Spielsucht

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Em: „Was willst du?“
Be: „Es ist genug.“
Em: „Ja.“
Be: „Schadet es dir?“
Em: „Nein.“
Be: „Es war ja absehbar.“
Em: „Ich weiß.“
Be: „Dann ist es gut?“
Em: „Nein.“
Be: „Aber nicht zu ändern.“
Em: „Ich werde nichts ändern daran.“
Be: „Ich kann jetzt nichts tun.“
Em: „Das willst du auch nicht.“
Be: „Du weißt das?“
Em: „Ja.“
Be: „Du hast nichts gesagt.“
Em: „Ich wußte nicht, daß sich nichts ändern wird.“
Be: „Jetzt weißt du es.“
Em: „Nein, ich weiß, daß du nichts ändern wolltest.“
Be: „Immerhin etwas.“
Em: „Es ist nicht wichtig, das zu wissen.“
Be: „Warum?“
Em: „Weil es genug ist.“
Be: „Dann sind wir am Ende?“
Em: „Nicht ganz.“
Be: „Mal sehen, ja?“
Em: „Ich werde mich nicht melden.“
Be: „Ich hoffe es trotzdem.“
Em: „Dann hoffe es.“
Be: „Bis bald.“
Em: „Unwahrscheinlich.“
Em hat knapp geantwortet. Es muß ein langweiliger Tag gewesen sein. Am freundlichsten ist sie, wenn etwas Außergewöhnliches ihren Alltag gestört hat. Es war nie wichtig, ob ihr Glück oder Unglück widerfahren war, solange überhaupt etwas passierte. Solche Renitenz gegen die notwendigen Bewegungen der Weltgeschichte sind vielleicht die Bestätigung des Lebens. Sie rammt den Kopf gegen die Wand, damit sie spürt, daß er noch vorhanden ist. Im Gespräch mit Em dominiert ihre Langeweile. Sie nimmt Drogen dagegen, die ihr aber nicht immer helfen. Wahrscheinlich ist sie stark betäubt. Sie blutet. Vielleicht. Besser als Alltag, würde sie sagen. Sie muß alles kontrollieren. Es ist eigentlich immer ihr Gespräch. Sie reißt alles an sich. Sie rammt nicht nur den eigenen Kopf gegen die Wand. Das muß nicht jedem gefallen, dafür leben ihre Bekanntschaften wohl zu hedonistisch. Em hat sich nie für die Leiden anderer interessiert, sie leidet selbst nicht. Sie geht einfach weiter, sobald ihr das Elend zu arg wird. Sechs Milliarden Menschen. Irgendwer wird sich schon finden, den man vollends zerstören kann. Das brachte ihr den Vorwurf des Sadismus ein. Dafür ist sie zu desinteressiert. Es treibt sie nicht dazu. Es ist ein immer öder werdendes Spiel für sie. Daß sie sich nicht weniger hedonistische Bekanntschaften sucht, erklärt sich wohl dadurch, daß sie das nur noch intensiver anöden würde. Den Gefallen, mehr Drogen zu nehmen, erweist sie der Menschheit nicht.
Womöglich ist sie doch sadistisch, zumindest dann, wenn sie sich über diese Marter im klaren ist. Aber scheinbar verabscheut sie Standpunkte. Ist das eine bewußte Vollstreckung? Woher soll sie schon wissen, was sie anstellt? Sie würde sich niemals als Opfer der Gesellschaft begreifen. Sie würde sich wahrscheinlich foltern lassen und dennoch nichts ändern. Und wenn auf Gefühlskälte Gefängnisstrafe stünde, ließe sie sich einsperren. Eine hochgradig masochistische Menschheit könnte wohl Gefallen an ihr finden. Wäre Em sadistisch, behandelte sie solche Menschen wohl freundlich.
Die Frage, wie sie ihre Langeweile unter diesen Umständen sonst bändigen sollte, ist aber überflüssig. Sie besuchte Disneyworld und gab ein Vermögen für alle denkbaren Formen moderner Unterhaltung aus. Wurde sie dadurch so satt? Freu‘ dich doch an den kleinen Dingen des Lebens, könnte man ihr raten. Vermutlich hat sie das schon längst hinter sich, sie kennt ihre Welt. Ist das Flucht? Aber wovor sollte sie flüchten? Warum ist eine Existenz wie sie überhaupt so schwer zu ertragen?
Be: „Ist es deine Absicht, mich zu frustrieren?“
Em: „Nein.“
Be: „Aber du weißt, daß es so ist?“
Em: „Ja.“
Be: „Du wirkst autoritär.“
Em: „Ich hatte eine schwere Kindheit.“
Be: „Langweilt dich dein Zynismus nicht?“
Em: „Doch.“
Be: „Warum änderst du dich nicht?“
Em: „Ich bin so.“
Be: „Ist das eine Ausrede?“
Em: „Ich brauche keine Ausrede.“
Be: „Du behandelst die Welt schlecht.“
Em: „Die Welt behandelt mich schlecht.“
Bietet die Welt denn die Möglichkeit, sich anders zu entwickeln?
Be: „Hat man dir zum Selbstmord geraten?“
Em: „Ja.“
Be: „Was hast du da gedacht?“
Em: „Daß solche Menschen auch Mörder sein könnten.“
Be: „Wieso das?“
Em: „Weil sie anderen den Tod wünschen.“
Be: „Um sich selbst zu schützen.“
Em: „Das macht es natürlich verständlich.“
Es sollte doch mehr als diese zynische Vernunft geben. Sie arbeitet daran, ihren Verstand zu zerstören. Es sei notwendig, um die Langeweile zu bekämpfen. Wie prätentiös, sich derart gebildet zu meinen.
Be: „Du willst nur feiern?“
Em: „Nein, ein Ende der Langeweile.“
Be: „Ist das zu haben?“
Em: „Ich weiß nicht.“
Be: „Deshalb machst du alles zum Spiel?“
Em: „Ich brauche es nicht zum Spiel zu machen.“
Sie hat kein in sich ruhendes Œuvre geschaffen. Sie würde wohl den Sinn eines solchen anzweifeln. An Fortschritt glaubt sie, zumindest lehnt sie dessen Existenz nicht ab. Wohin führte sie denn ihre Erkenntnis, ihr Wissen, ihre Vernunft? Worin mündet für sie Aufklärung?
Be: „Du bist für dich verantwortlich.“
Em: „Quatsch.“
Be: „Du suchst nur einen Sündenbock.“
Em: „Das sagt man immer, wenn man nicht zugeben möchte, daß die Gesellschaft das Individuum beherrschen kann, das Individuum aber ohnmächtig ist.“
Be: „Wie kann die Gesellschaft denn dann mächtig sein, sie ist doch ein Verband von Individuen.“
Em: „Dann ist das Individuum eben sehr schwach.“
Be: „Bist du zu schwach?“
Em: „Ich bin ohnmächtig.“
Be: „Aber du wirkst doch auf mich.“
Em: „Mache ich dich klüger und besser?“
Be: „Du machst mich nachdenklicher.“
Em: „Ich habe nichts gesagt, worauf du nicht hättest selbst kommen können.“
Be: „Du bist also schon wieder gelangweilt?“
Em: „Das bin ich immer.“
Be: „Glaubst du an Gott?“
Em: „Nein.“
Be: „Und an die Wissenschaft?“
Em: „Nein.“
Be: „Du bist Nihilistin?“
Em: „Nein.“
Be: „Woran glaubst du, es muß doch einen Sinn geben.“
Em: „Es gibt keinen Sinn.“
Be: „Wofür lebst du dann?“
Em: „Für die Sehnsucht.“
Be: „Die Sehnsucht wonach?“
Em: „Nach etwas Anderem.“
 
