Tanja zieht um

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EnyaSK

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Tanja Zimmermann war sieben Jahre alt und besuchte die zweite Klasse der Altensteiner Grundschule. Ihr Vater arbeitete in einer großen Computerfirma und ihre Mutter half ein paar Stunden in der Woche in einem kleinen Schuhgeschäft aus. Tanja war das einzige Kind der Zimmermanns und musste ihr schönes Zimmer mit niemanden teilen.
Eines Abends saß die Familie beim Abendessen, es gab Tanjas Leibgericht, Spaghetti Bolognese, als Herr Zimmermann mit der Neuigkeit herausrückte, die Tanjas Leben verändern sollte.
„Meine Lieben, stellt euch vor, man hat mir eine Stelle als Projektleiter in München angeboten. Ist das nicht wunderbar?“
Herr Zimmermann strahlte über das ganze Gesicht.
Frau Zimmermann und Tanja machten überraschte Gesichter, dann lächelte Tanjas Mutter glücklich.
„Das ist ja wunderbar!“, rief sie aus.
Tanja überlegte eine Weile, was diese Neuigkeit für sie bedeutete.
„Heißt das, dass wir nach München ziehen müssen?“, fragte sie mit ängstlich klopfendem Herzen.
Ihr Vater schaute sie begeistert an.
„Ja, mein Schatz. Ist das nicht aufregend?“
Tanja sackte in sich zusammen. Umziehen! Das würde bedeuten, dass sie alle Freunde zurücklassen musste und in einer fremden Stadt, in einer neuen Schule, mit lauter fremden Kindern zurecht kommen musste. Ihr wurde ganz flau im Magen und sie stand kurz davor, in Tränen auszubrechen, doch ihre Eltern bemerkten nichts davon. Sie waren schon mitten in einer lebhaften Diskussion.
Als Tanja in ihrem Bett lag, musste sie immer wieder an den bevorstehenden Umzug denken und schließlich liefen ihr die Tränen heiß über das Gesicht. Sie faltete ihre Hände und sprach ein leises Gebet, dass Gott dafür sorgen möge, dass der Vater die Stelle doch nicht bekam. Natürlich war dies kein besonders frommer Wunsch und er wurde ihr auch nicht erfüllt. Der Tag des großen Umzuges kam.
Die Firma, in der Tanjas Vater arbeitete, hatte ein Umzugsunternehmen beauftragt und so konnte sich die Familie Zimmermann unbesorgt in ihren Kleinwagen setzen und in Richtung Süden, nach Bayern fahren, während die fleißigen Männer des Umzugunternehmens Kisten und Möbelstücke in den großen LKW verluden.
Die erste Nacht sollte die Familie in einem Hotel in München verbringen, da der Möbelwagen erst am späten Abend erwartet wurde. Tanja hatte von ihrer neuen Heimat noch nicht viel gesehen, aber sie hatte vor lauter Kummer doch keinen Blick dafür. Weinend und auch ein wenig wütend lag sie in dem fremden Bett und bedauerte ihr Los, bis sie schließlich einschlief.
Am nächsten Morgen ging es in ihr neues Zuhause. Es war eine Altbauwohnung im ersten Stock, mit hohen Decken und großen Fenstern. Das Fenster in Tanjas Zimmer ging in einen begrünten Innenhof hinaus. Nachdem ihre Möbel aufgestellt worden und die Kisten mit ihren Sachen in einer Ecke des Zimmer aufgestapelt worden waren, zog sie sich zurück und schloss die Tür. Missmutig schaute sie sich in dem Raum um. Es war ein schönes, großes Zimmer, wie sie zugeben musste. Viel Licht fiel durch das geöffnete Fenster herein. Tanja schaute auf den Hof hinab und entdeckte eine kleine, schwarze Katze, die mit einem Bonbonpapier spielte. Ein Lächeln stahl sich auf Tanjas Gesicht, als sie das Kätzchen beobachtete. Sie entschloss sich, nach unten zu gehen, um das Tier näher kennen zu lernen.
So verließ sie ihr Zimmer und suchte nach ihren Eltern. Sie fand diese in der neuen Küche, wo sie gerade einen Kaffee tranken.
„Kann ich runter in den Hof gehen?“, fragte Tanja.
„Natürlich, geh nur“, antwortete ihre Mutter und strich ihr liebevoll über den Kopf.
Flink machte sich Tanja auf den Weg nach unten. Im Innenhof war es sonnig und man hörte den Straßenverkehr fast gar nicht. Es gab viele Blumen und Stühle zum Sitzen. Auch eine Schaukel und ein Sandkasten gab es dort. Tanja schlich sich an das Kätzchen heran, welches sich sofort schnurrend an ihren Beinen rieb.
„Na, du bist mir ja ein liebes Kätzchen!“
Sie kniete sich nieder und spielte mit dem Tier. Der Kummer über den Umzug war erst einal verschwunden.
„Hallo!“, ertönte eine Stimme.
Tanja drehte sich um und erblickte einen Jungen in ihrem Alter. Er war ein wenig pummelig und hatte rote Haare und Sommersprossen. Tanja fand ihn sofort nett.
„Hallo!“, antwortete sie. „Ich heiße Tanja, und du?“
„Simon!“
„Ist das deine Katze?“, wollte Tanja wissen.
„Hm. Ja, das ist Morle. Wollen wir zusammen schaukeln? Oder magst du lieber Burgen bauen?“
Als Frau Zimmermann aus dem Küchenfenster in den Hof blickte, sah sie ihre Tochter mit einem rothaarigen Jungen in der Sandkiste spielen. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. Sie hatte sich schon Sorgen um ihre Tochter gemacht, doch nun wusste sie, dass Tanja hier glücklich sein würde.
 



 
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