar, aber die Nase? Während das Kind saugt? Zweifelhaft..) und hält die kleine, zur Faust geballte Hand in ihrer großen, schützenden. Neid, aber auch tiefe Traurigkeit vermischt mit Glücksgefühlen und einem warmen Gefühl in ihrem Herzen breiten sich im ganzen Körper aus. (<-- Ein sehr schwacher Satz. Der muß präziser, kürzer werden, eventuell auch in zwei Sätze gesplittet werden.) Sie ist angefüllt mit Emotionen, bis obenhin (die Formulierung klingt auch so aufgedrängt...) und fühlt sich dennoch so leer. Leer und einsam. [blue][strike]Im nächsten Moment[/strike] All die vorbeilaufenden Menschen scheinen sich in Mütter mit Kindern an der Hand oder in [strike]vor sich schiebende[/strike] Kinderwägen oder in[/blue] schwangere Frauen mit dicken Bäuchen zu verwandeln. Sie vernimmt ein lautes [red]T[/red]icken, [red]das[/red] so unangenehm stark wird[blue], dass es[/blue] sie beinahe zur Verzweiflung treibt. Das unaufhaltsame Ticken ihrer biologischen Uhr. Immerhin wird sie bald dreißig (30 ist keine echte Grenze mehr. Könntest du ruhigen Gewissens um zehn oder mehr Jahre erhöhen). Ihr eigenes Ultimatum läuft bald ab, und ihr wird wieder einmal klar, dass sich ihr Wunsch niemals erfüllen wird. Nicht in diesem Leben. Sie stellt sich vor, wie es sein muss[red],[/red] Leben in sich zu spüren. Fußtritten eines [red]u[/red]ngeborenen Kindes ausgesetzt zu sein. Ein kleines pochendes Herz unter ihrem eigenen schlagen zu hören. Wie gerne würde sie Geburtsschmerzen [blue]ertragen[/blue] und ein kleines Bündel Mensch, [red]b[/red]lutverschmiert und neugeboren auf ihrem nackten Bauch erfühlen. Wie einzigartig es sein muss, sein eigen Fleisch und Blut durch Muttermilch zu nähren und dabei die enge Verbundenheit zu seinem Kind zu fühlen. Sinnlosigkeit macht sich in ihrem Kopf breit. Sinnlos, hier auf dieser Bank zu sitzen, [red]s[/red]innlos, in diesem Einkaufszentrum schmerzende unerfüllte[red][strike]n[/strike][/red] Träume umherlaufen zu sehen, [red]s[/red]innlos überhaupt morgens [red]aufzustehen[/red]. Sinnlos. Kinderlos.
 

Nicki

Mitglied
Wow. Danke :) Ich weiss, ich mache sehr viele Beistrichfehler, ist ein Leiden von mir. Ich Danke Dir für Deine Antwort und fürs Verbessern :))
 

Daijin

Mitglied
Zefira hat eigentlich schon alles gesagt.

@Andrea: Warum bist Du der Meinung, daß der Konjunktiv am Anfang des Textes falsch ist? Durch das Ersetzen des "würde" mit "wird" änderst Du die modale Konnotation, und es sollte erst einmal geklärt werden, ab das im Interesse der Autorin (des Autors?) liegt.
 

Andrea

Mitglied
@ Daijin: Ich halte den Konjunktiv nicht für [red]falsch[/red], sondern empfinde den Indikativ Futur als [blue]besser[/blue]; sprich: das ist nur ein Vorschlag, wie alles blau markierte, und keine Korrektur.
 

Daijin

Mitglied
Oh, achso. Dann habe ich das falsch verstanden. Aber man kann von mir auch nicht so komplex kognitive Leistungen erwarten wie die Verknüpfung der Textfarbe mit der Bedeutung der Korrektur. ;) :D
 



 
Oben Unten