Dieser Text ist zunächst sehr befremdlich, da werden ganz knapp Sätze geäußert, scheinbar zusammenhangslose Sätze, aber sehr bald entsteht ein Kontext , der eine ziemlich erschreckende Situation darstellt. Der Mittelteil verhilft zum besseren Verständnis. Man hält erschreckt inne, ist es schon so weit? Das also ist unsere zerstörte Gesellschaft? Interessanterweise transportiert dieser Text aber viel mehr, in seiner Kargheit erlaubt er eine mehrdeutige Interpretation. Die Rollen von Em und Be sind in beliebige Situationen versetzbar, interpretierbar. Wo also zeigte sich die Qualität eines Textes besser als in seiner Mehrdeutigkeit? Und darüber hinaus in der mitgelieferten Botschaft: quo vadis, Mediengesellschaft?
 
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xzar

Gast
ich möchte noch keine beurteilung abgeben, da ich denke, dass das werk mit einiger umarbeitung sehr gut werden kann. zunächst einmal muss ich die idee des frage antwort spiel loben. das verschafft einen ziemlichen neugierds bonus. allerdings denke ich, dass du es sowohl am anfang wie auch am ende übertrieben hast. die spannung auf auflösung wird zu sehr gespannt.
im mittelteil: wie wäre es, wenn du einige der eigenschaften, die genannt werden anstatt sie einfach auszusprechen zeigen würdest. anhand einer bewegung, einer situation, usw. das erzeugt mehr stimmung, eine größere tiefere der personen.

lg
constantin
 
Mehr Stimmung? Mehr Action? Mehr tote Menschen vielleicht? Wohl selbst ein Opfer der Spielsucht, was? Im übrigen ändere ich grundsätzlich keinen Text auf Empfehlung anderer.
Möchte außerdem darauf hinweisen, daß ich zukünftig nicht mehr auf Kritik oder derartigen Mumpitz eingehen werde. Wenn eine Sache von mir was taugt, kann sie sich selbst verteidigen.
 
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xzar

Gast
na gut, wenn du glaubst, dass du schon so perfekt bist... wieso stellst du dann die werke hier rein?
 

Zeder

Administrator
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Zinndorfer

Mitglied
Hallo Angelus Novus, das ist zu konstruiert. Am Ende hast du oben und unten noch die Dialogzeilen abgezählt. Die Figuren dienen nur deinem Exkurs und haben eher einen Monologcharakter. So ist es noch knochentrocken.
Gruß Zinndorfer
 



 
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